Eine 28 Jahre alte junge Frau beschließt einen Film über Veganismus zu machen. Sie hat kein Budget, keine Erfahrung mit Kameraführung, keine Ausbildung in Filmregie. Die Verbreitung der veganen Lebensweise ist ihr aber ein Anliegen, vor allem aus Mitgefühl mit Tieren. Jahrelang reist sie durch die Welt, von den USA bis nach Indien, auf eigene Kosten. 6 Monate lang bekniet sie Jane Goodall für ein Interview. 8 Jahre später ist der Film tatsächlich fertig. Kürzlich hatte er seine Premiere in Österreich. Ich war dabei. Nina Messinger heißt diese bemerkenswerte Frau.
Die Kameraführung ist beeindruckend, die Kombination von Interview und bewegten Bildern abwechslungsreich und kurzweilig. Im ersten Filmteil geht es um die gesundheitlichen Gefahren durch den massiven Fleischkonsum. Einige Menschen werden gezeigt, die behaupten, durch den Wechsel zur pflanzlichen Ernährung von Krebs geheilt worden zu sein. Ich bin nicht überzeugt, fürchte, dass FleischesserInnen einen erhobenen Zeigefinger sehen, sich belehrt fühlen.
Im zweiten Teil geht es um die ökologischen Auswirkungen des Fleischkonsums. Die Bilder werden bombastischer, beeindruckender, die Fakten sind sicher richtig. Dennoch, auch hier ist mir der Film etwas zu propagandistisch aufgebaut. Ich schaue mich im Kinosaal um. Gibt es FleischesserInnen, die sich das ansehen? Wie reagieren sie? Wie lange kann man ihnen erklären, dass sie ein Verbrechen an der Umwelt begehen, bis sie das Kino verlassen?
Doch dann wird alles anders. Der dritte und mit Abstand längste Teil des Films handelt von Tieren. Er zeigt ausgebeutete Nutztiere in der Tierindustrie, unfassbare Bilder, nicht von brutaler Gewalt, sondern genau von jener kalten Indifferenz, die Tierfabriken auszeichnet. Die Kamera fokussiert auf das Konkrete, zwingt dazu, den betroffenen Tieren in die Augen zu schauen. Die Regisseurin hat Zeit, sie lässt das Leid wirken. Dazu sprechen Schlachter, erzählen von ihren Erfahrungen. Sie sind emotional, mitgenommen, man glaubt ihnen jedes Wort. Sie konnten nicht mehr weiter machen, mussten aussteigen. Und man versteht warum. „Ich war der Auftragskiller für die Fleischesser“, sagt einer.
Ist der Film wie „Earthlings?“, fragt mich eine Tierschützerin auf der Veggiemesse in Innsbruck, wo der Film demnächst erstmals gezeigt wird, hoffnungsvoll. Zum Glück nicht, antworte ich. Keine sadistische Brutalität, keine rohe Gewalt, sondern der grausame Alltag in der Massenproduktion. Messinger unterfüttert diese Szenen aus Tierfabriken mit spannenden Interviews und mit Berichten von Lebenshöfen, mit Bildern von sogenannten Nutztieren, die keinen „Nutzen“ mehr haben, die als FreundInnen von anderen Tieren und Menschen ein glückliches Leben führen. Ein Schwein unter Menschen und Hunden – nicht in der fensterlosen Vollspaltenbucht.
Diese Aufarbeitung des Ausbeutungsverhältnisses von Mensch und Tier sucht ihresgleichen. Ich halte das für den besten Beitrag zu diesem Thema, den ich bisher gesehen habe. Dabei habe ich mich schon selbst in diesem Genre versucht, habe Filme über die Pelz- und die Schweineindustrie gedreht, oder auch über Tierzirkusse. Sicher, ich konnte mir dafür kaum Zeit nehmen und handelte unter Zugzwang, um Material für meine Schulvorträge zu haben. Aber auch im Vergleich mit unseren „professionelleren“ Filmen ist Messingers „Hope for all“ völlig unerreicht. Ich würde keinen Schulbesuch zu Tierschutz mehr machen wollen, ohne diesen Teil ihres Films zu zeigen.
Den Film muss man gesehen haben! Wer bisher nicht versteht, wie man sich für Tierschutz einsetzen, warum man dem sein Leben widmen, warum man vegan werden will, der/die hat nachher die Antwort. Solange es noch ein einziges aktives Spiegelneuron im Gehirn der ZuschauerInnen gibt, haben wir sie nach diesem Film für unsere Sache gewonnen. Und ich glaube nicht, dass in diesem Filmteil irgendjemand das Kino verlassen will. Man starrt gebannt auf die Geschichte, die sich da auf der Leinwand entwickelt. Auch ich musste dabei Tränen vergießen.
Danke, Nina, für Dein Durchhaltevermögen und für dieses hervorragende Mittel, das Du uns damit in die Hand gibst, die Herzen der Menschen für das Schicksal der Tiere zu erweichen!
Hallo, ich war auch in St. Pölten und hab mir mit meinen Kindern 17 und 19 den Film angeschaut. Wir essen alle Fleisch und es beschäftigt uns. Wir sind nicht aufgestanden, sondern haben anderen erzählt, wieviel Info in dem Film steckt und ich ihn jedem Menschen ab 12 Jahren zumuten würde. Ich für meinen Teil betreibe eine Reitschule und behandle die eigenen Tiere mit großem Respekt. In vielen gemütlichen Gesprächen mit Kindern und Eltern versuche ich die Leute, in meinem Rahmen, zu informieren. Allerdings niemals mit erhobenem Zeigefinger, denn auch wir sind auf dem Weg und jeder hat sein eigenes Tempo sich zu entwickeln.