22. Dezember 2024

1978, das Jahr mit der besten Lebensqualität?

Für mich waren die 1970er Jahre die „wilde“ Zeit der Rebellion, von heißen Partys, von Alternativkultur, aber auch des erwachenden politischen Bewusstseins, die Arenabesetzung, Rasenfreiheitskampagne im Burggarten, Friedensmärsche und Atomkraftwerk Zwentendorf. Aber trotzdem blickt man heute mit einem milden, überheblichen Lächeln auf diese Zeit mit ihren seltsamen Kleidungsstücken und ihrer Technologiefixierung, gerade weil es kaum Fernseher, keine Computer (und kein Internet) und schon gar keine Handys oder Smartphones gab, zumindest für Normalsterbliche.

Das Bruttoinlandsprodukt ist seit den 1970er Jahren gewaltig angestiegen. Also auch unser Wohlstand, oder? Nein sagt ein Wissenschaftlerteam der Uni Canberra in Australien. Das Bruttoinlandsprodukt sei das falsche Maß für Lebensqualität, vielmehr brauche man dafür den Global Progress Indicator (GPI), wie in einer kürzlich in der Zeitschrift „Ecological Economics“ publizierten Studie argumentiert wird. Der GPI geht zwar vom Bruttoinlandsprodukt aus, adjustiert dieses aber mit 26 Parametern aus den Bereichen sozialer Frieden, intakte Umwelt, Umweltverschmutzung, Verbrechensrate und Gleichberechtigung der Menschen, aber auch Umfang von ehrenamtlicher Sozialarbeit und NGO-Engagement usw. Der so erhaltene GPI zeigt einen stetigen leichten Rückgang seit 1978. Tatsächlich soll also damals die größte Lebensqualität für alle zumindest seit dem 2. Weltkrieg bis heute bestanden haben.

Diese Rechnung gilt allerdings nur für die reicheren Länder der Welt. In den Entwicklungsländern habe es seitdem Verbesserungen gegeben, die weltweite Armut sei um 42% zurückgegangen und die Lebenserwartung um 12 Jahre angestiegen. Dennoch, für Länder wie Österreich stimme das Ergebnis: 1978, das Jahr mit der besten Lebensqualität. Danach kamen der saure Regen, das Ozonloch, die AKW-Katastrophen und jetzt der Klimawandel. Und der Anstieg der Bevölkerungsdichte: auch in den Grenzen des heutigen Österreich leben jetzt mehr Menschen denn je.

Das US-amerikanische National Research Council hat zusammen mit dem Institute of Medicine der USA unabhängig vom GPI den Gesundheitszustand der Bevölkerung Amerikas im Vergleich zu europäischen Ländern, u.a. Österreich, erhoben. Dabei kam heraus, dass die Menschen in den USA wesentlich ungesünder leben. Es gibt mehr Todgeburten, im Mittel weniger Bildung, geringere Realeinkommen und mehr Armut. US-AmerikanerInnen nehmen mehr Kalorien zu sich,ebenso  mehr Medikamente, konsumieren mehr Drogen und sind weniger sozial mobil. Auch die Ungleichheit in den Einkommen sind höher. In Europa kommt England den USA in diesen Eigenschaften am nächsten, schneidet also am schlechtesten ab.

Trotzdem diese Studie aus den USA stammt, ist die Schlussfolgerung darin eindeutig ausgefallen: je neoliberaler und am freien Markt orientierter ein Staat ist, desto schlechter ist die Lebensqualität seiner BürgerInnen zusammengenommen.

Was wir aus diesen Erkenntnissen lernen? Lebensqualität ist nicht direkt mit dem Wirtschaftswachstum korreliert, geht’s der Wirtschaft gut geht’s nicht allen gut und geiz ist nicht geil.

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