Ich gehe seit Jahrzehnten im Mittel um die 100 Tage pro Jahr auf Bergtour hinaus in die Natur. 30-40 Tage davon bin ich mit Schi unterwegs. Bei uns in Ostösterreich ist zumindest noch bis vor wenigen Jahren sehr viel Schnee gefallen, Schitouren bis in den Juni hinein waren normal. Doch heuer, und das kann ich mit meiner Erfahrung sagen, liegt deutlich weniger Schnee in den ostösterreichischen Bergen, als je zu dieser Jahreszeit in den letzten Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Seit Mitte Dezember 2013 herrscht eine Südwetterlage, Föhn im Norden, Temperaturen oft bis 10 Grad auf 1500 m Höhe. Der letzte Schnee fiel Ende November. Da dachte ich noch, der Winter habe begonnen, siehe https://martinballuch.com/?p=3502. Keine Jagd mehr? Leider falsch. Anfang Jänner traf ich auf eine Treibjagd am Hochschwab, abends eine „Strecke“ von 2 Rehen, 2 Gemsen und 1 Hirsch. Um diese Jahreszeit habe ich so hoch oben noch nie Treibjagden erlebt!
Der Klimawandel startet durch. Nicht nur die Wetterextreme, mit Flut, Trockenheit und stärksten Stürmen. Jetzt bleibt auch noch der Winter aus. Und zwar völlig. Seltsam, wie wenig Entsetzen darüber in der Öffentlichkeit herrscht. Vermutlich freuen sich viele sogar, dass es nicht so kalt ist. Aber da geht es nicht mehr um Vorlieben. Wenn Mitte Jänner die Schneerosen blühen und manche Bäume bereits erste Knospen austreiben, wenn viele Tiere aus dem Winterschlaf erwachen oder gar nicht erst schlafen gehen, wenn die Zugvögel einfach dableiben und Kraniche in den Marchauen stehen, dann passiert etwas Beängstigendes, eine totale Änderung der natürlichen Verhältnisse, und das in einem erschreckenden Tempo!
Letztes Wochenende waren wir wieder 2 Tage unterwegs, mein Hund und ich. In jedem Winter der letzten Jahrzehnte hätte ich Mitte Jänner niemals in dieser Höhe völlig schneefrei ohne Ausrüstung dahinwandern können. Bei der Rast schwirren plötzlich Insekten um mich. Am Abend, im Licht der Taschenlampe, ein ganzer Schwarm. Mitte Jänner!
Raschen Schrittes ziehen wir den Waldrücken empor. Ich liebe diese uralten Steige aus dem Mittelalter, verborgen im stillen Winkel des Waldes, immer in breiten Kehren ohne große Steigung, immer gut befestigt. Oft findet man sie nicht mehr in den modernen Karten, sie geraten in Vergessenheit. Außer man gräbt sie aus alter Bergliteratur oder man wagt es, weglos durch die Natur zu streifen. Wie berührend, dann auf solche alten Steigspuren zu stoßen, zwischen hundertjährigen Bäumen hindurch. Zugegeben, unter dem Schnee hätte ich diesen Weg heute nicht gefunden.
Selbst auf über 1600 m sitzen wir noch in der Wiese. Dabei ist das kein abgeblasener Rücken, es ist einfach zu warm. In der Ferne etwas Schnee auf den hohen Bergen, aber nur wie überzuckert. Normalerweise würde ich jetzt dort die steilen Rinnen abfahren, aber weder für den Zustieg, noch die Abfahrt, reicht die Auflage. Dafür konnte ich eine steile Firnflanke klettern, weil praktisch keine Lawinengefahr herrscht. Im Hochwinter wäre das normalerweise auch nicht möglich.
Der Winter ist die Zeit der langen, tiefroten Sonnenuntergänge. Die Tage sind kurz, die Sonne streift langsam über den Horizont und beleuchtet die Eiswolken der oberen Troposphäre von unten. Lange kündigt sich die Nacht an, Zeit, einen Schlafplatz zu finden. Die blaue Minute, wenn die Sicht ein letztes Mal noch mit dreidimensionaler Tiefenschärfe möglich ist, kommt und geht. Ein immer wieder beeindruckendes Schauspiel. Wie gerne sitze ich dann hier heraußen, und lasse die Umgebung auf mich wirken. Das kann mir auch der Klimawandel nicht nehmen, wenigstens!
Mann kann nicht alles im Leben haben Herr Deng, vielleicht machen sie Karriere und haben mehr Geld aber dafür keine Zeit, aber es gibt Menschen die arbeiten weniger, nehmen die finanziellen Einbusen gerne in Kauf und haben dadurch um einiges mehr Zeit um dann unbezahlbare Erfahrungen, Erlebnisse, usw. zu machen…
Vielleicht sollten sie es mal versuchen, scheißen sie mal auf den ganzen Quatsch was ihnen vorgelebt wird und reduzieren sie sich auf das wesentliche im Leben, glauben sie mir es wirkt!!
Ich denke nicht, dass ich Ihnen, Herr Denig, Rechenschaft über meine Arbeit schuldig bin, aber ich gebe Ihnen gerne Mathematiknachhilfe: das Jahr hat 52 Wochen, also 52×2=104 Wochenendtage. Ah ja, und dann gibts noch ein paar Wochen Urlaub dazu. Da ginge sich noch einiges mehr aus.
“Ich gehe seit Jahrzehnten im Mittel um die 100 Tage pro Jahr auf Bergtour hinaus in die Natur.” – Sagen Sie Herr Balluch, arbeiten sie auch? Und wenn ja als was?