So kurz und lakonisch klingt das Staatsziel Tierschutz in unserer Verfassung jetzt in einem Antrag von SPÖ, ÖVP und FPÖ an das österreichische Parlament, Details dazu siehe http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/A/A_02316/fnameorig_305743.html, der vermutlich am 4. Juni 2013 im Unterausschuss, unmittelbar danach im Verfassungsausschuss und zwischen 12.-14. Juni im Nationalrat abgestimmt wird. Da die 3 Parteien eine verfassungsgebende Mehrheit bilden, steht einem Beschluss nichts mehr im Weg. Was ist von dieser Bestimmung zu halten?
Zunächst fällt sofort auf, dass die Formulierung deutlich schwächer als die Umweltschutzbestimmung ausgefallen ist. Es fehlt im Vergleich sowohl das Prädikat „umfassend“ als auch die genauere Spezifikation, z.B. dass es um den Schutz des Lebens und Wohlbefindens der Tiere geht. Die SPÖ hatte beides gefordert, war aber damit laut eigenen Angaben bei der ÖVP abgeblitzt. Nach Wochen von Verhandlungen einigte man sich auf die obige, knappe Formulierung und verbannte die Spezifikation in die Erläuterungen. Dort steht jetzt: Damit wird der Entschließung vom Juni [gemeint: Mai] 2004 entsprochen und Tierschutz als Staatsziel in der Verfassung verankert, um dem Gebot eines sittlich verantworteten Umgangs des Menschen mit dem Tier als fühlendes Wesen Rechnung zu tragen. Weitergehende Bestimmungen sind nicht nötig, da in § 1 des Tierschutzgesetzes [BGBl] bereits als Ziel verankert ist, das Leben und das Wohlbefinden der Tiere aus der besonderen Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf zu schützen. Darüber hinaus verweist § 285a ABGB darauf, dass Tiere keine Sachen sind und durch besondere Gesetze geschützt werden.
Alles in allem ist Tierschutz damit ein Staatsziel in der Verfassung und zusammen mit der Erläuterung ist auch klar, worum es dabei geht. Allerdings zeigten sich unsere GegnerInnen in diesem Konflikt sehr gewieft. Statt die Aufnahme von Tierschutz in die Verfassung zu bekämpfen, was öffentlich nicht gut möglich gewesen wäre – aussitzen ja, ablehnen nein, nachdem alle Parteien 2004 ja bereits einstimmig dafür waren – wählte man den Weg, sozusagen Gegenpositionen gleich in der Verfassung festzuschreiben, um das Staatsziel Tierschutz sofort zu neutralisieren. So steht in § 5 des neuen Bundesverfassungsgesetzes: Die Republik Österreich bekennt sich zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit hochqualitativen Lebensmitteln tierischen und pflanzlichen Ursprungs auch aus heimischer Produktion.
Von der SPÖ wurde mir mitgeteilt, dass die ÖVP ursprünglich die gesamte tierliche Landwirtschaft und Agrarindustrie verfassungsmäßig geschützt haben wollte. Man fürchte um einschneidende Konsequenzen mit dem Schutz des Lebens und Wohlbefindens der Tiere in der Verfassung, war das Vorbringen. Schließlich wurde das in obiger Form zum Gesetzestext. Darin steht jetzt wenigstens die Qualifikation „hochqualitativ“. Zusätzlich gibt es mit § 1 die Nachhaltigkeit und mit § 2 den Tierschutz als Staatsziele im selben Gesetz, d.h. die Republik bekennt sich nur zu einer Versorgung mit nachhaltigen, tierschutzgerechten und hochqualitativen „tierischen“ Lebensmitteln. Damit kann ja wohl bestenfalls die Bio-Freilandhaltung gemeint sein.
Doch es gibt noch einen zweiten, als Gegenstaatszielbestimmung zum Tierschutz intendierten Paragraph: § 6. Die Republik Österreich bekennt sich zur Bedeutung der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung. Unsere Kampagne für ein besseres Tierversuchsgesetz im letzten Jahr mündete in die Vorschreibung eines Kriterienkatalogs für die Schaden/Nutzen-Abwägung für jeden Tierversuch. Bei diesen Katalogen wird praktisch immer der Nutzen umso höher bewertet, je wahrscheinlicher er eintritt und je konkreter er ist. Grundlagenforschung erfüllt diese Bedingungen nur sehr marginal. Bei der Abwägung wird also die Grundlagenforschung gute Zusatzgründe vorbringen müssen, wenn Tierversuche für ihre Ziele ein größeres Tierleid verursachen. Um dem vorzubeugen muss wohl die universitäre Tierversuchslobby sehr aktiv geworden sein. Mit einer Staatszielbestimmung, die laut Erläuterung die Grundlagenforschung aufwerten soll, damit sie offenbar gegenüber Tierschutzbedenken größeres Gewicht hat, will man Kriterienkataloge für verfassungswidrig erklären können, die Tierversuche in der Grundlagenforschung einschränken.
Wir dürfen gespannt sein, wie sich diese neuen Staatszielbestimmungen in der praktischen Anwendung auswirken werden!
ich wollte mich bei kleiderbauer mit einer unterschrift schuldig machen- ging aber nicht!??
Die Effizient kommt sicher auf die Definition von “Hochwertig” an. Ist damit Bio gemeint? wäre dann sicher weniger problematisch, aber ich befürchte das schließt auch konventionelle Lebensmittel nicht aus.
Hoffe das hier dann letztendlich was weitergeht. Ich erwarte schon mit Spannung die Berichte, des VGT’s, über nützliche Anwendungen..
Mayer hat sich meines Erachtens, im Club 2 auch klar deklariert.
Ich bin schockiert. Das ist doch Anti-Tierschutz in der Verfassung.
1. Tiere als Lebensmittel stehen in der Verfassung – der Tierschutz ist nur einfach gesetzlich abgesichert
2. Grundlagenforschung steht in der Verfassung – das Tierversuchsgesetz ist ein einfaches Gesetz und
Ober sticht Unter, oder?
3. Tiere als Lebensmittel und Grundlagenforschung stehen in der Verfassung, Tierschutz auch. Tierschutz ist somit nicht in der Lage Tiere gegen deren Verwendung als Lebensmittel und zur Grundlagenforschung zu schützen.
Alles in allem schlechte Karten für den Tierschutz.
Kann man die Verwendung von Kastenständen 365 Tage im Jahr eigentlich einfachgesetzlich verbieten, wenn das doch der Sicherung der gesunden Nahrungsquelle widerspricht?
Vielleicht bin ich zu pessimistisch. Ich wünsche mir, dass diese Änderungen im Block abgelehnt werden.
Heinz Mayers Kritik richtet sich einerseits gegen Staatszielbestimmungen überhaupt. Andererseits ist ihm Tierschutz kein Anliegen. Als Leiter des Verfassungskonvents war er für die damalige Entscheidung verantwortlich, keine Staatszielbestimmung Tierschutz anzustreben, weil Tierschutz sowieso schon von der Umweltschutzbestimmung umfasst sei. Das ist natürlich nicht der Fall, Tierschutz ist etwas Eigenständiges und u.U. völlig Konträres zu Umweltschutz. Auch beim Tierschutzprozess äußerte sich Mayer einseitig gegen uns Angeklagte und in einer Club 2 Diskussion darüber zeigte sich, dass ein Bekannter von ihm, der offenbar Tierversuche durchführt, einmal ein Farbei auf das Haus geworfen bekam, was Mayer mir vorhielt als sei ich verantwortlich.
Zusammenfassend interpretiere ich Mayers Kritik daher nicht als nachteilig für den Tierschutz. Mayer sagte in Ö1 auch, dass sich die Politik mit diesen Staatszielbestimmungen in die Hände der VerfassungsrichterInnen begebe. Also müssen diese Bestimmungen schon eine Wirkung haben. Kurz gesagt, wenn Mayer von einer Wirkung der Tierschutzbestimmung ausgeht, etwas gegen diese Bestimmung hat und gleichzeitig Tierschutz eher ablehnt, dürfte die Bestimmung für Tierschutz tendenziell vorteilhaft sein.
Wie sehen Sie die Kritik von Verfassungsrechtler Mayr?