Oh, dachte ich, als ich hörte, dass ein neues Buch zur Situation der Wölfe in Österreich erscheinen wird, das könnte spannend sein. Dann las ich, dass der jagdaffine Klaus Hackländer Herausgeber ist und strich es wieder aus meiner “to read”-Liste. Schließlich warf ich doch einen Blick hinein und, siehe da, es enthält tatsächlich einige spannende Fakten.
Zwar muss man Vor- und Schlusswort von Hackländer überstehen, in denen er z.B. “alle” zur Diskussion einlädt, nur den Tierschutz nicht. Dass Tierschutz für Hackländer ein Fremdwort ist, wissen wir spätestens seit seinem Expertengutachten für die Anklage im Tierschutzprozess, siehe den Bericht zum 41. Prozesstag, an dem er sein Gutachten vorgestellt hat: http://tierschutzprozess.at/tierschutzprozess-41-tag/. Da gab er klar zu verstehen, dass Tierleid für ihn nur eine menschliche Wertvorstellung sei, die man nicht naturwissenschaftlich objektivieren könne. Demnach könne man nicht objektiv sagen, dass es Nerze in einem winzigen Pelzfarmkäfig schlechter hätten, als Nerze in freier Wildbahn. Wäre das so, würde das eine Bankrotterklärung für die Naturwissenschaft sein. Ich glaube zu so einer Meinung bedarf es keines weiteren Kommentars. Klar ist, wer so denkt, hält Tierschutz im gesellschaftlichen Diskurs für völlig obsolet und sieht keinen Bedarf, Tierschutz in irgendeine Diskussion, geschweige denn eine über die Jagd oder den Wolf, mit einzubeziehen.
Dennoch ist meine Schlussfolgerung, gleich vorweg, dieses Buch trotz Hackländer sehr zu empfehlen. Zwar gibt es einige Artikel, die man besser überblättert, wie z.B. einen undifferenzierten und unwissenschaftlich gehaltenen Aufruf zur sofortigen Ausrottung der Wölfe vom NÖ Bauernbund und ein ähnlich niveauloses Plädoyer für den Abschuss der Wölfe vom Generalsekretariat Jagd Österreich, in dem sogar mit der Verminderung des Pachtwertes und der Beeinträchtigung der Jagd durch die Präsenz des Wolfes argumentiert wird. Dabei hat sich die Jagd Tierschutz und Ökologie unterzuordnen. Doch gerade in einem jagdaffinen Buch wirken die tatsächlich vorhandenen Fakten pro Wolf besonders schwer und werden kaum angreifbar sein.
In einem Artikel über die Biologie des Wolfes ist davon die Rede, dass in Österreich die europaweit größten Schalenwilddichten herrschen und unser Land mit über 50 % Waldanteil grundsätzlich sehr gut für den Wolf geeignet ist. Ökologisch betrachtet könnten sich also in Österreich einige hundert Wölfe ansiedeln.
Der Wolfsbeauftragte Georg Rauer liefert sämtliche Daten zur Wolfspräsenz in den letzten 15 Jahren. Im Jahr 2018 gab es demnach 35 Wölfe in Österreich mit 3 Rudeln im Waldviertel, deren Territorien mit Ausnahme jenes des Truppenübungsplatzes allerdings nach Böhmen überlappen. Weibliche Tiere sind sonst nur noch in Kärnten nachgewiesen. Männliche Tiere allerdings quer durch Österreich vor allem in den Bergen, 10 davon bei mir in der Obersteiermark. Allerdings konnten nur 2 dieser Wölfe über 3 Jahre verfolgt werden, der Rest ist wieder verschwunden.
Eine Wildbiologin, die Gutachten für die Jagd verfasst, muss in ihrem Artikel zugeben, dass Reh, Hirsch und Wildschwein durch die menschliche Jagd deutlich mehr gestresst werden, als durch die Präsenz des Wolfes. Klaren Aussagen über die Auswirkung des Wolfes auf die Wilddichten und auf den Verbiss am Wald, oder auch über die trophischen Kaskaden, die in verschiedenen Studien eine sehr positive Wirkung des Wolfs auf die Ökologie belegt haben, weicht sie aber aus, indem sie meint, alles sei irgendwie noch offen. Dass allerdings die von ihr so befürworteten Fütterungen von Hirschen und Rehen bei der Präsenz von Wölfen in Frage gestellt werden müssen, klingt doch in ihrem Text durch.
Sehr positiv sind mir neben dem Artikel von Rauer noch 3 weitere aufgefallen. Da wird die Auswirkung der Wolfspräsenz auf die Almen analysiert und befunden, dass sich beides nicht ausschließt. Dann aber brechen die Autor_innen endlich mit dem Tabu, dass jede Alm um jeden Preis erhalten werden muss. Viele Almen seien übernutzt und überdüngt, sodass eine Wiederbewaldung die deutlich bessere Option wäre. Nicht zuletzt, füge ich hinzu, weil der Wald der Atmosphäre CO2 entzieht und damit die Klimakrise entschärft.
In dieselbe Kerbe schlägt eine in einem weiteren Artikel präsentierte Studie über die touristische Nutzung von Almen. Lediglich 10,6 % der Befragten bevorzugen menschlich geprägte Natur und lehnen den Wolf rigoros ab. Dem Rest wäre eine Wiederbewaldung von Almen sogar lieber. Die Menschen mögen mehrheitlich Landschaften mit 60-80 % Waldbedeckung und sehen die Präsenz von Wölfen nicht negativ.
Interessant ist auch ein Artikel über Herdenschutz, der bei weitem nicht schlussfolgert, dass Schutzzäune oder Herdenschutzhunde keine Wirkung hätten, obwohl der Autor selbst Obmann des Österreichischen Bundesverbandes für Schafe und Ziegen ist. Ein wirksamer Schutz ist möglich, so der Autor, nur kostet er viel und das sollte der Staat den Nutztierhalter_innen ersetzen. Aber wie kommen die Veganer_innen unter den Steuerzahler_innen dazu, frage ich mich an dieser Stelle, Nutztierhaltung zu unterstützen? In einem weiteren Artikel werden konkret die Zusatzkosten für Herdenschutz für verschiedene Almen vorgerechnet. Die Summen sind jedenfalls nicht vernachlässigbar.
Alles in allem bin ich sehr positiv von diesem Buch überrascht. Es räumt mit vielen der hetzerisch verbreiteten Unwahrheiten über den Wolf auf, so auch mit dem Märchen, er würde den Menschen gefährden. Und das aus der jagdaffinen Ecke! Da würde ich doch gerne hören, wie die Radikalen und Unbelehrbaren aus Jagd und Nutztierhaltung da dagegen halten.
PS III: Hunde & Katzenfutter wird durch Agrar-Subventionen zu stark preisreduziert. Es fließen Milliarden an Euros an Steuergelder in fleischlastige Hunde & Katzennahrung. 1% dieses Geldes, könnte viele wilde Brüder (Wölfe) und Schwestern (Wildkatzen) wieder eine Lebensberechtigung finanzieren. Weniger Fleisch an unsere Haustiere füttern, würde viel Lebensraum schaffen.
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Vieles was mit Wild- und Nutztieren falsch ist, geht auf Subventionen zurück, die Flächennutzung anstatt Nährstoffe fördern. Es macht aus Landwirten und Konsumenten Feinde und zerstört essentielle Kreisläufe für alle Beteiligten.
PS II: Hunde haben in der Vergangenheit viel weniger Fleisch gegessen, als sie es heute im Westen erhalten. Deswegen haben sie im Gegensatz zum Wolf ein ausgeprägtes AMY2B Gen, das ihnen ermöglicht Stärke besser zu verdauen. In der Bibel, zum Beispiel. spricht Jesus noch von Brotresten, nicht von Fleisch- oder Fischresten, die man Hunden verfüttert.
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Heute kann es gar nicht so viele Schafe und Wölfe geben, damit Hirtenhunde mehr potentiellen Schaden verhindern können, als sie im Laufe ihres Lebens gewiss verursachen. Die Welt ändert sich. Was noch vor 100 Jahren unbedenklich war, hat heute eine harte Realität. Vegane Mischlings-Hirtenhunde wären eine andere Sache, das wäre ökologisch und ökonomisch gut für alle.
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Hunde können sich nach wie vor mit Wölfen kreuzen. Wir sprechen von unterschiedlichen Rassen, nicht Spezies. Es wäre in jederfraus Interesse, die domestizierten Fleischesser zu reduzieren, so dass die wilden Fleischesser wieder die Natur regulieren können.
Kulturell wäre es schwer auf den berühmten, österreichischen Schafskäse zu verzichten. Meine Freunde aus dem Ausland fragen oft nach dem berühmten Ziegen-Wienerschitzel…
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Spass bei Seite, im Standard steht heute: “So bezifferte die Landesregierung die Schäden durch Wölfe im Jahr 2018 in der Landwirtschaft mit 8420 Euro.”
https://www.derstandard.at/story/2000107041312/die-geschuerte-angst-vorm-boesen-wolf
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Das ist so wenig, dafür könnten sogar nur wir Veganer zahlen? Es soll in Österreich Leute geben, die ohne etwas falsch gemacht zu haben, vom Staat zu €600,000 Schuld-Last gezwungen wurden. Das gestohlene Geld alleine könnte Wölfe und Landwirte ca 75 Jahre lang finanzieren?
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Der Wolf ist eine Keystone Spezie, die ökologische Kreisläufe besser stärken kann, als jeder Förster und Jäger. Der ganze Medien-Hype und das Morden wegen 8,000 Euro? Nicht zu glauben. Wenn etwas gesund, günstig und effizient ist, dann wollen Landwirte und Jäger nichts davon wissen.
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PS: Eine Sache ist klar, wir können uns keine fleischessenden Hirtenhunde mehr leisten. Sie würden mehr Lebensraum verschlingen und Natur zerstören, als uns momentan bewußt ist. Ein Zaun kostet ca so viel wie ein reinrassig gezüchteter Hund, aber muss dann nicht über 10 Jahre mit Fleisch versorgt werden. Als das Hundefutter noch ein Individuum war, ging es ihm oder ihr viel schlechter als es irgendeiner Ziege ergeht, die mit Wolfs-Risiko lebt.
Herr Balluch, ich empfehle Ihnen einmal folgende Lektüre:
https://progressive-agrarwende.org/dicke-kartoffeln-fuer-unseren-planeten/
Denn Sie gehören vermutlich auch zu jenen Menschen, die täglich essen.