Im Alter von 25 Jahren ging ich an die Uni Cambridge in England, um am Institut von Stephen Hawking in angewandter Mathematik als Universitätsassistent zu arbeiten. Schon am Abend meiner Ankunft sah ich ein Plakat am Busbahnhof hängen, auf dem für den nächsten Tag eine Podiumsdiskussion über “Animal Welfare versus Animal Warfare” angekündigt wurde. Ohne soziale Kontakte dort, schien mir das eine gute Gelegenheit, Menschen kennen zu lernen. So geriet ich sehr rasch in den Sog der dortigen Tierrechtsbewegung.
Die Stimmung in England zu dieser Zeit Ende der 1980er Jahre war revolutionär. Ein Spirit hatte weite Teile der Gesellschaft erfasst, sich radikal für Tierschutz und Tierrechte einzusetzen. Ich wurde mitgerissen. Die Tierrechtsbewegung in England war damals jener in anderen Ländern meilenweit voraus. Schon 1963 hatte sich die Hunt Saboteurs Association, das Netzwerk von Jagdsabotagegruppen, formiert und begonnen, die Hetzjagden der adeligen Großgrundbesitzer_innen zu stören und damit Leben zu retten. Der Motor dahinter war aber zunächst der Protest gegen den adeligen Snobismus und die Ausbeutung der Arbeiterschaft. Von der Arbeiterklasse rekrutierten sich die Aktivist_innen und entsprechend deftig wurden die Auseinandersetzungen geführt. Doch bald entwickelte sich aus diesem Klassenkonflikt eine echte Tierrechtsbewegung mit veganer Identität und dem Ziel der Tierbefreiung, d.h. dem Ende der Unterdrückung und Ausbeutung der Tiere. Im England der 1980er und 1990er Jahre waren die Saboteursgruppen und die Antifagruppen in den meisten Städten identisch.
In Cambridge waren zur Zeit, als ich dort ankam, 4 verschiedene Tierrechtsgruppen aktiv. Sehr bald schon beteiligte ich mich an zivilem Ungehorsam und koordinierte vor allem die Jagdaktionen. Zusätzlich fand ich Gelegenheit, in 3 verschiedenen Tierversuchslabors Experimente zu dokumentieren. Die Reaktion meines Arbeitgebers, der Uni, war ein Disziplinarverfahren. Die Hand, die einen füttert, dürfe man nicht beißen. Tierversuche sollten andere, nichtwissenschaftliche Personen kritisieren, ich müsse sie als Uniassistent nach außen hin mittragen. Spätestens da wurde mir klar, dass ich meine akademische Karriere irgendwann beenden würde müssen. Wenig später nutzte die Jagdgesellschaft ihren Einfluss, um zu erreichen, dass ich aus England deportiert werde. Der Versuch scheiterte allerdings, nicht zuletzt weil viele wissenschaftliche Größen, wie z.B. Stephen Hawking, sich für mich stark machten.
Schließlich kam es zu zwei Schlüsselereignissen. Ein Fuchs mit gelähmten Beinen, den ich im Tierspital betreute, wurde von Jägern entführt und brutal erschossen. Und wenig später, am 3. April 1993, ermordete ein Jäger direkt vor meinen Augen einen Tierrechtsaktivisten namens Tom Worby. Danach sollte nichts mehr bleiben, wie es war.
Diese Geschichte habe ich in meinem Roman “Im Untergrund” verarbeitet. Der Protagonist Paul kommt, wie ich, mit 25 aus Österreich an das Institut von Stephen Hawking als Uniassistent und lernt die Tierrechtsbewegung kennen. Auch er filmt Tierversuche und wird mit einem Disziplinarverfahren und der Deportation bedroht. Auch er ist Augenzeuge des Mordes sowohl des gelähmten Fuches als auch des jungen Aktivisten. Das Buch zeichnet nicht nur diese Geschichte nach, sondern führt die Leserschaft von dort aus der subjektiven Perspektive des Protagonisten tiefer in den Aktivismus hinein. Paul befreit Tiere des Nachts aus Tierversuchslabors, Tierfabriken und Pelztierfarmen. Dabei wird er mit brutalster Gewalt der Tierausbeuter_innen, insbesondere der Jägerschaft, konfrontiert. Auch der Hungerstreik eines Tierrechtsaktivisten bis zu dessen Tod ist Thema.
Alle beschriebenen Aktionen haben tatsächlich so stattgefunden, wie sie beschrieben sind. Wer Verständnis für radikalen Tierrechtsaktivismus gewinnen will, wer das einmal aus der Perspektive der Akteur_innen nachempfinden will, aber auch wer in die revolutionäre Tierrechtsbewegung im England der 1980er und 1990er Jahre eintauchen will, dem bzw. der möchte ich mein Buch empfehlen.
Das Bild zu diesem Beitrag zeigt ein Originalplakat von einem Hund, der vom Protagonisten Paul aus einem Tierversuchslabor der Uni Cambridge befreit worden ist.
Ich habe das Buch gekauft und gelesen.
Mich hat das Buch auf Anhieb gefesselt!
Es ist sehr informativ, einfach und spannend geschrieben. Die emotionalen Abschnitte verfallen nie zu purer Sentimentalität, im Gegenteil: sie stärken auf ihrer Weise die Kritik an ein System, das unter legalisierter Kriminalität, Ausbeutung und Skrupellosigkeit operiert.
Und das wird deutlich und nach eigener Erfahrung gezeigt.
Bei dem wissenschaftlichen Teil über den Mathematiker Roger Penrose und das Widersprechen zwischen Quantentheorie und Relativitätstheorie auf Seite 127 konnte ich nicht mithalten, das übersteigt meine fachliche Kompetenz!
Es ist aber sinnvoll sowas zu thematisieren; damit wir nicht vergessen, dass der Autor, nicht nur ein überdurchschnittlich aktiver Tierrechtler ist, sondern auch ein brillanter Wissenschaftler.
Ich empfehle das Buch jedem.
Amor