Es gibt zwar einige, aber wenige laute Theolog_innen, die sich für Tierrechte engagieren. Julia Wannenmacher war eine von ihnen. Mit aller Schärfe. Dabei war es ihr ein großes Anliegen zu betonen, dass es innerhalb des Christentums immer Menschen gegeben hat, die sich für Tiere eingesetzt haben. Nicht zuletzt Franz von Assisi. Es sei falsch, das Christentum mit Tierfeindlichkeit gleich zu setzen, meinte sie. Ebenso, wie es falsch ist, den Heiligen Hubertus als Schutzheiligen für die Jagd zu missbrauchen. Das jedenfalls erläuterte sie uns, als wir sie im Herbst 2012 zu einem der Hauptvorträge für unseren Tierrechtskongress nach Wien geladen hatten.
Kennengelernt habe ich Julia schon früher. Sie hatte nicht mit Kritik an meinen Blogeinträgen gespart, war dabei aber immer dem Tierrechtsgedanken treu geblieben. Und sie unterstützte mich, wo sie konnte. Über viele Jahre hinweg organisierte sie für mich Lesungen meiner Bücher in Deutschland und ließ mich dabei voller Gastfreundschaft in ihrer großen Wohnung übernachten. War ich aus irgendwelchen Gründen in Berlin, konnte ich immer darauf vertrauen, dass sie mir Unterkunft gewähren würde. Leider war es mir nie möglich, mich dafür zu revanchieren.
Julia Wannenmacher hat Theologie, Latein und Philosophie in Berlin studiert und ihr Doktorat in Kirchengeschichte an der Uni Erlangen-Nürnberg im Jahr 2002 abgeschlossen. Anschließend unterrichtete sie Geschichte des Mittelalters, Kirchengeschichte und Systematische Theologie an den Universitäten von Berlin und Erlangen-Nürnberg. Schon seit jungen Jahren Vegetarierin, war sie bald vegan geworden und begann, den Tierrechtsgedanken in ihre Lehrtätigkeit einzubringen. Insbesondere im Rahmen des Projekts AKUT, Aktion Kirche und Tiere, engagierte sie sich. Dabei erzählte sie mir auch immer wieder von Demos und Aktionen, an denen sie sich beteiligt hatte, nicht zuletzt zusammen mit ihren Kindern. Bei der Human Animal Studies Ringvorlesung in Innsbruck waren wir beide Vortragende.
Nach einem Seminar von ihr zu Tierrechten, gründete sie mit anderen Personen die „Tierrechtstheorie Berlin“, im Rahmen derer sie sich bis zuletzt als Autorin einbrachte. Sie schrieb auch Rezensionen zu meinen Büchern, die nicht immer nur positiv ausfielen. Zu meiner sehr wissenschaftsbasierten Tierrechtsarbeit behielt sie ein gespanntes Verhältnis.
Ohne es mir oder vielen anderen zu sagen, kämpfte sie seit 2016 mit einem Lungenkrebs, obwohl sie nie Raucherin gewesen war. Dennoch organisierte sie noch heuer im Februar für mich Lesungen meines neuen Buches in der Schweiz und in Berlin, und ließ mich wieder bei ihr übernachten. Mir fiel ihre Krankheit nicht auf, auch wenn sie sehr schlank war und plötzlich kurze Haare hatte. Im Nachhinein deute ich ihre wiederholt vorgebrachte Bemerkung, dass sie dies oder das nicht machen werde, weil ihr dafür die Zeit zu schade sei, davon habe sie zu wenig, als Hinweis auf ihre Erkrankung. Offenbar war sie sich bewusst, dass es mit ihr zuende gehen werde.
Am 26. Oktober 2019 starb sie im Spital im Kreis ihrer Familie. Die Nachricht davon überraschte und erschütterte mich total. Wir haben damit nicht nur einen sehr wertvollen Menschen, sondern auch eine langjährige Kämpferin für Tierrechte verloren. Warum muss es immer die Falschen erwischen? Gerade in der Theologie war ihre Stimme so notwendig! Ist das nur mein fortschreitendes Alter, oder sterben in letzter Zeit immer mehr Menschen aus der Tierschutz- und Tierrechtsbewegung? Erschreckend, wie viele Personen, die sich voll und ganz den Tieren verschrieben haben, ich schon kommen und gehen gesehen habe. Ich hoffe, Julias Glaube hat ihr das Sterben erleichtert.
Sie hinterlässt einen 27 jährigen Sohn und zwei Töchter, 13 und 16 Jahre alt. Ihnen gilt mein besonderes Mitgefühl.
Julia Evas Blog-Artikel auf der Webseite Berlin Vegan finden sich gesammelt auf deren Webseite unter dem Kürzel “jew”.
Die meisten ihrer sonstigen Artikel finden sich unter academia.edu.
Sehr schade, sie scheint wirklich eine sehr beeindruckende Frau gewesen zu sein.
Ist ihre Kritik an Martin Balluchs Blogeinträgen/Büchern irgendwo öffentlich zu finden? Das würde mich wirklich interessieren.
Natürlich gibt es sämtliche Kritik von ihr noch hier auf diesem Blog, Kommentare unterschrieben mit “Julia”.
Herzlichen Dank für diesen so ganz persönlichen Nachruf.
Auch wenn Julia Eva es nicht gewollt hätte, dass man sie und ihr Engagement so heraushebt, sie hat es verdient und wir stehen alle in ihrer Schuld.
Liebe Julia,
danke für deinen starken Einsatz in dieser Dimension! Wir gehen alle den selben Weg. Marion
PS: Ja, Martin, wir werden älter, krank und sterben. Nicht nur unsere Leute. Bedanke mich ebenso für deinen Nachruf! Marion Fuchs
Danke für diesen schönen Nachruf.
Mir kommt es auch so vor, dass seit ein paar Jahren immer mehr Wegbereiter und Wegbegleiter sterben… egal wie lange ich noch hier sein werde, ich freue mich auf ein himmlisches Wiedersehen mit euch ❤