18. Dezember 2024

3 ½ Stunden auf dem Zahnarztstuhl

Letzten Freitag, am Nationalfeiertag, begann für mich ein absolut unerträgliches Zahnweh, das sich bis gestern früh hinzog. So etwa alle 1-2 Stunden für rund 5-10 Minuten meldeten die Nerven im Kiefer irgendein schwerwiegendes Problem. Der Schmerz strahlte quer über das ganze Gesicht bis zu den Augen. Mit regelmäßigen Pulsen schossen die Signale der Zahnnerven durch das Bewusstsein und trübten es völlig ein. Bei so starken Schmerzen endet das Leben. Zwischen den Schmerzattacken fühlt man sich in jeder Hinsicht depressiv, es wirkt, als gäbe es keine Zukunftsaussicht. Man zieht sich in sich selbst zurück, man wünscht eigentlich nur noch ein Ende, und sei es durch den Tod.

Gestern früh dann – bis dahin war ich in den Bergen – konnte ich endlich zum Zahnarzt. Aber auch dort kein Ende der Tortur. Insgesamt 3 ½ Stunden saß ich auf diesem Zahnarztstuhl, ich erhielt zahlreiche Spritzen zur Betäubung, aber dennoch war die leiseste Berührung des betroffenen Zahns unheimlich schmerzhaft. So etwas habe er in seinen 35 Jahren Praxistätigkeit noch nie erlebt, meinte der Zahnarzt selbst. Ich musste dann die Behandlung abbrechen, so schmerzhaft blieb das Ganze. Heute wird sie weitergeführt.

Diese Schmerzen, insbesondere in der Zahnarztpraxis, haben mich an das Schicksal von Versuchstieren erinnert. Man sitzt in diesem Stuhl, erwartet große Schmerzen, es scheint keinen Ausweg zu geben, und kein Ende. Müssen sich so oder so ähnlich nicht die Versuchstiere fühlen? Ein scheinbar sinnloser Schmerz, der völlige Verlust der Kontrolle über das, was da passiert. Um wie viel schrecklicher muss es dann noch sein, in einem winzigen Käfig zu sitzen, nur von unfreundlichen Menschen umgeben, die einem alle weh tun, die sich offenbar alle gegen einen verschworen haben! Und das Ganze nicht, weil der eigene Körper erkrankt ist, sondern weil andere irgendetwas wissen wollen, und man selbst dafür herhalten muss, als „minderwertiges“ Wesen!

Ich bin schon monatelang in einer winzigen Zelle gesessen. Auch das ist furchtbar. Aber dazu auch noch unerträglichen Schmerzen ausgeliefert zu sein, erhöht die Qualität der Katastrophe um eine ganze Dimension! Wie kann man da nicht gegen Tierversuche sein, nicht fordern, wenigstens möglichst strenge Kontrollen einzuführen, und für das erlaubte Schmerzausmaß eine Höchstgrenze einzuführen! Wie kann irgendjemand diesen so offensichtlich vernünftigen Mindestanforderungen an ein Tierversuchsgesetz widersprechen?

Viele von uns werden sich schon über Mäuse geärgert haben, wenn sie unsere Küchenvorräte essen, die Wärmeisolierung des Hauses zerstören und mit ihrem Kot selbst auf der Schneideplatte im Kochbereich ihre Spuren hinterlassen. Wer wünscht ihnen da nicht die Pest an den Hals? Doch bei unseren Tierversuchsaktionen habe ich auch eine tote Maus in der Hand gehalten, ihre feinen kleinen Finger betrachtet, die Augen, die Ohren, ihre Schnurrbarthaare. Was musste dieses Tier durchleiden? War es wie bei mir, auf dem Zahnarztstuhl, nur noch schlimmer, weil ohne mitfühlende Menschen in einem winzigen Käfig eingesperrt? Was empfindet so eine Maus, wenn sie im Rahmen eines LD-50 Tests so lange mit einer Substanz vergiftet wird, bis sie elendiglich stirbt? Wie kann irgendjemand einem anderen fühlenden Wesen so etwas antun, egal aus welchem Grund und egal zu welcher Tierart es gehört?

Ich nehme aus meinen Schmerzerfahrungen am Zahnarztstuhl die erhöhte Motivation mit, mich für Versuchstiere einzusetzen. Für mich bildet diese Erfahrung eine Brücke zu den Tieren in den Tierversuchslabors und ihrem Schicksal. Wir müssen es einfach schaffen, für diese Tiere einen echten Fortschritt zu erzielen, der ihre Situation wirklich verbessert. Deshalb möchte ich hier noch einmal an alle appellieren, mitzuhelfen und am Besten täglich ein Protestemail an Medien oder politisch Verantwortliche zu schicken. Wir dürfen unseren Druck nicht abschwächen, wir müssen dranbleiben, auch wenn sich die Sache in die Länge zieht. Für nächste und übernächste Woche haben wir bereits wieder eine Reihe von Aktionen geplant!

3 Gedanken zu “3 ½ Stunden auf dem Zahnarztstuhl

  1. Kann ich gut nachvollziehen, denn der massive Schmerz am eigenen Körper erlebt lässt erst wirklich erahnen, welches Leid es es für Versuchstiere bedeuten muss, ohne Aussicht auf Schmerzlinderung dahinzuvegetieren.

  2. Ich wünsche dir alles Gute, Martin.
    Ich hoffe, du bist mit dem `du´ einverstanden. Für mich gehörst du, und dein Team, in meinen inneren Kreis, große Wertschätzung, so groß, dass sie den Himmel berührt.

    Ja, etwas muss sich für die Tiere zum Besseren ändern… sehr zum Besseren ändern… das Bewusstsein der Menschen, so eine grauenhafte Gesellschaft und jeder Mensch bevor er nicht erwacht, trägt dasseinige beiträgt. “Vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun.”, sagte einmal ein Mensch, der weit über den Tellerrand hinaus geschaut hat, er war unserer Zeit weit voraus.

    Ich werde zu Allerseelen allen Tieren gedenken. In Liebe.

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