24. November 2024

Geflügelindustrielobby-Propaganda, um Intensivierung von Tierfabriken zu erreichen

Unbenannt-2kleinNachdem die Lobby der Geflügelindustrie im Oktober 2012 ihre Vorstellungen für eine dramatische Verschlechterung der Haltungsbedingungen der Hühner und Puten an das Tierschutzministerium geschickt hatte, siehe https://martinballuch.com/?p=2113, begann ein Trommelfeuer von Presseaussendungen, um Druck für diese Änderungswünsche aufzubauen. Es gab sogar einen Protest von angeblich 1000 jener GeflügelproduzentInnen, die mit €-Zeichen vor Augen den Tierschutz in der Geflügelhaltung begraben wollen, um 4-5 % höhere Profite einzustreifen. Das ist Berufsdemonstrieren in Reinkultur, eine Kundgebung der Industrie um die eigenen Profite zu erhöhen!

Eine der Presseaussendungen: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130219_OTS0036/weiterer-gefluegelbetrieb-setzt-einstallung-von-putenkueken-aus?utm_source=2013-02-19&utm_medium=email&utm_term=inline&utm_content=html&utm_campaign=mailaboeinzel

Leider führten sie auch zu entsprechenden Medienreaktionen, die das Märchen der schlechten Wirtschaftslage glaubten: http://derstandard.at/1362107403406/Billigimporte-verdraengen-Oesterreichs-Puten

Auf Anfrage reagiert die Lobby der Geflügelindustrie so:

Sehr geehrter Herr XXX,

offensichtlich wird unser Geflügelgesundheitsprogramm missverstanden.

Unsere Programmmaßnahmen sind auf eine Verbesserung des Tierwohls und auf eine inländische Produktion mit Kontrolle ausgerichtet.

Ist eine Verlagerung der kontrollierten heimischen Produktion ins Ausland und der Import von Produkten aus Ländern, die allesamt vom österreichischen Standard meilenweit entfernt sind, im Sinne des Tierwohls und der Konsumenten?

Jedes Prozent Marktanteilsverlust ist einer Zunahme des Tierleids durch die Verlagerung der Produktion ins Ausland und der steigenden Importe gleichzusetzen.

Kann das wirklich unser Ziel sein?

Gerne stehe ich für persönliche Gespräche zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Weber
stefan.weber@qgv.at

 

Das Argument ist also: Wenn die Haltungsbedingungen für die Tiere nicht verschlechtert werden, dann gehe angeblich die Produktion in Österreich zurück, da der Verbrauch aber gleich bleibe oder sogar steige, würde damit die Produktion nur ins Ausland verlagert, wo doch alles viel schlimmer wäre.

putenmast01Zunächst einmal: Wenn wir in Österreich die Haltungsbedingungen an die schlechtesten Niveaus weltweit anpassen, um „wettbewerbsfähig“ zu sein, dann ist es schon egal, ob die Produktion in Österreich oder im Ausland stattfindet. Die Herkunft ist nur insoweit ein Argument, wenn hierzulande die Tierschutzstandards höher sind. Wird das aufgegeben, ist die Herkunft vom Tierschutzstandpunkt aus egal.

Aber die eigentliche Frage ist, ob die Behauptung, in Österreich gehe die Mastgeflügelproduktion zugrunde, überhaupt stimmt. Immerhin gibt es diese Vorschriften für Besatzdichten bereits seit den 1990er Jahren, sie sind schon 2 Jahrzehnte alt! Und jetzt, nach 20 Jahren, fällt ihnen auf, dass sie so nicht profitabel produzieren können?

Also machte ich mir die Mühe und durchforstete die Zahlen der Statistik Austria. Und dabei zeigte sich, dass diese Behauptungen überhaupt nicht wahr sind, zumindest was die neuesten Daten der Statistik Austria betrifft. Hier ein paar Ergebnisse, wobei zu bedenken ist, dass die Statistik Austria nicht jedes Jahr Daten erhebt und auch die Art der Daten variieren können.

 

Masthühner Bruttoeigenerzeugung Schlachtgewicht

2001: 87,3 Mill t
2002: 87,5 Mill t
2009: 99,4 Mill t
2010: 100,5 Mill t
Anstieg 2001-2010: 115%

 

Masthühner Selbstversorgungsgrad

2001: 86%
2002: 90%
2009: 91%
2010: 90%

 

Truthühner Bruttoeigenerzeugung Schlachtgewicht

2001: 20,7 Mill t
2002: 21,9 Mill t
2009: 21,1 Mill t
2010: 24,3 Mill t
Anstieg 2001-2010: 117 %

 

Truthühner Selbstversorgungsgrad

2001: 51%
2002: 53%
2009: 40%
2010: 46%

 

Geflügelschlachtungen

2000: 61,2 Mill Hühner – 2,0 Mill Puten
2001: 61,2 Mill Hühner – 2,1 Mill Puten
2002: 60,5 Mill Hühner – 1,9 Mill Puten
2003: 61,6 Mill Hühner – 1,8 Mill Puten
2007: 66,2 Mill Hühner
2008: 66,0 Mill Hühner
2009: 70,3 Mill Hühner
2010: 72,3 Mill Hühner
2011: 72,6 Mill Hühner
Anstieg 2001-2010: 118%
Anstieg 2000-2011: 119%

 

Das Produktionsvolumen von Geflügelfleisch in Österreich nimmt seit Jahrzehnten laufend zu. Auch der Bedarf nimmt zu, einerseits weil es immer mehr Menschen in Österreich gibt, andererseits, weil die Menschen zwar weniger rotes Fleisch aber mehr angeblich gesünderes weißes Geflügelfleisch essen, https://martinballuch.com/?p=859. So sehr uns das als TierschützerInnen missfallen mag, die Zahlen sagen eindeutig, dass es den Rückgang in der Geflügelindustrie in Österreich gar nicht gibt! Und das, obwohl die Geflügelindustrie bereits 2004 solche Behauptungen verbreitet hat, und dann immer wieder, noch einmal sehr intensiv 2009, und jetzt mit größter Vehemenz 2012/2013 schon wieder. Dabei hat es bisher diesen herbeigeredeten Produktionseinbruch und die Verlagerung ins Ausland nie gegeben. Vom VGT aus habe ich heute dazu eine Presseaussendung geschickt: http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20130320_OTS0086/mastgefluegelproduktion-in-oesterreich-stieg-im-letzten-jahrzehnt-kontinuierlich

Daher bitte ich alle tierfreundlichen Menschen, diese Verschlechterung für die Tiere nicht zuzulassen. Scharfe Proteste könnten an die Qualitäts Geflügel Vereinigung QGV gehen: office@qgv.at

Und eine freundliche Warnung an unseren Gesundheitsminister, dieser Verrücktheit keinesfalls nachzugeben: alois.stoeger@bmg.gv.at

 

3 Gedanken zu “Geflügelindustrielobby-Propaganda, um Intensivierung von Tierfabriken zu erreichen

  1. Es ist seltsam.
    Dieser Protest wirkt wie Pro Tierschutz:

    “Es gab sogar einen Protest von angeblich 1000 jener GeflügelproduzentInnen, die mit €-Zeichen vor Augen den Tierschutz in der Geflügelhaltung begraben wollen, um 4-5 % höhere Profite.”

    Für die Tiere, für jedes einzelne
    Mail
    An: office@qgv.at; alois.stoeger@bmg.gv.at
    Cc: stefan.weber@qgv.at

    Betreff: EU weites TIERWOHL Auflagen für die
    Geflügelmastbetriebe an die Gesundheit der Tiere koppeln

    Guten Tag,

    grausam wie steril die Zahlen wirken, wenn sich dahinter im Einzelnen
    so viel Elend, Verzweiflung, Stress, Angst, erlebtes Leid verbirgt (…)

    Stefan Weber:
    “Unsere Programmmaßnahmen sind auf eine Verbesserung des Tierwohls
    und auf eine inländische Produktion mit Kontrolle ausgerichtet.”

    Meint er (meinen Sie) damit ehrlich, integer VERBESSERUNG DES TIERWOHLES?
    Oder steckt in den `Programmmaßnahmen´ eine
    arge Verschlechterung, Einengung der Tiere auf engsten Raum?

    Der OTS Bericht liest sich (gut) wie eine Forderung nach Verbesserung des Tierwohles:

    “Einheitlich strenge EU-Standards gefordert

    Um das Überleben der österreichischen Hersteller zu sichern,
    fordert die Zentrale Arbeitsgemeinschaft der österreichischen
    Geflügelwirtschaft (ZAG) einheitlich strenge Standards in der
    Europäischen Union. Die ZAG und die österreichische
    Qualitätsgeflügelvereinigung (QGV) treten darüber hinaus dafür ein,
    >> die Auflagen für die Geflügelmastbetriebe an die Gesundheit der Tiere zu koppeln <> an die Gesundheit der Tiere zu koppeln <<
    statt sich auf eindimensionale Faktoren wie die Besatzdichte zu beschränken."

    Eindimensionaler Faktor Besatzdichte, eine treffende Bezeichnung!
    (Gibt es klassische Musik in den Ställen oder wurde diese
    auch in die Eindimensionalität zurückgedrängt? Raum, Licht, Luft)

    Der OTS Bericht klingt wie die Forderung eines gemeinsam verstärkten
    TIERWOHLES mit IQ plus EQ in allen EU-Ländern.
    Der OTS-Bericht klingt nicht wie ein Rückfall in extreme
    Tierquälereien in `modernen´ Zeiten, blind im Nachahmungseffekt,
    `weil es die anderen auch so machen´.

    Als Ziel ein gemeinsamer Ausstieg aus der Eindimensionalität,
    einzig ideenloser Faktor Besatzdichte auf engsten Raum,
    mit wirklicher Erweiterung vieler neuer Möglichkeiten im Raum
    mit IQ plus EQ, darauf könnte Österreich stolz sein! Und sich wohl fühlen.

    Ich wünsche allen (Lebewesen) einen guten Tag.

    Freundliche Grüße

    P.s.: Herr Alois Stöger, finden Sie die Kastenhaltung auch eindimensional, traurig?
    Die Tiere können nichts dafür, dass sie so gewachsen sind und dafür ausgebeutet werden.
    Sollten wir ihnen mit vereinten Kräften Respekt, Licht und Raum geben?

  2. …und der “Konsument” wird wieder einmal für dumm verkauft.
    Manche lassen es gerne zu… aber was ist mit den Fleischkonsumenten, die noch daran glauben, Österreich wäre ein besseres Land auch für das Schlachtvieh?

    Danke für diese Infos. Ich hoffe, die rütteln manche “Glaubegern-Konsumenten” aus der Apathie….

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