16. November 2024

Zum Buch „Ein Beitrag zur Jagd- und Wildtier-Ethik“ von Rudolf Winkelmayer

Mit der Jagd kennt sich der Autor Rudolf Winkelmayer sicherlich sehr gut aus, war er doch darin seit früher Jugend zusammen mit seinem Vater engagiert, bis er vor einigen Jahren nicht nur die Jagd, sondern auch das Fleischessen aufgab. Zur Jagdethik hat er bereits 2015 ein Buch geschrieben, siehe https://martinballuch.com/ein-beitrag-zur-jagdethik-von-rudolf-winkelmayer/.

In seinem neuen Buch beschreibt er mit schillernden Worten eindrücklich die Motivation für die Jagd. Und das ist nichts für schwache Nerven, geht es dabei doch auch um die regelrechte Lust am Töten. Neben der Schilderung eines sexuellen Orgasmus durch einen Jäger beim Abschuss eines Haselhuhns und ähnlicher Perversionen, ist der Grundtenor der Jägerschaft eindeutig, hier mit den Worten des Jagd-Rechtsanwalts Florian Asche aus Deutschland wiedergegeben: „wir jagen nicht, um das ökologische Gleichgewicht herzustellen. […] Es ist nur eine Rechtfertigung unserer Triebe“.

Im Hauptteil des Buches taucht Winkelmayer tief in die Tierrechtstheorie ein und beschreibt die Beiträge verschiedenster Autor:innen, ohne uns seine persönliche Meinung wissen zu lassen. Diese Theorien wendet er dann auf die Ethik im Umgang mit Wildtieren an. Wildtiere sollten ja im Idealfall in der Lage sein, ohne menschliches „Management“ auszukommen. Das gelte aber nur in Naturlandschaften, so Winkelmayer. In Kulturlandschaften – und dazu zählt er ganz Österreich – sei der Mensch verantwortlich, so jedenfalls Mike Aldave, den Winkelmayer zitiert. Und überall dort hat das Interesse der Menschen an der Naturnutzung in der Praxis Priorität und deshalb müsse man sich der Wildtiere, die dieser Priorisierung unterworfen sind, annehmen. Dabei bringt Winkelmayer das Beispiel, dass Wildtiere bei Hochwasser in Zäunen hängen bleiben und ertrinken können. Dieser Zugang zum Umgang mit Wildtieren, dass ein menschliches Management für sie nötig ist, dürfte einen Jagdverlag bewogen haben, viele Seiten des Buches wortwörtlich abzudrucken. Sieht man aber genau hin, dann folgt aus Vielem, was Winkelmayer sagt, dass Tiere Rechte haben sollten und die Gesellschaft vegan werden müsste.

Und dennoch wird der Autor dieser Linie, wie mir scheint, am Ende des Buches untreu. Da tritt er Mike Archers Argument breit, dass durch das Ackern von Feldern Mäuse sterben und durch die Lagerung von veganen Feldprodukten ebenso, und dass deshalb das Fleisch einer Weidekuh weniger tote Tiere verursache. Winkelmayer fügt an, dass das umso mehr für von Jäger:innen erschossene Tiere gelten würde. Mir ist immer noch nicht klar, was an diesem Argument überzeugt. Wesentlich dafür ist, erstens, dass es egal ist, ob man ein Tier vorsätzlich tötet, um es zu nutzen, oder ob man es versehentlich tötet, wenn man seine eigene pflanzliche Nahrung produziert oder wenn man seine Nahrung vor anderen Tieren schützt. Bei Gewalt gegen Menschen vor Gericht ist dieser Unterschied jedenfalls sehr wesentlich, warum sollte das bei Tieren nicht auch gelten?

Zweitens ist die seltsam anmutende Voraussetzung von Archers Argument, dass das Töten größerer Tiere zur Fleischproduktion weniger schlimm ist, als das Töten kleinerer Tiere, weil größere mehr Fleisch geben. Nach dieser Logik wäre es ethisch besser Schwein statt Huhn zu essen, und Rind statt Schwein, und Elefant statt Rind und Wal statt Elefant. Drittens beschreibt Archer, wie Greifvögel hinter dem Traktor am Feld her fliegen und die getöteten Mäuse essen. Also wenn Greifvögel, die sowieso Mäuse essen, die so getöteten Mäuse zu sich nehmen, anstatt selbst welche zu töten, dann ist das doch ein Nullsummenspiel: dieselbe Anzahl an Mäusen wäre sowieso gestorben, mit oder ohne Traktor. Und viertens würde Archers Logik dazu führen, dass man doch am Besten Beutegreifer essen müsste, weil wenn man diese tötet, erspart man ihren Beutetieren den Tod. Also so simpel kann die Rechnung nicht sein.

Das neue Buch von Winkelmayer setzt zweifellos einen Schwerpunkt auf Tierrechte, wie das von diesem Autor in seinen Büchern bisher nicht bekannt war. Doch der logischen Folgerung, einer veganen Lebensweise, stehen der radikale Konsequentialismus von Archer und der Interventionismus von Aldave gegenüber, deren Ausführungen von Winkelmayer breiter Raum gegeben wird. Offen bleibt, wie der Autor diesbezüglich nun seine Abwägung trifft.

Ein Gedanke zu “Zum Buch „Ein Beitrag zur Jagd- und Wildtier-Ethik“ von Rudolf Winkelmayer

  1. Herzlichen Dank für die kurze Zusammenfassung.

    Als jagdlich ausübender Mensch versuche ich mich auch selbst zu hinterfragen und komme dabei auch immer wieder an ähnliche Argumente wie Aldave und Archer anführen.

    Als österreichischer Jäger übernehme ich Verantwortung über ein kleines Stück Kulturlandschaft. In diesem habe ich die Möglichkeit durch mein Handeln (bzw. nach meinem Werteempfinden) positive Veränderungen zu veranlassen. Von Gesetz wegen übernimmt man Verantwortung für alle Tierarten, die dem Jagdgesetz unterliegen. Jedoch sind auch nicht jagdbare Tiere und Tiere sowie Pflanzen, die ggf. einem Schutz unterliegen, den Konsequenzen meiner Handlungen ausgesetzt.

    Neben den von Ihnen erwähntem Argumenten, die Sie dann auf ein Nullsummenspiel rechnen, kommt eine zusätzliche Ebene hinzu, wenn ich vorab Arten definiere, die ich fördern möchte. Beispielsweise Großtrappen oder wie in meinem persönlichen Fall den Wachtelkönig. Mit dieser zusätzlichen Ebene maße ich mir die Verantwortung an, das sich einstellende Gleichgewicht in Richtung eines sich selbst tragenden Vorkommens des Wachtelkönigs zu beeinflussen.

    Diese Betrachtungsweise kann man in beliebigen Konstellationen durchführen.
    Mit dieser Betrachtungsweise konnte ich die Jagd für mich und meinen persönlichen Anwendungsfall rechtfertigen. Woran ich noch scheitere: Wenn ich auf meiner Fläche Füchse oder Wachtelkönige vorfinden kann – und beiden, wie von Ihnen gefolgert, Rechte einräume. Wessen recht auf körperliche Unversehrtheit ist eher zu wahren. Oder darf ich mich selbst innerhalb dieses Systems in der Position des “Spitzenprädators” sehen und nach meinem Empfinden (wie bisher) handeln. Ihre daraus abgeleitete Folgerung einer veganen Lebensweise kann ich in einer Kulturlandschaft noch nicht erkennen. Freue mich aber über Literaturhinweise, die bei Anwendung eines Konsequentialismus in einer veganen Kulturlandschaft münden.

    Mit besten Grüßen!

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