Mit 1. Jänner 2009 trat in Österreich endlich das Verbot aller Legebatterien im Kraft, für das wir so lange gekämpft hatten. Nicht ganz aller. Sogenannte ausgestaltete Legebatterien, also welche mit „möblierten Käfigen“, wie das so euphemistisch genannt wird, die bereits vor 2005 bestanden hatten, dürfen bis 2020 weitergeführt werden. Das betrifft, soweit bekannt, 17 Betriebe mit zusammen 200.000 Hühnern, also etwa 2% aller Legehühner Österreichs.
Doch einige BetreiberInnen von Legebatterien, die zu spät auf möblierte Käfige umgerüstet hatten, konnten sich offenbar von ihrer Produktionsform, die sie Zeit Lebens kannten, nicht trennen. So wurden einfach die Käfige geöffnet und die Gänge zwischen den Käfigreihen zum Scharrraum erklärt. So einfach ist das. Und ist einmal die Kontrolle vorbei, lassen sich die Hühner ganz leicht durch Futterentzug wieder in die Käfige locken und diese schließen. Noch rascher, mit einem Handgriff, sind die Käfige wieder offen, sollte sich eine Kontrolle ankündigen. Und die Kontrollen kündigen sich immer vorher an, will man doch sicherstellen, dass jemand am Hof ist, wenn man schon so weit anfährt.
Und das Ganze nennt sich dann Bodenhaltung mit Voliere, wobei die Hühner im Gegensatz zu üblichen Volieren, die bis zu 3 offene Etagen enthalten, um möglichst viele Hühner in die Hallen zu bekommen, mit Käfiggittern geschlossen sind. Und dabei steht in der für Geflügel gültigen Anlage 6 der 1. Tierhaltungsverordnung, dass bei Bodenhaltung ein Drittel der nutzbaren Fläche als Scharrraum eingestreut sein muss und keinen Gitterboden haben darf, und dass dieser Bereich „uneingeschränkt begehbar“ ist. Wie man es dreht und wendet sind solche Legebatterien aka Bodenhaltungen illegal oder nur unter einer großen Dehnung der Gesetzeslage als legal zu sehen. Doch genau das, nämlich das Gesetz entsprechend zu dehnen, tun sowohl die zuständigen AmtstierärztInnen als auch die Bezirkshauptleute. Trotz unserer Anzeigen geschah nichts. Und es gibt mehrere solche Betriebe, die uns bekannt sind.
Was kann man in so einem Fall anderes tun, als den Betrieb zu besetzen, um die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen? Am 4. April 2013 in der Früh schlichen sich also gut ein Dutzend AktivistInnen durch den Wald und erkletterten in einem Überraschungsmoment das Dach der Legebatterie, um ein Transparent zu entfalten. Weitere 30 erschienen davor auf der Straße und begannen ihren Protest. Unsere entsprechenden Presseaussendungen, https://vgt.at/presse/news/2013/news20130404y.php, wurden von der steirischen Landwirtschaftskammer aggressiv beantwortet:
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130404_OTS0212/eier-lk-steiermark-weist-vgt-anschuldigungen-auf-das-schaerfste-zurueck.
Darauf erwiderten wir ebenfalls via APA:
http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130404_OTS0261/vgt-fuer-kontrolle-geoeffnete-kaefige-machen-legebatterie-nicht-zu-bodenhaltung.
Die Medien brachten objektive Berichte, z.B. der Standard:
http://derstandard.at/1363707029334/Tierschuetzer-besetzten-Legehennenbetrieb-in-der-Oststeiermark?seite=2#forumstart
Insbesondere durfte ich live in ORF 2 über die Frage diskutieren:
http://tvthek.orf.at/programs/4660549-heute-konkret/episodes/5695113-heute-konkret
Die Besetzung unterdessen wurde zu einem Stelldichein für PolizistInnen in Zivil und Uniform aus mehr als ein Dutzend Polizeifahrzeugen, BeamtInnen des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, die aus der Ferne die AktivistInnen mit teleskopartigen Kameras fotografierten, FunktionärInnen von Landwirtschaftskammer, Bauernbund und Bauernkammer und, man höre und staune, Herrn Bezirkshauptmann Max Wiesenhofer höchstpersönlich. Als sich auch nach Stunden niemand dieser Herren und Damen an uns wandte, versuchte ich mit dem Bezirkshauptmann Kontakt aufzunehmen. Er war sehr besorgt, ich würde ihn heimlich aufnehmen, und wollte nur mit mir sprechen, wenn niemand der TierschützerInnen oder der MedienvertreterInnen (ein Filmteam von Pro7 war anwesend) zuhören würde. Dann drohte er, die nicht angemeldete Versammlung werde aufgelöst, und die Personen am Dach würden seiner Meinung nach – immerhin habe er eine juristische Ausbildung – eine Straftat begehen. Ich erklärte ihm, dass auch nicht angemeldete Versammlungen dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit unterliegen würden und nicht einfach aufgelöst werden könnten. Und ich wollte wissen, welcher Straftat er die DachbesetzerInnen bezichtige, ich könne bestenfalls Besitzstörung orten, also Zivilrecht. Ja genau, meinte er dazu, er habe Zivilrecht nicht Strafrecht gemeint. Erstaunlich für einen Juristen, immerhin ist Strafrecht die schärfste Waffe der Strafbehörden, während Zivilrecht nur Streitigkeiten zwischen Personen betrifft, die überhaupt nicht mit Strafe bedroht sind. Für Besitzstörung gibt es keine Strafen.
Wie dem auch sei, wir hatten die Behörden auf den Fall aufmerksam gemacht, auch das Tierschutzministerium in Person von Sektionschef Gerhard Aigner erklärte, man werde sich unsere Vorwürfe genau anhören und sei um Aufklärung bemüht. Die Medien hatten auch ihre Funktion erfüllt, den Fall an die Öffentlichkeit zu bringen und damit einer gewissen Kontrolle zu unterziehen, sodass es für die BesetzerInnen Zeit war, zu gehen. Doch die Polizei umstellte das Gebäude und ließ nicht zu, dass die AktivistInnen den Ort verlassen konnten. Also setzten sie sich in passivem Widerstand auf den Boden. Die Kameras der Medien surrten und so zögerte die Polizei, handgreiflich zu werden.
Daraufhin gingen die AktivistInnen durch die Polizeikordons hindurch auf die Straße, wo sie wiederum aufgehalten wurden. Diesmal stand Bezirkshauptmann Wiesenhofer persönlich vor ihnen und beauftragte die Polizei, unter Androhung der Festnahme die Identität der AktivistInnen festzustellen. Die TierschützerInnen leisteten aber wiederum passiven Widerstand, ist doch seit der Tierschutzcausa bekannt, was mit Adressdaten von AktivistInnen alles geschehen kann. Letztlich gingen sie plötzlich los, konnten ungehindert bis zu meinem Auto gelangen und wurden von mir weggefahren. Ich war der einzige Anwesende, der mit seinem Auto wegfahren konnte, war ich doch als einziger der Behörde persönlich bekannt und somit vor einer Lenkerauskunft gefeit, die die Identität anderer AktivistInnen preisgegeben hätte. So verbrachte ich die nächsten Stunden damit, jeweils 4 Personen aus dem Umfeld der Legebatterie davon und in Sicherheit zu bringen, bis die Polizei schließlich ebenfalls den Ort des Geschehens verließ.
Resümee: eine rundum gelungene Aktion, wie mir scheint. Doch wir müssen dranbleiben. Entweder die Verordnung wird geändert oder die Fachstelle für Stallhaltungssysteme muss offene Legebatteriekäfige als Form der Bodenhaltung ausschließen. Es wäre doch absurd, würde zugelassen, dass LegebatteriebetreiberInnen weiterhin das Käfigverbot umgehen und ihre Eier per Etikettenschwindel unter den Augen der Behördenkontrollen als Bodenhaltung verkaufen dürfen!
Der Link ist falsch, am 4.4. war die “konkret”-Folge!
http://tvthek.orf.at/programs/4660549-heute-konkret/episodes/5695113-heute-konkret
Gratulation zu dieser gelungenen und vor allem medienwirksamen Aktion.
Allerdings dürfte es sich noch nicht bis zur Polizei – und insbesondere der Stasi – durchgesprochen haben, dass das Aufdecken von Missständen auch in Österreich keine Straftat darstellt. Andererseits ist dies bei den umwerfenden juristischen Kenntnissen des Juristen, in der Person Bezirkshauptmanns, nicht weiters verwunderlich.
Gratulation für diese Aktion und für den ORF Bericht – die Schlußworte der Moderatorin waren schön: “Die Damen und Herren zu Hause wissen jetzt, was sie bekommen, wenn sie Bodeneier kaufen”! Der VGT kann total stolz auf seine Aktivist_innen sein! Wir können auch froh über Martin Balluch sein, der dem Ganzen dann auch ein seriöses Gesicht für die österr. Medienwelt gibt.