5. November 2024

10.500 Jahre alte Menschenrasse gefunden – was sagt der Humanismus dazu?

Der Humanismus, und damit meine ich die Idee, dass die gesamte Menschheit eine große Familie prinzipiell gleicher Individuen bildet, ist natürlich eine sehr positive Neuerung gegenüber dem Aristotelischen Perfektionismus, und eine Antwort auf den Sozialdarwinismus. Er hat aber auch eine Kehrseite. Wenn alle Menschen gleich sind, dann sind die Tiere eben anders. Z.B. ist die Antwort des Humanismus auf den Rassismus nicht, dass es ethisch irrelevant sein muss, wie intelligent oder leistungsfähig ein Mensch ist, sondern dass es überhaupt keine Rassen gäbe. Letztere These wird damit begründet, dass Menschen schwarzer Hautfarbe untereinander eine größere Genvariation zeigen, als z.B. einzelne unter ihnen im Vergleich zu Menschen mit weißer Hautfarbe. Ebenso wird das Prinzip des „Survival of the fittest“ nicht an sich ethisch abgelehnt, sondern der Mensch als Sonderwesen einfach aus der Natur herausgenommen. Für ihn gäbe es keinen Kampf um Ressourcen, der Hunger wäre nur ein Verteilungsproblem. Deshalb ist es typischer Weise HumanistInnen auch sehr wichtig zu behaupten, dass es Kannibalismus nie gegeben habe. Alle diese „tierischen“ Aspekte des Lebens seien auf den Menschen nicht anwendbar. In Wahrheit seien die Unterschiede zwischen den Menschen nur kulturell und sozial geprägt, im Grunde wären alle Menschen gleich.

So nett dieser Ansatz ist, um eine Gleichheit unter den Menschen und damit gleiche Menschenrechte zu begründen, so nachteilig ist er für Tierrechte. Wenn Tiere „echt“ verschieden sind, ist dann nicht Speziesismus durchaus legitim? Wenn Tiere um beschränkte Ressourcen kämpfen müssen, aber Menschen nicht, ist dann das Recht des Stärkeren nicht selbstverständlich? Und wenn Tiere sich gegenseitig fressen, aber Menschen nicht, könnte dann nicht das Fleischessen als natürlich begründet werden?

Die richtige Antwort wäre meines Erachtens ein Mischwesen zwischen Mensch und Schimpanse, ein Kind eines Schimpansenmannes mit einer Menschenfrau. Wie gingen HumanistInnen mit so etwas um? Tja, gar nicht. Das wird grundsätzlich ausgeschlossen, Mensch und Tier kann man nicht vermischen, ohne den Humanismus in seiner Argumentationsgrundlage grundsätzlich in Frage zu stellen. Doch leider müssen wir das, wenn wir Tieren Rechte zuerkennen wollen.

Und deshalb freue ich mich über eine neue Entdeckung einer archaischen Menschenart in China, beschrieben im New Scientist vom Jänner 2016, siehe Bild oben. Dieser Mensch ist ein Nachfahre des Homo erectus vor 2 Millionen Jahren, hat aber, wie die neuesten Funde zeigen, sogar vor 10.500 Jahren noch gelebt! Dieser Mensch ist also in jedem Fall eine Menschenrasse, ja sogar eine Menschenart, die von uns heutigen Menschen verschieden ist. Würden HumanistInnen diesen Menschen als „Mensch“ oder als „Tier“ einstufen? Zum Genus Mensch, also Homo, gehört er in jedem Fall.

Dazu kommt noch, dass der moderne Mensch, der mit diesen archaischen Menschen offenbar gut 30.000 Jahre lang nebeneinander gelebt hat, mit diesem auch Nachwuchs produziert haben dürfte. Genanalysen stehen zwar noch aus, aber es wurden Knochen gefunden, die klar zeigen, dass es gemeinsame Nachkommen der archaischen und modernen Menschen gegeben hat. Und sie haben sich gegenseitig gefressen, manche Knochen der archaischen Menschen wurden offenbar in Feuerstellen gefunden. Sie waren aufgebrochen, um das Knochenmark herauszukletzeln, was ein sehr deutlicher Hinweis auf Kannibalismus ist. Ja, und darüber hinaus wurden Knochen der archaischen Menschen und sogar der Mischwesen von modernen Menschen bearbeitet und als Werkzeug verwendet, z.B. als Griff für einen Trinkbehälter.

Hier haben wir also Menschen, die sich mit modernen Menschen fortpflanzen konnten, die allerdings deutlich „primitiver“ waren, mit wesentlich kleinerem Hirnvolumen und einfacheren Werkzeugen, die sich aber mit modernen Menschen fortgepflanzt haben und die von modernen Menschen getötet und gefressen wurden. Wo passen diese Menschen in das humanistische Weltbild? Immerhin haben diese Menschen zumindest vor 10.500 Jahren – also nach der letzten Eiszeit, als der moderne Mensch längst Nutztiere gehalten hat – noch gelebt, vielleicht sogar noch vor kürzerer Zeit. Das ist fast 8.000 Jahre näher der Gegenwart als der Sensationsfund des Homo Floresiensis vor gut 10 Jahren, der die Hirngröße eines Schimpansen hatte. Als der moderne Mensch nach Asien kam, waren hier also verschiedene Menschenarten bereits sesshaft. Ob wir sie andere Menschenarten oder Menschenrassen nennen ist reine Nomenklatur, die Übergänge sind fließend.

Schade, dass es diese Wesen heute nicht mehr gibt, dass unsere VorfahrInnen sie ausgerottet haben. Schade vom Standpunkt der Tierrechte, nicht von ihrem subjektiven Standpunkt aus, weil diese Menschen sicher ein schreckliches Los im Mittelalter oder der frühen Neuzeit gehabt hätten, als SklavInnen und exotische Ausstellungsobjekte. Aber was wenn aus einem hinteren Himalayatal so ein Mensch jetzt daherkäme? Ist natürlich unwahrscheinlich, aber würde der Grundrechte bekommen oder wie ein Tier rechtlich als Sache gelten? Die HumanistInnen und mit ihnen die religiösen MonotheistInnen sollen uns erklären, ob diese Menschen auch als Menschen gelten – im religiösen Jargon: auch in Gottes Ebenbild geschaffen sind – oder nicht. Antwort werden wir keine bekommen, weil ihre bloße Existenz schon das ganze theoretische Konstrukt zum Einsturz bringt. Doch intellektuell redlichen Personen sollte dieser Widerspruch zu denken geben. So einfach können wir es uns offenbar doch nicht machen, die physische Gleichheit der Menschen zu konstruieren und zurecht zu zimmern, um darauf die gleichen Menschenrechte aufzubauen. Das steht auf tönernen Füßen.

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