Eine Studie von der Medizinischen Uni Graz lässt aufhorchen: angeblich seien VegetarierInnen gesundheitlich am Boden. Das jedenfalls behauptet ein deutscher Ernährungswissenschaftler in einer Presseaussendung mit Bezug auf diese Studie und schreibt nach der Überschrift Vegetarier: Mehr Krankheiten & weniger Lebensqualität als Viel-Fleischesser wörtlich: Im Hinblick auf die aktuellen Erkenntnisse wirken die unhaltbaren Gesundheitsversprechen von Vegetarierlobbyisten noch weitaus fragwürdiger. Das klingt nicht nach Naturwissenschaft, sondern als sei hier jemand auf einer Mission gegen Vegetarismus. Und er wäre nicht der Erste, dem seine kulinarischen Vorlieben das Urteilsvermögen vernebeln. Schauen wir also auf die Fakten.
Die Studie wurde Anfang Februar 2014 veröffentlicht. Sie nutzte Daten des Austrian Health Interview Survey mit über 15.000 TeilnehmerInnen, von denen 0,2% vegan und 0,8% ovo-lacto-vegetarisch lebten, also zusammen 1%. Zu dieser Gruppe wurden noch 1,2% FischesserInnen addiert und das Ganze dann „VegetarierInnen“ genannt. Deren subjektive Angaben, ohne jede Kontrolle über die faktische Wahrheit ihrer Aussagen, wurden mit jenen von FleischesserInnen mit hohem Obst- und Gemüseverzehr (23,6% der TeilnehmerInnen), von FleischesserInnen mit geringerem Fleischverzehr (48,5%) und von FleischesserInnen mit hohem Fleischverzehr (25,7%) verglichen. Dabei gab diese „VegetarierInnen“ genannte Gruppe von mehrheitlich FischesserInnen subjektiv zu einem sehr geringen Prozentsatz häufiger an, krank zu sein oder sich nicht wohl zu fühlen.
Lassen sich damit die Schlussfolgerungen wie in obiger Presseaussendung ableiten? Die Zeitung Welt sprach mit der Hauptautorin und fragte: Ihre Studie sagt, Leute, die viel Fleisch essen, leben gesünder als Vegetarier, wie kommen Sie zu diesem Schluss? Darauf antwortet sie: Nein, nein, das stimmt nicht. Auf Grund unserer Ergebnisse ziehen wir die Schlussfolgerung gar nicht, dass viel Fleisch gesund sei. Es gab eine Pressemitteilung, mit der wir nicht einverstanden sind. Da werden die Ergebnisse der Studie einfach falsch dargestellt. Oha!
Tatsächlich schreiben die AutorInnen in den Schlussfolgerungen ihres Artikels wörtlich: Our results have shown that vegetarians report chronic conditions and poorer subjective health more frequently. This might indicate that the vegetarians in our study consume this form of diet as a consequence of their disorders, since a vegetarian diet is often recommended as a method to manage weight and health. […] Therefore, no statements can be made whether the poorer health in vegetarians in our study is caused by their dietary habit or if they consume this form of diet due to their poorer health status. Na das hört sich ja schon ganz anders an.
Aber jetzt kommts erst! In einer weiteren Studie, die ebenfalls im Februar 2014 von denselben 5 AutorInnen zusammen mit einem weiteren Wissenschaftler in der „Wiener klinischen Wochenschrift“ veröffentlicht wurde, steht in der Zusammenfassung wörtlich: An Populationen durchgeführte Studien zeigen, dass sich eine Ernährung, die viel Obst und Gemüse beinhaltet, vorteilhaft auf die Gesundheit und die Mortalität auswirkt. […] Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine vegetarische Ernährung mit einem besseren Gesundheitsverhalten, einem niedrigeren BMI und höherem SES einhergeht. Personen, die moderat Fleisch essen, haben eine schlechtere subjektive Gesundheit, leiden an mehr chronischen Krankheiten, haben ein höheres vaskuläres Risiko und eine niedrigere Lebensqualität. Zusammenfassend zeigen unsere Ergebnisse, dass der Konsum einer Ernährung mit viel Obst und Gemüse mit einer verbesserten Gesundheit und einem besseren Gesundheitsverhalten einhergeht. Daher sind Gesundheitsförderungsprogramme, die das Gesundheitsrisiko, das mit Fleischkonsum einhergeht, nötig.
Noch einmal: das sagen dieselben AutorInnen in einer wissenschaftlichen Publikation im selben Monat wie erstere Studie, die – zumindest laut politisch ideologisch motivierter Presseaussendung oben – das Gegenteil aussagen soll.
Ich denke nicht, dass ein weiterer Kommentar notwendig ist. Die Time in den USA hat am 24. Februar 2014 einen Artikel mit dem Titel 7 Reasons Vegetarians Live Longer. The latest study shows that meat abstainers have lower blood pressure herausgebracht. Darin steht: research does show that vegetarians tend to be healthier overall, and even live longer. Now there’s another health perk vegetarians can boast about. A new study published in the journal JAMA Internal Medicine looked at data from seven clinical studies and 32 other studies published between 1900 and 2013 where participants kept a vegetarian diet and found that vegetarians have lower blood pressure compared to people who eat meat. Die 7 Gründe für ein längeres Leben der VegetarierInnen sind:
• Low blood pressure
• Lower risk of death
• Better moods
• Less chance of heart disease
• Lower risk of cancer
• Lower risk of diabetes
• Less likely to be overweight
Und in der Time von Juni 2013 steht unter dem Titel Vegetarians may live longer wörtlich: In one of the largest studies to date, researchers from Loma Linda University in California report that vegetarians outlast meat eaters. Among a group of 70,000 participants, researchers determined that vegetarians had a 12% lower risk of death compared with nonvegetarians. The effect held true for other specific vegetarian diets, according to the study, which is published in the journal JAMA Internal Medicine. For instance, vegans also had a lower risk of death compared to nonvegetarians.
I rest my case.
Die Quellen
Die Studie selbst:
http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0088278
Die ideologisch gefärbte Presseaussendung:
http://www.echte-esser.de/tl_files/files/PM_Neue%20Studie_Vegetarier%20-%20Mehr%20Krankheiten%20&%20weniger%20Lebensqualitaet%20als%20Fleischesser%20%28Med.Uni.%20Graz%29.pdf
Das Interview in der Welt:
http://www.welt.de/gesundheit/article125270740/Vegetarier-leiden-haeufiger-an-Krebs-und-Asthma.html
Die zweite Studie derselben AutorInnen:
http://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00508-013-0483-3
Die Artikel in Time:
http://healthland.time.com/2014/02/24/7-reasons-vegetarians-live-longer/
http://healthland.time.com/2013/06/04/vegetarians-may-live-longer/
Danke für den tollen Artikel samt Link zur Studie, die immerhin von Nature veröffentlich wurde. Das erklärt jetzt auch endlich, wieso der vegetarisch ernährte Hund einer befreundeten Heilpraktikerin nicht nur selber super-fit war, sondern einen Wurf Welpen zur Welt gebracht hat, zu den der betreuende Tierarzt anmerkte, so einen gesunden und fitten Wurf habe er in seiner Laufbahn noch nie zu Gesicht bekommen.
Der oben geschilderte Zusammenhang zwischen Hunden und Menschen ist im Prinzip auch ein Schlag ins Gesicht der Verfechter aller Paläo-Diäten (Steinzeit-Diäten). Die behaupten ja gerne, größere Mengen an Fleisch zu essen wäre ok, solange man es nur roh zu sich nehmen würde.
Offensichtlich sind weder Menschen noch Hunde identisch mit ihren Vorfahren aus der Steinzeit.
so wird Meinung gemacht…
Es gab eine Pressemitteilung, mit der wir nicht einverstanden sind. Da werden die Ergebnisse der Studie einfach falsch dargestellt.
Danke für diesen Beitrag!
“Fleischesser leben gesünder”: Darüber gabs heute am frühen Abend auch einen Bericht im ORF, ich glaub irgendeine Wien-Sendung.
Wieviel Schaden der eine Bericht wohl angerichtet hat! Wieviele haben den Bericht gelesen…?
Karen