Die österreichische Berg- und KleinbäuerInnen Vereinigung ÖBV-Via Campesina hat mich für die neue Ausgabe Nr. 326 Ihrer Zeitung „Wege für eine bäuerliche Zukunft“ interviewt. Diese dem Thema „Tierschutz“ gewidmete Ausgabe ist jetzt erschienen. Neben 3 Seiten über mich handeln die Artikel über eine Themenpalette von Veganismus, allerdings unter der Prämisse, die Umweltbelastung zu reduzieren, bis zur expliziten Tierschutzfeindlichkeit, bei der Tierschutz nur als Auflage gesehen wird, die das Tiereswohl über das Bauernwohl stelle. In einem Artikel wird sogar gesagt, ich ernähre meinen Hund vegan und das sei erlaubt, aber wenn wiederkäuende Kühe ein unnatürliches Kraftfutter bekommen, um mit ihrer Milchleistung mithalten zu können, weil selbst 24 Stunden am Tag Gras zu essen würde nicht genug Energie liefern, dann sei das Tierquälerei. Hunde an der Leine zu führen sei erlaubte Anbindehaltung, für Kühe sei aber die Anbindehaltung verboten. Nach Ansicht dieses Autors würden also Nutztiere viel besser geschützt als Haustiere, weil man in der Gesellschaft offenbar so bauernfeindlich wäre.
Es schwingt viel Wut und Zynismus in manchen dieser Artikel mit. In Wirklichkeit ist die Anbindehaltung von Hunden strengstens verboten, während sie für Kühe derartig viele Ausnahmen kennt, dass sie in der Praxis noch alltäglich ist. Es reicht, wenn ein Bauer angibt, sich vor seiner Kuh zu fürchten, und schon darf er sie lebenslang angehängt lassen. Und z.B. die Kastrationspflicht für freilaufende Katzen gilt nicht bei „bäuerlicher Haltung“. Aber mein Interviewpartner schreibt: Bei den Gesprächen und den Recherchen fällt mir auf, dass der Verein, der sich intensiv in landwirtschaftliche Themen einschaltet, sehr einseitige Sichtweisen vertritt, Fachwissen fehlt, dafür aber werden viele Philosophen zitiert! Spürt auch die Kleinbauernschaft den Veggieboom oder wird der gelebte Veganismus so stark als direkter moralischer Vorwurf gegen ihre Tiernutzung empfunden, auch wenn weder in Massentierhaltung noch in intensiver Form, dass man zu so harten Bandagen greift?
Der ÖBV richtet sich im Kern gegen die große, kapitalistische Agrarindustrie, gegen die Massenproduktion von Nahrungsmitteln jeder Art, gegen eine Subventionspolitik, die diese fördert, und gegen eine Auffassung von Nahrung und von Lebensart, die sich im blinden Billigkonsum im Supermarkt widerspiegelt. Deshalb scheint auch die schwerwiegendste, der ernst gemeinten Kritik abseits von Zynismus über unsere Tierschutzaktivität darin zu liegen, mit Supermärkten z.B. bei Angeboten von veganen Alternativen und bei Eierkontrollen, und mit großen Konzernen, die vegane Restaurants führen, zusammen zu arbeiten. Im Empfinden der ÖBV-AktivistInnen ist das zutiefst konträr zu ihren Idealen.
Und wie würde die ideale Lebensweise laut ÖBV aussehen? Viele Menschen sollten kleinbäuerliche Landwirtschaften betreiben und damit jeweils weitere 10 Menschen ernähren. Die Tierhaltung wäre extensiv, die Schlachtung am Hof, die Tiertransporte würden durch die regionale Versorgung entfallen. Wäre dieses Modell auf eine Millionenstadt wie Wien anwendbar? Nein, gibt mein Interviewpartner zu. Man lebe eben selbst nach diesem Ideal, ohne realistische gesamtgesellschaftliche Perspektive. Hauptsache, es gibt keine Bioprodukte im Supermarkt, weil das bereits ein Bioschmäh wäre und nur im Rahmen von Agrarindustrie möglich ist. Also für mein Gefühl ist das zu kurz gedacht: lieber Biofleisch mit relevantem Anteil am Gesamtfleischangebot im Supermarkt, als Konventionelles vom Fleischer ums Eck und ein paar Tröpfchen Tierprodukte aus besserer, kleinbäuerlicher Haltung auf dem heißen Stein. Mein Ziel ist ein gesellschaftsweiter Wandel, mein privater Veganismus reicht mir nicht.
Doch abseits der Polemik gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen den Anliegen des ÖBV und des Tierschutzes. Beide wollen wir eine Umwidmung der Subventionen weg von der Agrarindustrie. Beide sind wir vehement gegen die Massen- und Intensivtierhaltung. Auch wenn die Ziele differieren, so stehen wir so weit von diesen entfernt, dass der Weg zunächst in die gleiche Richtung weist.
Ins selbe Horn stößt das Editorial von Irmi Salzer: Über diesen Auseinandersetzungen wird oft übersehen, dass Bäuer_innen und Tierschützer_innen ein gemeinsamer Feind einen könnte. […] Zum Beispiel beherrschen wenige Konzerne weltweit die Hühnermast […]. Auch die Schweinefleischindustrie wird zunehmend so organisiert. Fette Profite lassen sich aus der kapitalistisch organisierten Fleischproduktion erzielen – obwohl, oder besser, weil die Produzent_innen kaum etwas davon sehen. Der kürzlich von der deutschen Heinrich-Böll Stiftung herausgegebene „Fleischatlas“ bietet Material für zahlreiche Kampagnen – wär doch schön, wenn Kleinbäuer_innen und Tierschutzorganisationen manche von ihnen gemeinsam führen können.
Irmi Salzer war, wie ich, bei der kürzlich ausgestrahlten ORF-Konkret Sendung über den Pferdefleischskandal im Studio und äußerte sich vor laufenden Kameras sehr kritisch gegenüber Landwirtschaftsminister Berlakovich.