Es gibt tatsächlich wenige Bereiche im Tierschutz, in denen man die deutsche Praxis und Gesetzgebung für die österreichische als Vorbild nehmen muss. Doch wo das der Fall ist, möchte ich es ungeschminkt tun. Und dazu gehört die Einrichtung von Fachgremien für die Bewertung der Genehmigungsanträge von Tierversuchen.
In Deutschland sind die Tierversuchsregelungen Teil des Tierschutzgesetzes. Wäre das in Österreich so, hätten automatisch die Tierschutzombudspersonen auch in allen Tierversuchsfragen Parteienstellung und könnten jede Entscheidung berufen. Aber darüber hinaus verpflichtet §15 des Tierschutzgesetzes die deutschen Behörden für alle Genehmigungsanträge für Tierversuche sogar mehrere Kommissionen einzurichten, die zu mindestens einem Drittel aus VertreterInnen von Tierschutzorganisationen bestehen!
Die Durchführung dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen obliegt, […] den nach Landesrecht zuständigen Behörden.
Die nach Landesrecht zuständigen Behörden berufen jeweils eine oder mehrere Kommissionen zur Unterstützung der zuständigen Behörden bei der Entscheidung über die Genehmigung von Tierversuchen. Die Mehrheit der Kommissionsmitglieder muss die für die Beurteilung von Tierversuchen erforderlichen Fachkenntnisse der Veterinärmedizin, der Medizin oder einer naturwissenschaftlichen Fachrichtung haben.
In die Kommissionen sind auch Mitglieder zu berufen, die aus Vorschlagslisten der Tierschutzorganisationen ausgewählt worden sind und auf Grund ihrer Erfahrungen zur Beurteilung von Tierschutzfragen geeignet sind; die Zahl dieser Mitglieder muss ein Drittel der Kommissionsmitglieder betragen.
Die zuständige Behörde unterrichtet unverzüglich die Kommission über Anträge auf Genehmigung von Versuchsvorhaben und gibt ihr Gelegenheit, in angemessener Frist Stellung zu nehmen.
In Bayern gibt es so z.B. 3 dieser Fachkommissionen mit jeweils 6 Mitgliedern, 2 davon von Tierschutzseite. Jeder Tierversuchsantrag in Bayern wird an eine dieser Kommissionen geschickt, die den Antrag prüft und mit einfacher Mehrheit nach einer Abstimmung entscheidet, ob der Antrag genehmigt wird. Dass TierschützerInnen Mitglieder sind, garantiert, dass die Anträge auch wirklich geprüft werden.
Und wie sieht die Sache in Österreich aus? §29 (3) des Regierungsentwurfs regelt das:
Bei der Durchführung der Projektbeurteilung hat die zuständige Behörde insbesondere hinsichtlich der folgenden Bereiche auf Fachwissen zurückzugreifen:
- wissenschaftliche Einsatzbereiche, in denen die Tiere verwendet werden, einschließlich der Vermeidung, Verminderung und Verbesserung in den jeweiligen Bereichen,
- Versuchsgestaltung, gegebenenfalls einschließlich Statistiken,
- veterinärmedizinische Praxis der Versuchstierkunde oder gegebenenfalls veterinärmedizinische Praxis in Bezug auf wildlebende Tiere sowie
- Tierhaltung und -pflege bezüglich der Arten, die verwendet werden sollen.
Der Unterschied:
- In Deutschland werden Kommissionen eingerichtet, die jeden Antrag erhalten und darüber abstimmen – in Österreich schickt ein einzelner Beamter nach Gutdünken Fragen zu dem Antrag, den nur er bekommt, an Fachleute seiner Wahl
- In Deutschland müssen 2 von 6 Mitgliedern dieser Kommissionen aus dem Tierschutzbereich kommen – in Österreich sieht niemand aus dem Tierschutz je diese Anträge
Ja, zugegeben, in Österreich werden diese Anträge (zumindest ab 31. 12. 2015) weltweit einzigartig mit Kriterienkatalog geprüft. Doch wenn der Antragsteller diesen Katalog selbst ausfüllt und nur ein einfacher Beamter diesen liest, der dann nach Gutdünken dazu Fachleute befragen könnte, ist Missbrauch vorprogrammiert. Natürlich wird der Antragsteller versuchen, seinen Antrag zu beschönigen und den Kriterienkatalog entsprechend einseitig auszufüllen. Würde nun dieser ausgefüllte Katalog immer einer Kommission aus Fachleuten vorgelegt, die prüfen könnte, ob alles richtig ausgefüllt ist, insbesondere wenn auch TierschützerInnen bei dieser Prüfung dabei sind, hätte das eine ganz andere Qualität. Leider wurde ja auch vom Wissenschaftsministerium erfolgreich verhindert, dass Tierschutzombudspersonen diese Genehmigungsanträge und die entsprechenden Bescheide zu Gesicht bekommen.
Wird es noch möglich sein, auch in Österreich solche Kommissionen in das Tierversuchsgesetz hinein zu reklamieren? Ich werde die Opposition darauf drängen, morgen schon bin ich deshalb wieder im Parlament.
Nein, natürlich *muss* man in Österreich trotzdem um diese Verbesserungen kämpfen – auch wenn es damit allein, wie das Beispiel Deutschland zeigt, nicht getan ist. Vielleicht bringt’s ja die Kombination: eine bessere rechtliche Situation, wie wir sie in Deutschland haben (die aber allein anscheinend auch wenig bewirkt) *und* eine Gruppe von Menschen, die engagiert ist, die Öffentlichkeit wachhält und die Politiker, die Wirtschaft und die VIvisektoren in Unruhe versetzt … so gesehen Glück auf, VGT!
Nein, kein Paradies Julia, aber es geht immer noch schlechter. Dabei haben wir in Österreich für das kommende Gesetz einiges erreicht: einen Kriterienkatalog für die ethische Schaden-Nutzen Abwägung und immerhin eine Oberkontrolle von Tierschutz-Ombudsschaften was die behördlichen Kontrollen betrifft. Ja, und Tierschutz in der Verfassung haben wir hoffentlich auch bald, 50:50 ob noch vor Weihnachten.
Wären wir völlig ab falschen Dampfer, würde die Tierversuchslobby hierzulande nicht völlig verrückt spielen. Was die aufgeführt haben, wie die sich gebährden, da haben die offenbar schon etwas zu verlieren.
Gut, was ich mir wünsche: Eine Kombination von beidem, den Kriterienkatalog, den wir schon haben, zusammen mit einer Kommissionen mit Mitgliedern aus dem Tierschutz, die dessen Anwendung überwacht. Dazu eine Oberkontrolle durch die Ombudsschaften und Transparenz durch Veröffentlichung sinnvoller Infos über Tierversuche, die in Österreich stattfinden. Das Gesamtpaket würde der Tierversuchsseite sehr weh tun, das haben sie mehr als klar gemacht. Also liegen wir damit richtig.
Das klingt ja, als sei Deutschland ein Paradies für Versuchstiere, in dem die bestenfalls zu Tode gekuschelt werden. Leider ist das Gegenteil der Fall. Das Max-Delbrück-Forschungszentrum in Berlin, an dem unerlaubte Versuche stattfinden und Tiere mal eben verhungern, weil man sie zu füttern vergißt, wird gerade erweitert.
Die Tierversuche der Jacobs-Universität in Bremen werden gerade von Peta beschrieben.
Auch an der FAU in Erlangen – ja, genau, in Bayern – gibt es Tierversuche, deren Grausamkeit und Sinnlosigkeit einen einfach nur fassungslos macht.
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen – nachzulesen bei Ärzte gegen Tierversuche.
All das könnte nicht passieren, wenn die von Dir für Deutschland beschriebenen Mechanismen in irgendeiner Weise greifen würden. Nichts davon: die Karrieregeilheit derer, die die Tierversuche betreiben, und die Profitgier derer, die sie finanzieren, setzt sich über all das locker hinweg.
Da hilft auch nicht, dass Tierschutz im Grundgesetz verankert ist. Ohne entsprechendes Engagement sind all die Kommissionsmitglieder zahnlose Tiger. Oder bestenfalls Bettvorleger der Vivisektoren.
Nicht dass ich die bisher gemachten Schritte für sinnlos hielte. Es hilft wohl nur, am Thema zu bleiben, es im kollektiven Gedächtnis der Öffentlichkeit zu verankern, damit niemand mehr glauben und sagen kann, dass Tierversuche sinnvoll und nötig seien. Das hat immerhin zum Vebort von Tierversuchen in der Kosmetik geführt. Das Verbot von Tierversuchen in der Medizin ist nur der logische nächste Schritt. Andiam’ …