Als ich Astronomie zu studieren begann, war mir in meiner Schulbildung absolut nichts Relevantes aus der Naturwissenschaft vermittelt worden. Ich hielt Mathematik für langweilig bis überflüssig, Physik war für mich ein rotes Tuch. Doch was sich im Universum abspielt, hat mich schon interessiert. Bald in meinem Studium realisierte ich, dass für Astronomie eine fundamentale Kenntnis von Physik und für Physik eine fundamentale Kenntnis von Mathematik unausweichlich ist. So widmete ich mich wohl oder übel den Anfängervorlesungen in Mathematik – und eine Tür zu unfassbaren Erkenntnissen über diese Welt tat sich für mich auf. In kürzester Zeit wurde mir klar, dass nur über Mathematik und mathematische Physik ein Blick auf ewige Wahrheiten möglich ist.
Bei aller Begeisterung für die unberührte Naturwildnis oder andere Dinge des Lebens, nichts davon kann auch nur annähernd den Gefühlen das Wasser reichen, die ich bei meinen tiefgreifendsten mathematischen Erkenntnissen hatte, ganz für mich allein an der mathematischen Arbeit am Verständnis von verschiedenen Beweisen.
Da ist zum Beispiel die Erkenntnis, dass die Erhaltung von Energie direkt auf die Homogenität der Zeit zurückzuführen ist. Die Beziehung von Erhaltungssätzen und Raumzeitsymmetrien ist überraschend und gleichzeitig mit relativ einfachen mathematischen Mitteln von Grund auf zu verstehen, ohne auch nur ein einziges Resultat empirischer Messungen irgendjemandem glauben zu müssen. Und der Übergang von der klassischen zur relativistischen Mechanik ist im Rahmen dieser Raumzeitsymmetrien absolut unfassbar faszinierend: durch die Erkenntnis, dass nicht Raum und Zeit getrennt existieren sondern eine gemeinsame Raumzeit bilden, werden die relativistischen Erhaltungssätze zu Homogenität und Isotropie dieser Raumzeit!
Oder Elektromagnetismus: das Magnetfeld der Erde, das die Kompassnadel zeigt, und die elektrische Kraft in der Batterie, die meine Stirnlampe erleuchtet, scheinen ganz andere Entitäten zu sein. Doch mit der relativistischen Mechanik wird sofort und unumstößlich klar, dass sich der Magnetismus direkt aus der elektrischen Kraft ergibt und keine eigenständige und unabhängige Kraft ist. Und wie schlug mir das Herz bis zum Hals, als ich die Vereinheitlichung der 3 Kräfte dieses Universums zu einer einzigen fundamentalen Kraft nachvollzog und begriff! Da war keine Frage mehr, ob sich das irgendwann durch Experimente bestätigen lassen wird, da war völlig klar, so und nur so konnte es sein. Ein Blick hinter den Vorhang der Welt auf ihre objektive Realität.
Absolut faszinierend fand ich auch, wie sich die scheinbar zufällige Gleichheit von träger und schwerer Masse im Rahmen der allgemeinen Relativität und der Krümmung der Raumzeit wie von selbst erklärte. Natürlich! Es gibt gar keine Gravitationskraft, die scheinbar gekrümmte Bahn unserer Anschauungswelt ist in Wirklichkeit die Verallgemeinerung der Geraden in einer vierdimensional gekrümmten Raumzeit! Die Gravitation ist eine Scheinkraft wie die Corioliskraft, die nur durch unsere eingeschränkte Wahrnehmung bedingt ist.
Ich könnte diese Liste noch lange fortsetzen. So arbeitete ich z.B. auch an den mathematischen Theoremen der kosmischen Zensur mit ihren unfassbar klaren Aussagen über das Universum. Wie faszinierend die Einsicht, dass es Singularitäten in der Raumzeit gibt, und wie sich diese nach außen abschotten, aber wie es auch unter bestimmten Bedingungen möglich wäre, auf nackte Singularitäten zu stoßen. Damit in Zusammenhang begeisterten mich die Berechnungen beliebig dimensionaler Räume. Trotz einer nur dreidimensionalen Anschauungswelt können wir mit der Mathematik ohne jeden Zweifel beweisen, in welcher Dimension (z.B. in 5 Raumdimensionen) sich ein gewisser Knopf eines Seils nur durch Anziehen an den Enden lösen lässt. Und solche Erkenntnisse haben nichts mit Menschen oder menschlicher Kultur zu tun. Auch Außerirdische am Sirius, die Lebensformen auf Schwefelbasis z.B. bilden, würden zum selben Ergebnis kommen. Die Mathematik und die Naturwissenschaft endlich lieferten mir nachvollziehbare Gewissheiten, die völlig unabhängig von Dogmen irgendwelcher Autoritäten sind und universale Gültigkeit besitzen!
Bisher gab es in der Geschichte der Naturwissenschaft noch nie den Moment, an dem ein anerkannt bewiesenes Theorem von Mathematik oder mathematischer Physik durch spätere Entwicklungen sich als falsch herausstellte. Es gibt auch von den USA über Europa bis Indien, China und Afrika nur eine einzige Mathematik und eine einzige mathematische Physik. Das sind keine Erfindungen des Menschen. Das sind Entdeckungen über die objektive Realität dieser Welt, Schlaglichter auf die Wahrheit, die sonst nichts auch nur ansatzweise bieten kann.
Hallo,
ich finde es schön, dass du auch mal über dieses Thema schreibst! Ich studiere gerade Physik an der TU Wien und möchte mich Richtung theoretische Physik spezialisieren, deshalb kann ich deine Gedanken und dein Staunen nur allzu gut nachvollziehen.
Zitat: “ohne auch nur ein einziges Resultat empirischer Messungen irgendjemandem glauben zu müssen”
Das wirkt ein bisschen so, als wären Experimente unwichtig, oder als wären sie etwas, was man anderen Menschen ohne zu hinterfragen glauben müsste (obwohl ich mal vermute, dass du das gar nicht so sagen wolltest). Dabei ist ja ein anderer faszinierender Aspekt der Naturwissenschaften, dass jedes experimentelle Ergebnis reproduzierbar und jede Theorie auch überprüfbar sein muss, um anerkannt zu werden. Und unsere mathematischen Formalismen, um die Wirklichkeit zu beschreiben, sind letztendlich auch aus einem Wechselspiel aus Beobachtungen/Experimenten und mathematischen Vorhersagen entstanden. Genau dieses Zusammenwirken von Theorie und Experiment finde ich auch einen sehr faszinierenden Aspekt der Physik (Beispiele: Entwicklung der Quantentheorie, des Quarkmodells, usw.).
Die Meinung, dass Außerirdirsche zwangsläufig zum gleichen Ergebnis kommen würden, teile ich nicht ganz uneingeschränkt. Vielleicht würden sie andere Formalismen entwickeln, mit anderen Axiomen usw., die sich nicht direkt mit unserer Mathematik und unseren physikalischen Modellen vergleichen lassen. Aber in den Bereichen, wo sie vergleichbar sind, wo es Überlappungsbereiche gibt, denke ich, würden sie zum gleichen Ergebnis kommen, ja.
@Alfred:
Ich bin überzeugt, dass Mathematik und mathematische Physik unsere Anschauungswelt bei weitem hinter sich lassen. Z.B. können wir uns Unendlichkeit nicht vorstellen, aber es ist leicht möglich, mathematisch mit Unendlichkeiten zu rechnen. So kann man z.B. beweisen, dass die Anzahl der natürlichen Zahlen (1,2,3,…), obwohl bereits unendlich, viel geringer als die Anzahl aller reellen Zahlen ist, das Verhältnis ist Anzahl der reellen Zahlen = 2 hoch der Anzahl der natürlichen Zahlen.
Oder die von Dir genannte Kausalität, von der Kant noch gedacht hat, sie sei überall in der Welt zu finden, weil sie unser Erkenntnisparat apriori über jedes Denken überstülpt. Und dann finden wir in der Quantenmechanik, dass es im Kleinen keine Kausalität mehr gibt. Ja, wir fanden sogar, dass im Kleinen die Zweiwertigkeit der aristotelischen Logik nicht mehr gilt, die uns so offensichtlich erschien. Und wer, bitte schön, kann sich mehr als 3 dimensionale Räume vorstellen? In der mathematischen Physik wird mit unendlich-dimensionalen Räumen gerechnet und man hat alles im Griff, es gibt keine Willkür, sondern mathematische Beweise, die unumstösslich sind und weltweit anerkannt werden.
Mathematik und Physik gehen weit über die menschliche Anschauung hinaus!
@julia:
Wenn meine Begeisterung für mathematisch-physikalische Erkenntnisse religiös ist, dann ist Deine Beleidung der Naturwissenschaft eine Herabwürdigung religiöser Lehren und damit strafbar! 🙂
Ja, ich kann selbst, mit meiner eigenen Hand am Papier und meinem eigenen Hirn im Kopf, den Beweis nachvollziehen, dass die Zeit in einer Singularität enden kann. Was würde passieren, wenn ich über den Zeithorizont in eine solche Singularität reise? Ich verlasse Raum und Zeit! Ich bin dann nirgendwo und zeitlos! Und das ohne religiösen Guru, sondern hier am Papier beweisbar, jeder Schritt leicht nachvollziehbar und überzeugend!
Ja, das beruhigt mich. Die Welt ist nicht so simpel mechanisch-materialistisch, wie sie auf den ersten Blick wirkt. Aber sie ist deshalb nicht unfassbar und ich kann gleich an Gespenster glauben. Die Mathematik erscheint mir viel realer, als die Materie um mich herum. Das naturwissenschaftlich mathematische Weltbild lässt mich aus Zeit und Raum hinaussegeln! So werde ich zum idealistischen Platoniker. Und fühl mich dabei wohl und geborgen!
@Kurt:
Ich seh das ganz anders. Mir scheint nicht, dass irgendetwas an der Mathematik menschlich ist, man braucht dafür keine menschliche Anschauung. Die Mathematik erscheint mir als Erkennen von etwas, das auch ganz ohne Menschen da ist.
Ein Beispiel: Der Österreicher Wolfgang Pauli fand, dass die neu entdeckte Bewegungsgleichung für die kleinsten Dinge dieser Welt, die Elementarteilchen, quasi wie eine quadratische Gleichung 2 Lösungen hat, eine positive und eine negative. Bis zu ihm hat man nur die positive Teilchenlösung ernst genommen und gesagt, die negative Lösung gäbe es eben in der wirklichen Welt nicht. Doch er meinte, die Mathematik ist real, sie bestimmt, was es wirklich gibt, nehmen wir also die negative Lösung ernst. Er nannte sie “Anti-Teilchen”. Teilchen bilden Materie, Anti-Teilchen Anti-Materie. Und wenn sie aufeinander stossen, dann annihilieren sie sich in einem gewaltigen Lichtblitz. Soweit die Mathematik. In der Rocky-Horror-Picture-Show werden die Hauptprotagonisten mit einem Gewehr, das Anti-Materie verschießt, getötet. Ist Anti-Materie also nur ein Scherz für Musicals? Nein, weit gefehlt. Was die Mathematik klar vorhersagte, wurde einige Jahre später auch tatsächlich gefunden. Mittlerweile weiss man, es gibt Anti-Teilchen zu jedem Teilchen, und man kann damit Anti-Atome konstruieren. Letzteres durfte ich sogar persönlich bei meinem Arbeitsaufenthalt im Forschungszentrum CERN in Genf in der Schweiz. Dort stellten wir Anti-Wasserstoff her.
Offensichtlich lässt uns die Mathematik Dinge verstehen und erkennen, von denen wir vorher keine Ahnung hatten. Also haben wir sie auch nicht vorher quasi hineinstecken können. Die Mathematik, behaupte ich, ist unabhängig von der menschlichen Anschauung, von den subjektiven Wahrnehmungen.
@susanne v.:
Das schöne an der Mathematik ist, dass sie nicht zu kompliziert ist. Ein jeder Mensch kann das nachvollziehen, wenn er sich nur genug Zeit lässt, vielleicht es gut genug erklärt bekommt, und sich darin vertieft. In der Mathematik glaubt nicht jeder Mensch, was er will. Da gibt es Theoreme, die von allen als wahr erkannt wurden, welche, die von allen als falsch erkannt wurden, welche, von denen noch niemand weiss, ob sie wahr oder falsch sind, und welche, von denen man beweisen kann, dass sie nicht beweisbar sind, und trotzdem wahr. Wie auch immer, man ist sich einig. Es gibt kein einziges mathematisches Theorem, von dem man streitet, ob es stimmt oder nicht. Wenn ein Beweis vorliegt, dann ist der entweder richtig oder falsch, da gibts keine Willkür und keine Subjektivität mehr. Mathematische Theoreme gelten daher für andere Wesen als Menschen von anderen Planeten als der Erde genauso. Und das macht sie für mich so interessant und relevant!
Irgendwie habe ich das Gefühl du denkst viel zu kompliziert. Du willst die Welt verstehen, das Leben, das Weltall, ich habe das Gefühl du suchst nach Sicherheit, nach etwas an das du dich geistig klammern kannst. Dabei verstrickst du dich immer mehr in seltsame Philosophien. Die Mathematik erscheint dir als ein Trost, als Sicherheit, weil alle Menschen in dieser Beziehung gleich “erkennen”. Mathematik ist angeboren. Auch Tiere können rechnen, wenn auch nur mit kleinen Zahlen. Elefanten, Hunde, Bienen, können zählen.
Dass in allen anderen Bereichen jeder etwas anderes glaubt liegt daran, dass wir nicht fähig sind es zu verstehen. Es ist für uns zu kompliziert. Wären wir Menschen intelligenter, würden wir es deshalb verstehen, wäre dieses Wissen auch für alle gleich. Denn dann wäre es Wissen, jetzt ist es mehr raten.
“Aber die Wahrheiten über Raum, Zeit und Singularitäten werden fortdauern – auch wenn es keine Erde mehr gibt.”
Da bin ich mir nicht so sicher. “Wahr” und “unwahr” sind doch subjektive Kategorien, und wenn es keine Erde bzw. keine wahrnehmenden Subjekte mehr gibt, kann es auch keine “Wahrheiten” mehr geben.
Insofern wäre es vielleicht besser einfach zu sagen: “Raum, Zeit und Singularitäten werden fortdauern – auch wenn es keine Erde mehr gibt.” Aber selbst hier habe ich meine Zweifel.
Unsere Theorien von Raum und Zeit sowie der Beziehungen zwischen diesen beiden Größen beruhen doch letztlich auf unseren subjektiven, sinnlichen Wahrnehmungen. Und da wir nur einen sehr begrenzten Ausschnitt oder Teil von dem was wir als Raum und Zeit bezeichnen wahrnehmen können, lassen sich für mich auch keine Aussagen der Art “Raum, Zeit und Singularitäten werden fortdauern – auch wenn es keine Erde mehr gibt” machen.
Die alt-indische(?) Geschichte von den blinden Männern und dem Elefanten illustriert das für mich sehr schön:
http://en.wikipedia.org/wiki/Blind_men_and_an_elephant
Ich kann mir deine Begeisterung vorstellen… und beglückwünsche dich für deine Einsichten.
Diese Grandiosität zu verstehen und das begleitende Gefühl zu beschreiben, was käme als Bezeichung näher hin als `göttlich´? …
Wow, wie schön. Du klingst ja geradezu pastoral! Das gefällt mir. Die Betrachtung des Kosmos, der Unendlichkeit der Schöpfung ist in in der Tat eine Erfahrung, die vieles relativiert: wie klein und unbedeutend der Mensch darin ist, wie kurz die Spanne seines Lebens … findest Du schon in den atl. Psalmen. (Dabei ist für manche der Regenbogen schöner, wenn sie die physikalische Erklärung des Phänomens nicht im Hinterkopf haben, für andere gehört diese Wissen zur Betrachtung dazu.) Man kann sich mit dieser Erkenntnis je nach Gemütslage und Weltanschauung verloren fühlen, oder auch – wie Du – getröstet und aufgehoben. Schleiermacher übrigens definierte genau das als „Religion“: den „Sinn und Geschmack fürs Unendliche“.
Sie relativiert unser Tun und Treiben, macht es aber gerade nicht sinnlos. Denn warum würdest Du sonst Dich für Demokratie und Tierrechte einsetzen, wenn es Dich nicht interessierte, was in den Niederungen der Städte und Ställe passiert? Für gesellschaftliche Veränderung, aber auch für ein einzelnes Tier, wenn das alles für Dich da oben nicht zählte? Erzähl mir nichts …
Ich versteh zwar kein Wort, beneide Sie aber um Ihre Eindrücke und Erkenntnisse 🙂
Das hat mir gerade die Tränen in die Augen getrieben, danke fürs Teilhaben lassen!
Wissenschaften bieten wohl in der Tat tiefere Einsichten in die Abläufe der Realität als jede andere mir bekannte Methode. (Philosophie trudelt ohne formale Logik letztlich auch nur dahin.) Wir sind allerdings trotzem durch unser Denkvermögen beschränkt.
Können wir jemals das kausale Denken überewinden, das ja per Definition weder Anfang, noch Ende erlaubt? Ist unser Denkvermögen nicht bloß evolutionär auf unsere Erlebniswelt zwischen – im Vergleich zum Kosmos winzige – Wechselwirkungen angepasst? Ist es plausibel, dass wir überhaupt die Fähigkeit zum Verstehen unseres Daseins haben?
Wissenschaftliche Einsichten sind auch aus meiner Sicht spannender als die verzwicktesten Krimis. Dennoch habe ich den Verdacht, dass nicht die Mathematik unsere Begrenzung ist, sondern unsere Art zu denken. Was, falls unser Kausaldenken tatsächlich keine Option bietet die Realität zu erfassen? Sind wir dann nicht trotz Mathematik auf unsere subjektiven Verständnismöglichkeiten zurück geworfen? Können wir Mathematik nutzen, wenn die Ergebnisse sprengen, was wir mit unser anscheinend sehr spezifisch ausgerichteten Vernunft begreifen können?
Es mag für Dich seltsam klingen, Julia, aber von allen Dingen, die ich in dieser Welt erfahren habe, macht mir meine Erkenntnis über die Krümmung von Raum und Zeit und die bei unendlicher Krümmung auftretenden Singularitäten das Sterben mit Abstand am leichtesten. Nichts finde ich beruhigender. Nichts lässt mich mehr eins fühlen mit dem Kosmos.
Mir scheint, die relevantesten Fragen dieser Welt sind jene der mathematischen Physik. Für das Schicksal einzelner Wesen mögen sie ohne Bedeutung sein, aber im Großen sind diese Einzelwesen ohne Bedeutung. Was ist schon der Mensch mehr als ein kurzer Moment der Evolution auf einem winzigen Planeten in einem Sternenmeer namens Milchstraße von 100 Milliarden Sonnen in einem unfassbar großen Kosmos? Und diese Erkenntnis unserer Unwichtigkeit haben wir von der mathematischen Physik. Was sind dagegen die Flüchtigkeiten des Augenblicks, was Liebe, Hass, Eifersucht zwischen Sandkörnern, die gerade eine kosmische Millisekunde lang andauern? Wenn in 4 Milliarden Jahren die Sonne die Erde verschluckt, dann werden alle diese Nichtigkeiten für immer vergessen sein. Aber die Wahrheiten über Raum, Zeit und Singularitäten werden fortdauern – auch wenn es keine Erde mehr gibt.
Es sind diese Gedanken und Gefühle, die mir einen Sinn im Leben geben! Und wenn ich im Dunkelwerden auf einem Berggipfel sitze und ins Tal schaue, in dem kleine Menschlein wie sinnlos hin und her rennen, dann fühle ich mich in diesen Gedanken geborgen.
Beeindruckend, was Du alles weißt (und dies zumindest meine ich ernst. Aber “ewige Wahrheiten”? oh ja, aber was hast Du davon zu wissen, dass zwei und zwei vier ist und immer sein wird? verstehst Du dadurch, “was die Welt im Innersten zusammenhält”? Hilft Dir die Corioliskraft zu verstehen, warum Dir (nun gut, Dir vielleicht nicht) eine verlorene Liebe den Boden unter den Füßen wegzieht, und zeigt sie Dir, wie Du aufrecht stehen bleiben kannst?
Was immer die Naturwissenschaften heute als richtig erkannt haben, ist morgen falsch (s. die Schimpansenforschung, oder überhaupt die Biologie!); auch und gerade in der Physik!
Was für das menschliche und nichtmenschliche Leben von Bedeutung ist, davon vermittelt die Mathematik und die Physik nicht das geringste. Das Leben ist eben keine Gleichung, 42 hilft als Lösung nicht weiter, und keine Formel gibt Antworten auf Fragen nach unverrückbaren Werten. Für alles, was wesentlicher ist als das Bedürfnis nach einem wirksamen Betäubungsmittel beim Zahnarzt oder die wasserabweisende Oberfläche meiner Winterjacke sind die Naturwissenschaften doch völlig bedeutungslos. Sie sind ein eitles, selbstgenügsames allenfalls vergnügliches intellektuelles Spiel, Sudoku für Akademiker. Auf die wirklichen Fragen geben sie keine Antwort.