Sie sind in Tierversuchslabors oder entsprechenden Zuchteinrichtungen geboren und dann in Tierversuchen missbraucht worden, diese 40 toten Nagetiere und Kaninchen, die wir vorgestern in St. Pölten, gestern vor dem Parlament in Wien und heute vor dem Rathaus am Hauptplatz in Graz der Öffentlichkeit präsentiert haben. Kaninchen werden in Tierversuchslabors laut Gesetz Käfige von gerade einmal 1 ½ A4-Seiten pro Tier an Bodenfläche geboten, ausgewachsenen Ratten nur 2/3 einer A4-Seite und Mäusen 1/6.
Was diesen konkreten Tieren angetan worden ist, die wir da in den Armen gehalten haben, wissen wir nicht. Und das ist eine wesentliche Kritik an der momentanen Tierversuchspraxis in Österreich: sie ist ein einziges großes Staatsgeheimnis. Kein Mensch, nicht einmal im Wissenschaftsministerium, weiß eigentlich, wo in Österreich welche Tierversuche durchgeführt werden. Das deshalb, weil es 10 verschiedene Kommissionen gibt, die die Genehmigungsanträge für Tierversuche erhalten, und 4 verschiedene Ministerien, in deren Verantwortung die Tierversuche liegen. Die Öffentlichkeit wird vollkommen im Dunkeln gehalten. Die Statistiken zu Tierversuchen, die aufgrund einer EU-Vorgabe in Österreich seit 1995 jährlich veröffentlicht werden, geben nur die Anzahl der Versuchstiere und, ganz vage, den Fachbereich (wie z.B. Human- oder Veterinärmedizin) an, in dem diese Tiere benutzt wurden. Aus diesen Statistiken kann man bestenfalls die Dimension des Problems erkennen, keinesfalls, was konkret für Tierversuche durchgeführt werden und wie das ethisch einzuschätzen ist.
Die neue EU-Richtlinie fordert Transparenz in der Tierversuchspraxis, und dafür z.B. die Veröffentlichung sogenannter „nichttechnischer Projektzusammenfassungen“ für jeden Tierversuch. Das Ziel ist, dass die Öffentlichkeit eine Vorstellung der Vorgänge bekommt und eine Meinung dazu entwickeln kann. Die Transparenz soll also der öffentlichen Kontrolle der Tierversuche dienen. Nach dem Willen des Wissenschaftsministeriums aber wird es in Zukunft ausreichen, in diese nichttechnischen Projektzusammenfassungen nur hineinzuschreiben, grob für welches Ziel die Tierversuche durchgeführt und ob die Tiere dabei gar nicht, leicht, mittel oder schwer leiden werden. Was, bitte schön, kann man mit dieser Information anfangen? Soll das die von der EU-Kommission angepeilte öffentliche Kontrolle sein? Wiederum wird klar: die Tierversuchsseite scheut die Öffentlichkeit wie die Pest, man will die Tierversuche im Geheimen durchführen. Keine Kontrollen, keine Öffentlichkeit, keine Strafverfolgung bei Gesetzesübertretungen – so sieht die heutige Praxis bei Tierversuchen aus, und so soll es auch bleiben.
Wissenschaftsminister Töchterle geht aber sogar noch einen Schritt weiter. Seinem Verhalten gestern uns gegenüber war zu entnehmen, dass er unsere Aktion mit den toten Tieren und die begleitende Presseaussendung als persönliche Beleidigung auffasst.
Dabei sind diese Aktionen mit den toten Versuchstieren keinesfalls pietätlos. Die AktivistInnen sind in weiße Schutzanzüge gehüllt und stehen schweigend und trauernd still, mit den Tieren in den Armen. Die Aktion ist im Kern eine Trauerkundgebung. Wir trauern um die Opfer der Versuchstierindustrie. Selbst wenn man für Tierversuche ist oder sie sogar selbst durchführt, müsste man diese Trauer begrüßen. Diese Tiere sind immerhin für uns gestorben. Diese Tiere mussten für uns Tierversuche durchleiden. Diese Tiere mussten für uns alles geben, was sie hatten. Das Allermindeste, was wir ihnen schulden, ist Trauer um sie und Respekt vor ihnen. Eigentlich müsste man für sie ein Denkmal errichten. Wie kann eine solche Aktion, die diese Trauer öffentlich macht, auch nur irgendjemanden aufregen oder gar beleidigen?
Unsere Republik krankt daran, dass sich die Politik, insbesondere der ÖVP, ständig demokratieunreif gebährdet. Traut man dem Volk nicht? Hält man es für dumm? Oder will man einfach für den eigenen Vorteil und Profit gegen das Volk regieren, möglichst an der öffentlichen Aufmerksamkeit vorbei?
Wir werden weiterhin pietät- und respektvoll das Schicksal der Versuchstiere öffentlich machen. Im Namen dieser Tiere, im Namen der zukünftigen Opfer, aber auch im Namen der großen Mehrheit der Menschen, die die Tierversuchspraxis strenger kontrolliert sehen will.
Lieber, verehrter Herr DDr. Balluch,
es ist ungeheuerlich, wie Macht und Gewalt von der Politik hochstilisiert und beschönt wird.
Der Umgang mit den Schwächsten einer Kultur zeigt das Niveau und und den Ethikstand einer Gesellschaft dar.
Wir müssen uns schämen.
Danke für Ihren unermüdlichen, gefährlichen Einsatz!
Mit lb. Wünschen
gabi
Eine eindrucksvolle Aktion im Gedenken an die vielen gequälten Opfer der Wissenschaft. Ich nehme an, die toten Versuchstiere sind danach nicht wieder im Mistkübel gelandet, sondern wurden begraben, als letztes Zeichen des Respekts für ihr Leiden. Die Information der Öffentlichkeit ist auf jeden Fall der wichtigste Schritt zu einem strengeren Tierversuchsgesetz, und nur mit einem solchen lassen sich dann die “Mengeles” zwingen nach Alternativmethoden zu suchen, die es zumindest zum Teil ohnehin schon gibt.
Was jeder für sich tun kann: So weit wie möglich Produkte die an Tieren getestet wurden zu meiden, bei Kosmetik ohnehin schon lange kein Problem mehr.
Gerade Pietät und Respekt den Tieren gegenüber ist das, was die Tierversuchsindustrie nicht wünscht. Mindestens nicht öffentlich. Denn die Öffentlichkeit könnte ja sonst darüber ins Nachdenken kommen, was in ihrem Namen diesen Tieren angetan wurde, die bisher hinter undurchsichtigen Türen “für uns” litten. Und an dieser Undurchsichtigkeit ist ihnen etwas gelegen.
Wer den Tieren Respekt entgegenbringt, ihre Würde achtet, und sei es auch nur im Tod, beginnt die Sinnhaftigkeit ihres Leidens und Sterbens zu hinterfragen. Genau das aber ist unerwünscht. Und Eure Aktion wie auch die Heftigkeit der Reaktion zeigt, wie wichtig es ist, das Leiden der Tiere sichtbar zu machen, gegen alle Widerstände.
Die auf Euren Bildern sind so vielleicht die ersten Versuchstiere Österreichs, deren Tod nicht sinnlos war!