22. November 2024

Gesundheitsministerium will Tierschutz-Kompromiss zum Schächten einfach abschaffen!

Schächten ist die rituelle Schlachtung von Tieren im Judentum und im Islam. Insbesondere für orthodoxe AnhängerInnen des jüdischen Glaubens darf ein für die Schlachtung vorgesehenes Tier nicht vor der Tötung verletzt sein. Heute wird das so interpretiert, dass auch keine Betäubung angewandt werden darf. In den verschiedenen islamischen Strömungen handhabt man das sehr unterschiedlich, grundsätzlich wird nicht von einem zwingenden Verbot ausgegangen, vor der rituellen Schlachtung zu betäuben. Dennoch fordern viele Menschen islamischen Glaubens Fleisch nur von geschächteten Tieren.

Tierschutz bedeutet, die Gewalt an Tieren zu verhindern bzw. sie möglichst einzuschränken. Zweifellos ist die konventionelle Schlachtung mit vorheriger Betäubung eine Tierquälerei und insbesondere Gewalt gegen Tiere. Aber ob eine Schlachtung mit oder ohne Betäubung abläuft ist sicherlich ein großer Unterschied für das betroffene Tier. Deshalb ist die Vorschrift, vor jeder Schlachtung zwingend das Tier betäuben zu müssen, eine Tierschutzforderung.

In den 1980er Jahren wurden in den Bundesländern die ersten Gesetze zum Schutz sogenannter Nutztiere erlassen. Dazu gehörten auch Vorschriften zur Schlachtung, die in vielen Bundesländern ein Betäubungsgebot enthielten. Doch in den 1980er und 1990er Jahren wurde das Tierschutzgesetz weitgehend ignoriert. Ein engagierter Tierarzt zeigte 1992 einen Mann an, der ein Schaf ohne Betäubung rituell geschächtet hatte. Der Betroffene ging bis zum Verfassungsgerichtshof und dort wurde ihm 1996 Recht gegeben: die verpflichtende Betäubung beim Schlachten widerspreche der verfassungsmäßig geschützten Freiheit der Religionsausübung. Das entsprechende Gesetz wurde aufgehoben, Tierschutz stand ja nicht in der Verfassung.

Seitdem gab es immer wieder heftige Debatten. Auf der einen Seite die grundsätzlich nachvollziehbaren Bedenken von Tierschutzseite, allerdings von manchen Seiten unverhohlen vorgeschoben, um eine Ausländerfeindlichkeit zu kaschieren. Auf der anderen Seite ein fanatisches Festhalten an religiösen Riten egal um welchen Preis, dabei ist offensichtlich das Gebot, nur unverletzte Tiere zu schlachten, als Tierschutzmaßnahme gemeint und stammt aus einer Zeit, bevor die Betäubung zur Verfügung stand.

Anlässlich der heftigen Diskussion um ein Bundestierschutzgesetz wurde auch die Schächtproblematik ausgiebig verhandelt. Heraus kam ein Kompromiss, das sogenannte post-cut Stunning. Dabei muss das Tier unmittelbar nach dem Kehlschnitt sofort betäubt werden. Zusätzlich ist laut §32 Bundestierschutzgesetz lediglich anerkannten Religionen diese Ausnahme von der Betäubungspflicht bei der Schlachtung gestattet, wenn zwingende religiöse Gebote oder Verbote eine Betäubung ausschließen.

Jetzt gibt es eine neue EU Schlacht-Verordnung, die am 1. Jänner 2013 in Kraft tritt. Nach Artikel 4 Absatz (4) dieser Verordnung ist für das rituelle Schlachten überhaupt keine besondere Anforderung mehr vorgesehen, alle Vorschriften für das konventionelle Schlachten gelten nicht mehr. Allerdings würde Artikel 26 Absatz (1) strengere Vorschriften eines Mitgliedsstaates, die bereits bestehen, weiterhin erlauben. Und Artikel 26 Absatz (3c) erlaubt sogar explizit noch nach In-Kraft-Treten der Verordnung eine strengere Bestimmung für Mitgliedsstaaten im Bereich der rituellen Schlachtung. Dennoch sieht ein Entwurf des Gesundheitsministeriums zu diesem Gesetz die wörtliche Übernahme der EU-Verordnung vor, §32 Tierschutzgesetz mit der post-cut Stunning Bestimmung würde dadurch „verdrängt“, heißt es in einem Kommentar zu dem Entwurf.

Es ist schon sehr seltsam, warum dieser Kompromiss jetzt einfach heimlich, still und leise abgeschafft werden sollte. Die Stellungnahme des VGT zum Entwurf findet sich hier: https://vgt.at/presse/news/2012/20120908Stellungnahme_SchlachtVO.pdf

Allerdings schrieb heute der Tierschutzsprecher der SPÖ in einer Presseaussendung, dass es garantiert keine Verschlechterung im Tierschutz, und damit keine Abschaffung des post-cut Stunning, durch ein SPÖ-Ministerium wie das Gesundheitsministerium, das obigen Entwurf ausgesandt hat, geben wird. Hier sein Text:

„Keck: Strenge Bestimmungen im Tierschutzgesetz für rituelle Schlachtungen bleiben aufrecht“

http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120910_OTS0157/keck-strenge-bestimmungen-im-tierschutzgesetz-fuer-rituelle-schlachtungen-bleiben-aufrecht

Die Frist für Stellungnahmen zu diesem Entwurf läuft heute um Mitternacht aus. Hier der Originaltext:

http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/ME/ME_00404/index.shtml

2 Gedanken zu “Gesundheitsministerium will Tierschutz-Kompromiss zum Schächten einfach abschaffen!

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