25. November 2024

Das Schicksal der ersten österreichischen Demokraten: der Galgen am Schottentor 1795

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Die Hinrichtung Franz Hebenstreits am Schottentor vor der Stadtmauer Wiens am 8. Jänner 1795

Anfang des 18. Jahrhunderts sind in Österreich die staatstragenden Klassen Adel und Klerus fest im Sattel. Das Bürgertum ist noch völlig machtlos. Mit der Aufklärung wird an dieser Hierarchie gerüttelt. Die religiösen Gebote sollen durch vernünftige Regeln ersetzt werden, im Zentrum wird der Mensch und seine grundsätzliche Gleichheit stehen – nicht mehr Kaiser, König oder Gott. Bald spüren die Mächtigen die ersten gesellschaftlichen Folgen der neuen Denkströmung und versuchen, sie zu unterdrücken. Die FreidenkerInnen mussten in den Untergrund und trafen sich z.B. in Freimaurerlogen. Die Kaiser Joseph II und Leopold II akzeptierten die Freimaurerei, weil sie sich dadurch Verbündete gegen die Allmacht des Adels und der Kirche erhofften. Bis Ende der 1780er Jahre waren viele hohe Militärs, Minister und Staatsfunktionäre im Freimaurerbund. Doch mit Kaiser Franz II sollte alles anders werden.

Franz Hebenstreit kam aus dem Militär, als er 1782 an der neugegründeten Veterinäruni in Wien zu studieren begann. Zu dieser Zeit trat auch er einer Freimaurerloge bei und beteiligte sich an ihren Diskussionen, deren Hauptthema die großen Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft waren. Als es zur französischen Revolution kam, beobachtete man aus der Distanz mit viel Sympathie das Geschehen. Plötzlich starb Joseph II und mit Leopold II wurde ein Mann zum Kaiser, der als Herzog der Toskana zahlreiche revolutionäre Umwälzungen durchgesetzt hatte, so die Abschaffung der Armee, das Ende der Todesstrafe (weltweit einzigartig und zum ersten Mal), aber auch die Abschaffung vieler Adelsprivilegien. In seiner (kurzen) Zeit als Kaiser war er zwar wesentlich zurückhaltender, doch holte er radikale Demokraten, wie Andreas Riedel, zu sich an den Hof und ließ sie eine neue Verfassung für eine konstitutionelle Monarchie ausarbeiten und seine Kinder unterrichten.

Nach seinem baldigen Tod 1792 kam aber mit Franz II ein Mann an die Macht, der die Reformen im Namen der Aufklärung seiner beiden Vorgänger rückgängig machte. Sein Lehrer Andreas Riedel wird vom Hof verwiesen. Dieser gründet daraufhin einen „Demokratenzirkel“, in den auch bald Hebenstreit eintritt, und in dessen Rahmen sich 5-10 Personen regelmäßig treffen und diskutieren. Man wälzt Ideen und sinniert auch über so etwas wie Kommunismus, wenn Hebenstreit schreibt: …daß [es] von dem Krieg zum Prozesse, vom Prozesse zum Raub und zur Plünderei keinen anderen Grund als das Mein und Dein habe. […] Dagegen in einer Gesellschaft, worinnen all Natur- und Kunstprodukte nach jedem Bedürfnis gemeinnützig sind, folglich der Erwerb sowie der Genuß gemeinschaftlich, in einer solchen Gesellschaft ist jedes Laster unmöglich. Man verfasst Gedichte, wie das Eipeldauerlied, schreibt Gebete mit revolutionär demokratischem, antiaristokratischem und antikirchlichem Inhalt und legt diese auf den Bänken in Kirchen, wie dem Stephansdom, aus. Seit 1792 ist das aber verboten.

Eine politische Polizei unter Franz Saurau wird gegen die Querdenker in Bewegung gesetzt, der Kaiser will, dass man sie ausforscht und ein Exempel statuiert. Zahlreiche Spitzel werden ausgeschickt, von denen einer, Josef Degen, mehr oder weniger zufällig in den Demokratenzirkel vordringt. Freimaurer gibt es praktisch nicht mehr, sie sind durch das Wohlwollen von Joseph II in die Gesellschaft aufgesogen und damit unnötig gemacht worden. Deshalb nennt man die Demokraten „Jakobiner“, in Anlehnung an jene Personengruppe, die zu dieser Zeit die französische Revolution in ein Blutbad verwandelt. Im Juli 1794 wird zugeschlagen, die Polizei bricht mit Gewalt in zahlreiche bürgerliche Privatwohnungen ein, 50 Personen, darunter Hebenstreit und Riedel, werden festgenommen. Den einzigen Adeligen unter den Verdächtigen, sowie die Frauen, verschont man, der Rest wird in Untersuchungshaft genommen.

Der Kaiser wünscht sich einen Schauprozess, nach dem die wichtigsten Protagonisten, darunter sein ehemaliger Lehrer Riedel, hingerichtet werden. Er will politische Sondergerichte dafür einsetzen. Doch der – dank Joseph II – unabhängige Oberste Gerichtshof weist das Ansinnen zurück, legt mildernde Umstände nahe und verhindert die Todesstrafe. Nur Franz Hebenstreit und Kajetan  Gilowsky können hingerichtet werden, weil sie als Angehörige der Armee gelten. Letzterer begeht lieber Selbstmord in seiner Zelle, Erster wird am 8. Jänner 1795 am Schottentor vor den Stadtmauern Wiens gehängt. Angeblich haben sich 100.000 Schaulustige das Spektakel angesehen. Andreas Riedel, damals 47 Jahre alt, wird 3 Tage Am Hof in Wien an den Pranger gestellt und zu 60 Jahren schwerem Kerker verurteilt. Das bedeutet die Schlafstatt ist ein hartes Brett, der Gefangene immer angekettet bei Wasser und Brot in der Zelle, die er nie verlassen darf, isoliert ohne je Besuche empfangen zu dürfen. Eine Reihe von Mitgefangenen stirbt an diesen Bedingungen, Riedel überlebt nur, weil ihm der Gefängniskommandant Erleichterungen ermöglicht, und wird 1809 von der französischen Armee befreit.

Aus dem Urteil: [Die Angeklagten haben unaufhörlich darauf gesonnen] die Abstufungen der verschiedenen Stände zu zerrütten, alle Verhältnisse zu zerreissen, und die bürgerliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit […] aufzuopfern. Schuldig des Landesverraths.

Was folgt ist der erste Polizeistaat der Geschichte unter Metternich. Das Bürgertum reagiert mit dem Biedermeier. Beethoven komponiert in Wien. Bis im März 1848 die Barrikaden brennen und der demokratische Volkswille in einer Revolution explodiert!

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