Es ist berührend, wie sehr sich viele Menschen darüber sorgen, ob, abseits von ernährungsphysiologischen Ansprüchen, ein Hund vielleicht darunter leidet, nie in Fleisch hineinbeißen zu können. Es sei natürlich für Hunde, Fleisch zu essen, also würden sie darunter leiden, es nie tun zu können.
Ich möchte mich darüber gar nicht belustigen, sondern den Gedanken analysieren. Vielleicht ist es für Hunde ähnlich natürlich, Fleisch zu essen, wie für Menschen, auf Bäume zu klettern. Leiden Menschen, wenn sie nicht auf Bäume klettern können? Leiden sie in so weitgehendem Maße, dass man deshalb regelmäßig den Tod von Tieren in Kauf nehmen sollte, wie es für einen Fleisch essenden Hund nötig wäre? Oder sind Hunde irgendwie mehr Naturwesen als Menschen, und daher solchen inneren Antrieben stärker ausgeliefert? Woran wäre das zu erkennen?
Selbst wenn ich jetzt anerkennen würde, dass Hunde mehr von Naturwesen in sich haben als wir Menschen, käme ich zu einem anderen Schluss als ihm Fleisch zu geben. Mein Eindruck ist nämlich, dass die bloße Lust in ein Fleisch zu beißen beim Hund wesentlich hinter dem Bedürfnis zurücksteht, frei in einer Wildnis herumstreunen zu können. Dabei möchte ich den Begriff „Wildnis“ jetzt nicht zu eng fassen, ich meine lediglich eine halbwegs intakte Naturlandschaft ohne aufdringliche menschliche Einflüsse, in der man sich tagelang aufhalten kann, ohne auf Menschen, Straßen oder Häuser zu stoßen. Die österreichischen Berge genügen diesen Ansprüchen an vielen Stellen jedenfalls, insbesondere die in der Obersteiermark. Aber mein Hund und ich gehen auch jedes Jahr in die Südkarpaten.
Die Wildnis bietet dem Hund ganz anderes, als er in der Stadt oder einem grünen Park je bekommen kann. Sie bietet Weite. Sie bietet alle jene Reize, auf die der Hund in Jahrmillionen von Evolution vorbereitet wurde. Sie bietet Interaktion mit anderen Tieren. Sie bietet körperliche Betätigung und Strapazen. Aber sie bietet dem Hund zusätzlich die Möglichkeit, dem Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, halbwegs gleichberechtigt miteinander zu leben, und auch konstruktiv vieles zur Gemeinschaft beizutragen. In der Wildnis kann ich mit meinem Hund das Ideal einer gleichberechtigten Partnerschaft leben, gemeinsam zu entscheiden, was wir jetzt tun, gemeinsam Gefahren zu begegnen und sie zu überstehen, und die Hierarchie unter uns abzulegen.
Wenn wir wirklich loslegen, in der Wildnis, dann kommunizieren wir zwar, aber ohne Befehl. Wir suchen beide Schutz vor Unwetter, Regen und Hagel. Wir kauern nebeneinander unter einem Felsen und fürchten uns, wenn die Blitze einschlagen. Wir suchen Schatten in der prallen Sonne. Wir beobachten aus der Distanz und mit großer Vorsicht eine gefährliche Giftschlange. Wir klettern über Felsen oder auf einen Baum. Wir vertreiben in der Nacht gemeinsam einen Bären oder mein Hund schützt mich vor einem angriffslustigen Auerhahn. Umgekehrt habe ich ihn schon vor einem wilden Steinbockmann gerettet. Wir entscheiden zusammen, in welche Richtung wir gehen oder ob wir umkehren. Wir pflücken nebeneinander Heidelbeeren oder er wartet auf mich beim Schwammerlbrocken, ich dann auf ihn beim Aasessen. Wir sitzen aber auch im Abendlicht auf einem Felsvorsprung und bestaunen die Schönheit der Natur. Und manchmal, ganz selten, heulen wir zusammen. Wenn die Nacht dann einfällt, kuscheln wir uns aneinander und schlafen gemeinsam, nicht ohne ab und zu in die Nacht hinein zu horchen, um uns gegenseitig vor Gefahren zu warnen.
Ich halte das regelmäßige Erlebnis der Wildnis für meinen Hund für essentiell. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass erst die Wildnis für ihn das Leben richtig lebenswert macht. Spätestens wenn er spürt, dass es wieder losgeht, ist ihm das total anzumerken.
Bieten jene Menschen, die das Fleischessen für den Hund aufgrund seiner Natürlichkeit für so wichtig halten, ihrem Hund eine Wildnis? Ist das Wildniserleben nicht auch natürlich? Ist es nicht viel essentieller, tiefer und erfüllender, als ein kurzer Beißgenuss je sein kann? Ist es nicht auch wichtig, dem Hund das Gefühl zu geben, ein unabhängiges, selbstbewusstes, autonomes Lebewesen zu sein, das nicht immer nur in allem von seinem Menschen abhängig ist, sondern das auch selbst entscheiden kann und soll, und dem eine wichtige Rolle in der Gemeinschaft zukommt?
@Sandra
Nein, ich habe ihn langsam daran gewöhnt. Er muss ja die Straße erst verstehen lernen, ohne dass es gefährlich wird. Und es ist mir schon sehr wichtig, dass er in dringenden Fällen wirklich kommt, wenn ich ihn rufe.
Gestern in den Bergen schlüpfte mein Hund unter einem Wildgatterzaun durch, dahinter 200 Hirsche beim Essen und ein Jäger daneben. Ich habe meinen Hund gerufen und er kam sofort, ohne zu zögern. Das kann unter Umständen sein Leben retten.
Lief “dein” Hund von Beginn an ohne Leine und auch in der Stadt?
liebe Grüße
Sandra
Bin heute Morgen zufällig auf diese Seite gestossen und es ist schön zu lesen, dass es noch einige “normale Menschen” gibt.
Ganz genau dass braucht ein Hund und nichts anderes, Abenteurer, wilde Natur und Erfahrungen sammeln…..
Eindrucksvolle Bilder einer innigen Partnerschaft, ganz ohne Worte. Beneidenswert.
Gut, meine Ausflüge in die Natur bringen mich zwar in eine nicht ganz so wilde, aber trotzdem fühle ich mich dort nur als Gast und versuche so wenig wie möglich die Umgebung durch meine Anwesenheit zu beeinflussen. Doch nicht selten habe ich es erlebt, dass plötzlich ein Hund meinen Weg kreuzte wo kurz zuvor noch fluchtartig Rehe drüberrannten. Damit komme ich beim besten Willen nicht zurecht. In Leserkommentaren von Hundezeitschriften schreiben die Leser ganz stolz wie sie ihre Hunde auf den Feldern den Hasen nachjagen lassen, als ob diese nicht schon durch Straßenverkehr, schießwütige Grünröcke etc. genügend Stress erleiden müssen.
Für mich hat eben z.B. eine Maus den selben Wert wie ein Hund, auch wenn das die meisten Menschen wohl anders sehen. Vielleicht auch ein Grund, warum ich mich deshalb verstärkt jener (weggeworfenen) Tiere annehme deren Wertschätzung in unserer Gesellschaft tendenziell eine geringere ist.
Was die vegane Ernährung von Hunden betrifft: so scheint das Thema selbst unter Veganern und Veganerinnen ziemlich zu polarisieren. Wie auch immer, ich sehe darin zumindest die konsequente Umsetzung des Möglichen. Bin zwar kein Hundeexperte, aber so sieht kein mangelernährter und dadurch unglücklicher Hund aus, und darum geht es doch letztendlich.
Danke für die wundervollen Bilder.
Ganz liebe Grüße an Kuksi und seinen Freund Martin.
🙂 …schön zu lesen und noch beeindruckender die BIlder!
Schade das die “Motschgerer” meißtens sehr viel mehr Energie im hinterlassen von Kommentaren stecken als Befürworter dies tun…denn alleine ich kenne für jeden negativ Kommentar, hier oder bei fb, gut zehn Befürworter!!!
lg Wuzi
“Vielleicht ist es für Hunde ähnlich natürlich, Fleisch zu essen, wie für Menschen, auf Bäume zu klettern. ”
Das wage ich zu bezweifeln – ich jedenfalls bekomme bei der Vorstellung, auf Bäume zu klettern, eher Panikattacken.
“Die Wildnis bietet dem Hund ganz anderes, als er in der Stadt oder einem grünen Park je bekommen kann.”
Interessant ist ja, dass ich, wo ich jeden Tag an einer großen Hundefreilauffläche vorbeikomme, feststellen muss, dass die meisten Hunde offenbar nur in den ersten Frühlings- und Sommertagen das Bedürfnis haben, frei zu laufen und sich mit anderen ihrer Art zu treffen. Zumindest ist da die Anzahl an Hunden immer 5 mal so hoch wie im restlichen Jahr.
Ohne zu wissen, wo die anderen Hunde in der restlichen Zeit hinverschwinden – manche würden sich vielleicht über mehr Freilauf mehr freuen als über den Fleischanteil im Trockenfutter 😉