In den Jahren bis 2015 habe ich noch die großen Jagdgesellschaften im Lainzer Tiergarten in Wien gesehen. Zig Autos am Parkplatz irgendwo innerhalb, jedes mit Fahrer:in. Ich frage einen davon, auf was er da wartet. Er sagt, er sei der Chauffeur von Manager XY und der sitze da drin im Lainzer Tiergarten auf einem Jagdstand und ballert auf Tiere. Das waren riesige Events damals, es wurden 1500 Wildschweine, Rothirsche, Mufflons und Damhirsche abgeknallt. Die Schädeldecken bzw. Zähne wurden abgesägt, ausgekocht und als Trophäen überreicht. Bis 2015 ganz normal.
Doch dann, im März 2015, begann unsere Kampagne gegen die Gatterjagd. Beim Personal der Stadt Wien hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits einiges geändert, die Forstdirektion wollte die Jagdstrategien überdenken. Man ging nicht gegen unsere Demos vor dem Lainzer Tiergarten vor, sondern lud uns zum Gespräch unter professioneller Moderation. Die „Arbeitsgruppe Lainzer Tiergarten“ war geboren, die bis heute weiter existiert.
Das Ergebnis wurde am 16. Dezember 2015 in einer gemeinsamen Pressekonferenz präsentiert. Mit einem Wermutstropfen: knapp vor Beginn teilte man mir mit, dass die Stadt Wien in einem Punkt einen Rückzieher mache. Man wolle am Verkauf von Trophäenabschüssen bis auf weiteres festhalten. Also, ja, man werde die Fütterungen im Lainzer Tiergarten einstellen und die Populationsdichte der Wildschweine innen den Verhältnissen außen anpassen, und, ja, man wolle nur noch nach ökologischen Kriterien den Bestand von Wildschweinen und Rehen und sonst keiner anderen Tierart mehr reduzieren, und, ja, es werde zuletzt Grünbrücken über die Tiergartenmauer geben, sodass die Tiere ein und aus gehen können, aber, nein, der Verkauf von Trophäenabschüssen solle bestehen bleiben. Ein Rückschlag.
Doch das Projekt entwickelte sich. Am 4. April 2017 trat das Wiener Gatterjagdverbot in Kraft. Weiterhin wurden aber Trophäenabschüsse verkauft. Ja, die Stadt Wien war nach den Bundesforsten der zweitgrößte Jagdanbieter Österreichs. Der Großteil davon bezog sich allerdings auf Abschüsse von kapitalen Trophäenträgern auf Grundbesitz der Stadt Wien am Hochschwab, der Rax und im Wienerwald, insgesamt über 50.000 ha.
Doch dann, am 1. Februar 2021 war es soweit. Die Forstdirektion von Wien verkündete das Ende der Trophäenjagd im Lainzer Tiergarten und auf dem gesamten Grundbesitz der Stadt innerhalb der Stadtgrenzen. Abschüsse werden nur mehr, wenn ökologisch notwendig weil der Wald Schaden nimmt, von Berufsjäger:innen erledigt, die keine Trophäen erhalten. Und das bezieht sich, wie gesagt, nicht nur auf den Lainzer Tiergarten, sondern auch auf den Maurer Wald und weitere Flächen, die der Stadt gehören.
Zunächst hat man also auf diesen Flächen aufgehört, sie als Reviere zu verpachten, sondern man hat nur mehr Einzelabschüsse verkauft. Dann wurde die Jagd auf alle anderen Tiere als auf Paarhufer beendet, d.h. z.B. keine Bejagung von Vögeln oder von Beutegreifern wie dem Fuchs. Diese beiden Aspekte gelten bereits für den gesamten Grundbesitz der Stadt Wien, also auch in der Steiermark und in Niederösterreich. Und jetzt legt man das Wildtiermanagement zumindest einmal innerhalb des Wiener Stadtgebietes in die Hände von bezahlten Berufsjäger:innen. Keine Hobby- und Sonntagsjäger:innen mehr, keine Trophäenabschüsse. Ein sehr großer Fortschritt!
Wie man am Abschuss des Bären Arthur in den rumänischen Karpaten sehen kann, ist das Erbeuten von Trophäen das Herzstück der Jagdleidenschaft. Die konventionelle Jägerschaft füttert Paarhufer, um möglichst viel Nachwuchs zu haben, weil im Mittel alle 70 Tiere eines ein besonders großes Geweih (Rothirsch und Rehbock) oder Gebiss (Wildschweineber) entwickelt. Die Behörden machen aber Auflagen, eine Mindestabschussquote einzuhalten, weil sonst der Wald verbissen wird. Doch die Jägerschaft will das nicht. Sie will zwar viele große männliche Tiere schießen, aber möglichst keine weiblichen, damit es viel Nachwuchs gibt. Und so wird getan, als ob man sich um die Tiere sorge, und man sucht die Unterstützung der Tierschützer:innen. Doch Achtung, die Jägerschaft ist der sprichwörtliche Wolf im Schafspelz. Das Füttern und die Kritik am Abschuss weiblicher Tiere entspringt keinem Mitgefühl oder Tierschutzgedanken, sondern der Lust auf kapitale Trophäen. Nur darum geht es.
Und deshalb ist dieser Schritt der Stadt Wien nicht zu unterschätzen. Wieviele Millionen Euro die Stadt dafür an Abschusstaxen verliert, kann ich nicht sagen, aber wenig ist es sicher nicht, wenn man bedenkt, dass z.B. im Jagdgatter Esterhazy im Burgendland der Abschuss eines kapitalen Rothirschs 22.000 Euro kostet. Eines einzigen Hirschs, wohlgemerkt. Wie fanatisch muss man sein, um so viel Geld für eine abgesägte und ausgekochte Schädeldecke zu bezahlen. Das ist für normale Menschen überhaupt nicht mehr nachvollziehbar.
Die Stadt Wien hat also zumindest auf eigenem Grund und innerhalb der Stadtgrenzen die Trophäenjagd beendet. Dieser Gedanke lässt sich in Zukunft auf den gesamten Grundbesitz der Stadt Wien, auch in der Steiermark und in Niederösterreich, ausdehnen. Vielleicht können wir sogar die Bundesforste dazu bringen, ebenfalls nachzuziehen. Die Jagd sollte einem vernünftigen Wildtiermanagement weichen. Es darf nicht um Jagdherrlichkeit und Trophäen gehen, sondern darum, nach Kriterien des Tierschutzes und der Ökologie ein Gleichgewicht zu schaffen, das sich möglichst ohne Eingriffe durch den Menschen selbst erhält. Große Beutegreifer, wie Wolf, Luchs und Bär, würden da wesentlich dazu beitragen. Erst ein derartiges Ökosystem garantiert den Erhalt einer Vielfalt von Arten und ist auch ausreichend stabil, um den Klimawandel zu überstehen.