Anfang 2005 führte die EU-Kommission eine Umfrage unter allen EU-BürgerInnen über ihr Kaufverhalten in Sachen Tierschutz durch. Im Juni 2005 wurde das Ergebnis als Eurobarometer veröffentlicht: http://ec.europa.eu/food/animal/welfare/euro_barometer25_en.pdf. Damals deklarierten sich 2,9% der ÖsterreicherInnen als vegetarisch, also 230.000 Menschen. Immerhin lag Österreich da schon hinter Großbritannien, Luxemburg und Irland auf Platz 4 in der EU. Erstaunlich für ein Land mit Wurst- und Schnitzeltradition. Laut österreichischem Ernährungsbericht ist dieser Prozentsatz offenbar seit einigen Jahren unverändert gewesen.
Seitdem sind 8 Jahre vergangen. In dieser Zeit wurden Vegetarismus und Veganismus zu Ideen, die ihren Geruch des Abnormalen abgelegt haben. Mittlerweile gibt es ja nicht nur vegetarisch/vegane Produktlinien in allen Supermärkten, sondern auch vegane Supermärkte, vegane Restaurants, vegane Kosmetiksalons, vegane Schuhgeschäfte, vegane Eisgeschäfte, vegane Pizzarien und pflanzliche Alternativen zu allen Speisen und Gebrauchsgegenständen. Zweifellos liegt eine Änderung in der Luft.
Im Oktober 2012 wurde eine Umfrage in Vorarlberg bekannt, die einen Anteil von 8% an VegetarierInnen in der Bevölkerung ergab. Erstaunlich in mehrfacher Hinsicht: einerseits ist Vorarlberg eher ländlich geprägt und Vegetarismus ein eher urbanes Phänomen – in Vorarlberg gibt es kaum vegetarische Restaurants – und andererseits wäre ein Zuwachs von 2,9% auf 8% in nur 8 Jahren atemberaubend.
So ließen wir nun ein wissenschaftliches Institut (IFES) eine repräsentative Umfrage durchführen, bei der auch der Vegetarismus abgefragt wurde. Das Ergebnis: 9% (!) der Menschen in Österreich deklarieren sich als vegetarisch, also zusammen 760.000 Personen! Das ist tatsächlich sensationell, man kann bei solchen Zahlen von einem dramatischen Wandel in der Gesellschaft sprechen!
- 12% der Menschen mit Matura leben vegetarisch oder vegan
- In 15% der österreichischen Haushalte lebt mindestens 1 Person vegetarisch/vegan
- 16% der 18-29 Jährigen und 17% der 30-39 Jährigen ernähren sich vegetarisch/vegan
- Ebenso 17% der Selbständigen und 15% derjenigen mit Einkommen von € 1501-2500 pro Monat
Bei Personen, die älter als 50 Jahre sind, bei PensionistInnen, bei Menschen mit weniger Bildung und bei den Reichen hat der Veggieboom noch nicht Fuß gefasst. Aber das ist nicht erstaunlich, gilt dieser Personenkreis doch eher als konservativ und damit Neuem gegenüber weniger aufgeschlossen. Doch die MeinungsmacherInnen sind das nicht. Die Zukunft dürfte daher der pflanzlichen Ernährung gehören.
Und das muss Auswirkungen auf das Mensch-Tier Verhältnis haben. Solange eine Gesellschaft aus derartig trivialen Gründen, wie um Tier- statt Pflanzenfleisch am Teller zu haben, leidensfähige Lebewesen massenhaft unter schrecklichsten Bedingungen hält und tötet, lässt sich jeder noch so brutale Umgang mit Tieren relativieren. Im Vergleich zur Tierindustrie wirkt für manche sogar der Stierkampf harmlos. Sollte es gelingen, die Tierproduktion immer weiter zurück zu drängen, dann wird die Bahn frei, auch auf allen anderen Ebenen, von der Jagd über Tierversuche bis zur Bekämpfung von „Ungeziefer“, einen gewaltfreieren und gerechteren Weg einzuschlagen.
Ich war vor einem halben Jahr noch omnivor. Ich aß beim Grillen 1kg Fleisch alleine, keine Beilage. Ich kochte mir 10Liter Gulasch mit 4kg Fleisch, machte mir Hühnerbrühe etc., machte selber
Würste, Pasteten etc. Eigentlich hätte ich 150kg haben müssen, Eckzähne bis zu den Knien und täglich 5 Festmeter Holz hacke sollen, damit ich das kalorischen Gleichgewicht erhalten hätte können. Es ging auch so.
Ich habe auf Youtube von Rüdiger Dahlke ein Interview bzgl. seines Buches Peace Food gesehen und da machte es “Klick!”. Ich aß innerhalb von 3 Tagen noch meine Tiefkühlung leer, 2kg Kalbsbratwürste, 1kg Wienerle, 2 Entenbrüste. 5 Liter Haltbarmilch verschenkte ich, Eier ebenfalls was sonst noch an Tierzeug zu Hause war. Seit dem ernähre ich mich tiereiweißfrei (das Wort “Vegan” mag ich nicht so gerne)
Die Initialzündung gaben mir die Argumente der Chinastudy, der ethische Aspekt kommt erst langsam dazu. Gerade die Beschäftigung mit dem Tierschutzprozess, der Arbeit des VGT und anderer NGOs in ähnlicher Sache, tragen dazu bei.
@Martin Balluch:
Vielen Dank für die Seitenzahl! Nun sehe ich es auch 🙂
“Wer sollte das ausarbeiten? Das ist ja eine bezahlte Auftragsarbeit, die mit Übergabe der Rohzahlen beendet ist und keine Uniarbeit zur Veröffentlichung in Fachzeitschriften. Das Eurobarometer ist genauso zu sehen.”
Zunächst einmal: Ich bin Veganerin und würde mich sehr freuen, wenn die Ergebnisse stimmen würden (ob sie stimmen, weiß ich nicht).
Gerade aber weil es eine “bezahlte Auftragsarbeit” ist und das Institut zudem “höchste wissenschaftliche Ansprüche” (http://www.ifes.at/) für sich selber erhebt, müsste IFES eine schriftliche Ausarbeitung liefern. Der VGT hätte einfach darauf bestehen müssen. Schließlich hat er ja dafür bezahlt. So, ohne eine nachprüfbare Dokumentation, könnte das IFES dem VGT theoretisch auch ausgedachte Zahlen auftischen (was ich nicht glaube – nur mal so zum Nachdenken).
Natürlich ist diese Umfrage keine Uniarbeit. Aber ein angeblich wissenschaftliches Institut (IFES) sollte sich an wissenschaftliche Arbeitsweisen halten, wenn es ernst genommen werden will. Und dazu gehört nun einmal die Dokumenation (inkl. Methodik und Ergebnissen).
Das Eurobaromter ist da wesentlich seriöser – also nicht “genauso zu sehen”, sondern deutlich glaubwürdiger. Es enthält die Ergebnisse, Angaben zur Methodik und die Fragebögen.
Warum ich das kritisiere? Weil ich will, dass wir Veganer_innen ernst genommen werden mit unseren Ideen und Anliegen für Tiere, Menschen und Umwelt!
@Jana: auf Seite 97 ist es auf 3% gerundet. In den genauen Zahlen einer Excel-Datei unter http://ec.europa.eu/food/animal/welfare/survey/index_de.htm stehen die 2,9%.
Wer sollte das ausarbeiten? Das ist ja eine bezahlte Auftragsarbeit, die mit Übergabe der Rohzahlen beendet ist, und keine Uniarbeit zur Veröffentlichung in Fachzeitschriften. Das Eurobarometer ist genauso zu sehen.
Hallo 🙂
Weiß jemand, wo in dem Europabarometer 2005 der EU-Kommission genau die Zahl steht mit den 2,9% Vegetarier_innen? Ich finde sie nicht.
@Martin Balluch:
Wird es denn zu der aktuellen Umfrage noch eine veröffentlichte, schriftliche Ausarbeitung geben (mit Einleitung, Methodik, Ergebnissen und Diskussion), also so, wie es bei wissenschafltichen Arbeiten üblich ist?
@Bernd, ich denke auch dass die tolle Aufklärungsarbeit von Tierrechtlern, flankiert durch die immer wieder auftretenden Fleischskandale, tatsächlich Wirkung zeigt.
Ich selbst glaubte noch vor wenigen Jahren, dass eine Kuh nun mal Milch gibt und es ihr sogar weh tut, wenn man sie nicht melkt. Erst durch Tierschutzarbeit anderer hatte ich einen Anlass, überhaupt mal darüber nachzudenken wie die Milchwirtschaft funktioniert. Anschließend war Kuhmilch für mich von heute auf morgen tabu! Es tut sich was…. 😀 Ich bin das Paradebeispiel!
@Martin: Vielen Dank für den Link!
@Bernd:
Zunächst: Ich denke, dass es schon vor der neuen Studie über die Anzahl von VegetarierInnen zahlreiche Anzeichen gegeben hat, dass diese Anzahl drastisch zugenommen haben muss. Z.B. sind plötzlich in vielen Buchhandlungen, auch in Innsbruck, ganze Auslagenbereiche nur vegetarischen, veganen oder tierschutzbezogenen Büchern gewidmet worden. In Wien gibt es seit den letzten Monaten bzw. Jahren zahlreiche neue Restaurants, Produktlinien und Geschäfte, sogar 2 verschiedene vegane Supermarktketten.
Ich persönlich habe vor einigen Monaten in einem vegetarischen Restaurant in Vorarlberg gegessen. Mindestens eines muss es also geben. In Wien sind wir bereits irgendwo zwischen 40 und 50!
Die Altersgruppen haben sich sicher nicht verschoben. Aber die vegetarisch-affinen Gruppen haben offensichtlich überproportional zugelegt. Ohne jeden Zweifel hat sich irgendetwas in den letzten Jahren in der Gesellschaft verändert. Wir sprachen doch von einem Veggieboom schon lange bevor diese Studie herauskam.
Und ist es nicht bemerkenswert, dass zwei unabhängige Studien, die in Voralrberg und unsere jetzt, praktisch die gleichen Ergebnisse erhalten haben?
Ich bin seit dem Vbg Schweineskandal vegan, ein Attila Hildmann hat in einem Jahr über 100.000 vegane Kochbücher verkauft, einige VeganerInnen, die ich kenne sind seit 2 oder 3 Jahren vegan…. Obwohl ich mir manchmal vorkomme wie ein Alien glaube ich doch an signifikante Änderungen in den letzten Jahren!
Lt Martin…
” in Vorarlberg gibt es kaum vegetarische Restaurants”
In Vorarlberg gibt es keine vegetarischen Restaurants. In der grenznahen Schweiz eines. Speisekarte mit ca. 4 Gerichten….
Zu der Studie:
A. Ältere Menschen und Personen mit weniger Bildung sind eher
Keine Vegetarier.
B. Verdreifachung von 2,9% auf 9% innerhalb von 8 Jahren
B würde bedeuten,
dass sich innerhalb des Zeitraumes von 8 Jahren die Verteilung der Bevölkerung zugunsten von A. Geändert hätte
Und / oder
Dass es Ein Wertewandel in der Bevölkerung gegeben hätte.
Bevölkerungsstrukturen ändern sich nicht so schnell und Wertewandel ebenfalls nicht.
Bei 10 % Vegetarier / Veganer in Österreich gäbe es auch viele veggie / Veganer Restaurants in Österreich. ( derzeit gibt’s meines Wissens 3 Vegane und 0 vegetarisché Pensionen)
Fazit:
10% wären schön, aber alleine das geringe Angebot an Veganern Hotels (bei einer Zielgruppe von 760.000 Ösis und analog zu Österreich mit einem Faktor von 10 7.500.00 Deutschen) müsste es vielé Vegane Hotels geben. Weil das ist eine Zielgruppe.
Sorry, die Fragestellung hat sicher Fehler.
Steht im angegebenen Link im Text: “Ende Oktober 2012 veröffentlichten die Vorarlberger Nachrichten eine von ihnen bei Edwin Berndt Marktforschung, http://edwinberndt.at/, in Auftrag gegebene Umfrage. “
Danke. Wer führte die Umfrage in Vorarlberg denn durch?
@Ulli: Ausser den Angaben im Text des Blogeintrags gibts keine weiteren. Vielleicht könnte man das Forschungsinstitut kontaktieren?
@Tom: Dem Fragebogen entnehme ich, dass die Befragten mit folgendem Satz informiert wurden: “Vegetarismus bedeutet, weder Fleisch noch Fisch zu essen.” Dann gabs Fragen zur Beziehung zwischen Tierschutz und Vegetarismus und dann die Fragen “Sind Sie selbst Vegetarier?” und “Ist eine Person in Ihrem Haushalt Vegetarier?”.
Dass sie eine gescheite Stichprobe wählen, traue ich ihnen schon zu. Mich interessiert viel mehr bspw. die Begriffswahl: In dem Auszug scheint mir, wird oft „vegetarisch sein“ und „sich als vegetarisch bezeichnen“ gleichgesetzt, obwohl lange bekannt ist, dass sich Personen, die Fische essen oder selten Körper von Säugetieren essen, gerne als VegetarierInnen bezeichnen. Das ist auch der Grund, weshalb die Vegetarian Research Group immer miterhebt, was die Leute in der letzten Woche alles gegessen haben. Unter Wikipedia:Vegetarismus#Anzahl und Soziologie der Vegetarier findet sich einleitend eine Sammlung häufiger (und durchaus nicht trivial auflösbarer) Probleme bei Studen von VegetarierInnen.
Dass sie darauf eingehen, habe ich jetzt auf die Schnelle nicht auf ihrer Website gefunden.
Ich finde es großartig wenn ich mir vorstelle dass ich selbst vor 3 jahren noch Leichen gegessen hab. Bin ich stolz drauf veganerin in Österreich zu sein jetzt muss nur nich der Rechtsstaat seine Haltung ändern
Gibt es zur Untersuchung in Vorarlberg nähere Infos wie Stichprobe, Methode, Forschungsfrage usf.? Ich führe selbst grad eine qualitative und im Anschluss quantitative Untersuchung durch… Danke im Voraus!
LG Ulli
@Tom:
Gibt es nicht. Es ging ja eigentlich um etwas ganz anderes, nämlich um den Tierschutzprozess. Die Details präsentieren wir morgen bei einer Pressekonferenz in Wien. Die Umfrage wurde telefonisch durchgeführt, die Nummern werden dabei per Computer zufällig generiert, die TeilnehmerInnen werden repräsentativ adjustiert. IFES ist für die Methode verantwortlich, auf deren Webseite findet man die wissenschaftliche Begründung für ihre Methode.
Gibts einen Volltext oder Details zur Methode?
Es macht mich froh und glücklich das zu lesen. Allerdings bin ich bei Statistiken immer sehr vorsichtig. Für die Statistik spricht allerdings das mittlerweile reichhaltige Angebot in den Supermarktregalen, sogar in abgeschiedenen Gegenden.