24. November 2024

Politische Strategie: Forschung zu Alternativen von Tierversuchen wird finanziell ausgetrocknet

Es gibt da so ein nettes Heftchen des Vereins „Tierschutz macht Schule“ zu Tierversuchen. Darin hupft „Rita 3R“ durch die Seiten und fordert „Her mit den 3R!“. Also refine: verfeinern, reduce: vermindern, replace: ersetzen. Hot Spot: Frag einen Forscher/eine Forscherin an der Universität/einer Pharmafirma/eines Labors: „Wie setzen Sie die 3R um?“. Ob das wohl irgendeine SchülerIn einmal gemacht hat? Also mir antwortet die Rektorin der VetUni Wien auf meine Fragen zu Tierversuchen jedenfalls nicht. Aber für jeden Tierversuch in Österreich muss man doch auf einer Webseite öffentlich dazu Stellung nehmen, auf welche Weise man im Rahmen des Tierversuchs die 3R beachtet hat. Sehr instruktive Antworten findet man da: „Das Projekt wurde im Hinblick auf Verminderung, Verbesserung geprüft; die komplette Vermeidung ist aufgrund der Komplexheit der Erkrankung und Therapie nicht möglich.“ Punkt. Aus. Soviel dazu. Es wurde bzgl. den 3R geprüft. Auf welche Weise, was alles versucht wurde usw. erfahren wir nicht. Da müssen wir uns auf das Ehrenwort der TierexperimentatorInnen verlassen.

Jahrzehnte 3R führen seit dem Jahr 2000 zu einem ständigen Ansteigen der Tierversuchszahlen. Der Grund liegt in der Gentechnik. Sie eröffnet so viele neue Forschungsansätze und Fragen, der Neugier sind keine Grenzen gesetzt. 28,5 % der Versuchstiere in Österreich 2013 waren gentechnisch verändert, 10 % der Tierversuche dienten ausschließlich der Etablierung und dem Erhalt neuer gentechnisch veränderter Tierlinien. Die Gentechnik ist an sich ein Widerspruch zu den 3R, sie verringert nicht Tierversuche, sondern vermehrt sie.

„Replace – das bese R!“, ruft Rita 3R im Unterrichtsheft. 2 Wissenschaftler vom ZET, dem Zentrum für Ersatz- und Ergänzungsmethoden im Tierversuch, dürfen von ihren Forschungen erzählen. Das Ganze hat nur einen Schönheitsfehler: das Heft wurde 2010 geschrieben und kurz darauf trocknete man das Forschungszentrum einfach finanziell aus. Sozusagen noch rasch als Feigenblatt genutzt und dann wurde das Geld umgewidmet. Vielleicht gleich in den Forschungsfonds, der es dann an Tierversuchsprojekte weiterreicht. So gehen diejenigen Personen mit unserem Steuergeld um, die die Verantwortung hätten, es in unserem Namen zu verteilen.

Ganz oben ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts IFES in Österreich im Jahr 2012 zu sehen. Sage und schreibe 89 % der Menschen und SteuerzahlerInnen wollen ein Forschungszentrum für Alternativen zum Tierversuch haben. Und es gab sogar eines, eben ZET. Allein, die Lobbyarbeit der großen Konzerne und einflussreichen Universitäten hat sich wieder durchgesetzt. Alternativenforschung brauchen wir nur für Propagandaschriften, in der Realität interessiert es niemanden der politisch Verantwortlichen, wieviele Tiere wieviel Leid im Tierversuch ausgesetzt werden. Und ich dachte Tierschutz steht als Staatsziel im Verfassungsrang! Das Erschreckende: wir sind es schon so gewohnt, ständig von oben belogen zu werden, dass uns so etwas gar nicht mehr überraschen kann. Wundert sich noch jemand über Politikverdrossenheit und die große Zahl an NichtwählerInnen?

Das ist die Crux in vielen Bereichen im Tierschutz. Nach außen hin legen sich die Mächtigen Propagandalügen wie 3R und Alternativenforschung zurecht, nach innen hin verteilen sie die Gelder – unsere Gelder! – in einer Weise, dass der Status Quo der Tierausbeutung nicht gefährdet werden kann. Praktisch alle WissenschaftlerInnen, die fachlich in Bereichen arbeiten, in denen Tierversuche durchgeführt werden, sind finanziell von Institutionen, z.B. den Universitäten abhängig, die Tierversuche durchführen, und die ganz klare Vorgaben machen, wie man dazu zu stehen hat. Ansonsten setzt es Disziplinarverfahren oder Entlassungen. Ich habe das selbst erlebt, als ich in aller Öffentlichkeit meinen damaligen Arbeitgeber, die Uni Cambridge, wegen seiner Tierversuche kritisierte. Das Rektorat erklärte mir, dass ich mir das in meiner Position nicht leisten könne. Ein Disziplinarverfahren wurde eingeleitet, bis ich schließlich deshalb die Uni verlassen habe. Wo also sind die unabhängigen Fachleute zu Tierversuchsfragen?

Ähnlich bei der Jagd. Jedes einzelne Institut, das sich mit Wildökologie und Jagdfragen wissenschaftlich auseinandersetzt ist vom Geld der Jägerschaft abhängig. Diese WissenschaftlerInnen dort können es sich also gar nicht leisten, jagdkritisch zu sein. Man merkt das spätestens dann, wenn man Fachleute für ein wissenschaftliches Gutachten zu einer jagdkritischen Frage sucht. Alle winken ab, niemand traut sich.

Ähnlich in der Tierfabriksthematik. Wer die Auswirkungen von Haltungsbedingungen von z.B. Schweinen erforschen will, muss Zugang zu Schweinefabriksbetrieben haben, die er/sie nur bekommt, wenn er/sie auch die richtigen Ergebnisse liefert. Betrachtet man die Tierversuche zu Fragen der Nutztierhaltung, so sind nur 2 von 38 Tierversuchsprojekten zu diesem Thema darauf ausgelegt, Alternativen zur intensiven Haltungsform zu entwickeln. Der Rest testet noch weitere Effizienzsteigerungsmöglichkeiten. Klar, woher das Forschungsgeld kommt, mit direktem Auftrag.

Soviel zur Unabhängigkeit der wissenschaftlichen Forschung. Zuerst werden kritische WissenschaftlerInnen mit finanziellem Druck auf Linie gebracht, und dann moniert man, dass doch die Kritik an der Tierausbeutung so unwissenschaftlich und emotional sei! Was für ein doppeltes Spiel! Und das ist auch der Grund, weshalb es der Staat so sehr auf mich abgesehen hatte: ein etablierter Wissenschaftler, der ausschert und seine Expertise in die Kritik am System investiert. Das muss sofort verhindert werden!

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