Bevor ich von dem Film „Black Block“ berichte, der ebenfalls auf der Globale in Berlin zu sehen war, eine Klarstellung: Ich bin für den Rechtsstaat. Ich halte die Übertragung des Gewaltmonopols an eine Institution in der Gesellschaft für eine gute Idee, um individuelle Gewalt hintan zu halten. Die Polizei hat im Prinzip eine sehr wichtige Funktion als Schutz der Menschenrechte. Doch mit der Übertragung des Gewaltmonopols geht eine große Verantwortung einher. Gerade die Polizei muss besonders scharf kontrolliert werden, viel schärfer als normale BürgerInnen, weil die Polizei wesentlich mehr Unheil anrichten kann. Gerade Verbrechen der Polizei müssen besonders streng geahndet werden, weil es sich um einen Vertrauensmissbrauch handelt. Wenn die Schutzmacht ihre Schutzbefohlenen misshandelt, dann sind Sanktionen notwendig. Doch die Praxis ist eine andere. Gerade bei Verbrechen durch die Polizei drückt die Justiz immer ein Auge zu. Gerade die Polizei darf vermummt und anonym auftreten. Gerade Gewalttaten der Polizei gelten in weiten Kreisen von Politik und Justiz als „notwendiges Übel“, das man offenbar weitgehend tolerieren muss. Zahllose Beispiele zeigen, wie gefährlich diese Haltung ist. Ein besonders augenfälliges dafür ist der Überfall der Diaz Schule.
Wer willkürliche, brutalste Polizeigewalt für eine Sache der Vergangenheit hält, wer meint, Opfer von Polizeigewalt müssen schon irgendwie selbst schuld sein, der bzw. die sollte unbedingt den Film „Black Block“ von Fandango sehen. Dieser Film wird ihnen die Augen öffnen. Danach hasst und fürchtet man die Polizei in einem erschreckenden Ausmaß. Alle politisch Aktiven sollten das gesehen haben, um die Exekutive im rechten Licht sehen zu können.
Im Jahr 2001 fanden im Juli Großdemonstrationstage mit 300.000 TeilnehmerInnen gegen den G8-Gipfel in Genua statt. Eine Gruppe von etwa 2500 Personen, die als Black Block bezeichnet wird, begeht dabei Sachschäden. Die Polizei nutzt diesen Umstand, um mit Brachialgewalt gegen die anderen, friedlichen Demonstrationszüge loszugehen. Dabei werden die Menschen so eng zusammengedrängt, dass ihnen die Luft wegbleibt, und dann fliegen Gasgranaten der Polizei in die Menge. Mehrere DemonstrantInnen werden lebensgefährlich verletzt, u.a. weil gepanzerte Polizeifahrzeuge in die Menschengruppen rasen. Ein Demonstrant wird dabei in den Kopf geschossen und 2 Mal von einem Polizeiauto überfahren: Carlo Guiliani.
Viele DemonstrantInnen ziehen sich resigniert zurück. Die Demos sind vorbei. In der Diaz Schule in Genua 2 Tage nach Guilianis Tod sind etwa 150 Menschen aus verschiedenen Ländern untergebracht. Es ist 23 Uhr an einem Sonntag, dem 22. Juli 2001. Manche Menschen schlafen schon, andere putzen ihre Zähne, wiederum andere trinken noch ein Bier. Alles ist ruhig. Plötzlich fährt die Polizei vor. Hundertschaften von maskierten und mit Schlagstöcken bewaffneten BeamtInnen in Kampfanzügen stehen vor der Tür. Dann brechen sie die Eingänge auf und stürmen in die Schule. Ohne ein Wort beginnt eine unfassbare Gewaltorgie. Die Menschen werden in ihren Schlafsäcken halbtot geprügelt, jeder hat gebrochene Knochen, einige fallen ins Koma, der Schulboden schwimmt im Blut. Im Film schildern viele der Betroffenen in schwer zu verkraftenden Worten das Geschehen. Sie müssen weinen, 11 (!) Jahre danach, so schwer wurden sie traumatisiert. Man merkt sofort: niemand davon hat das Erlebte bisher verarbeitet. Vielleicht wird das nie gelingen.
Die schwerstverletzten Menschen werden dann in eine Spezialstation eines Krankenhauses und von dort in die Bolzaneto Kaserne gebracht, wo sie 33 Stunden bleiben müssen. Dort werden sie gefoltert, weiter geschlagen und erniedrigt. Sie müssen faschistische Lieder singen, stundenlang in unangenehmen Positionen stehen und „Mussolini“ brüllen. Es fällt schwer, die Zeitungsartikel zu den Ereignissen, wie jenen im Tagesspiegel, zu lesen, http://www.tagesspiegel.de/politik/international/g-8-gipfel-das-grauen-von-genua/1196574.html. Unterdessen präsentiert die Polizei 2 Molotov-Cocktails, die angeblich in der Diaz Schule gefunden worden seien, als Rechtfertigung für die Polizeigewalt. Dumm nur, dass ein Fernsehteam die Polizei dabei gefilmt hat, wie sie diese beiden Brandsätze selbst in die Schule gebracht hatte. Das Lügengebäude bricht zusammen, wie z.B. hier nachzulesen ist: http://www.taz.de/!98723/.
Der Film lässt niemanden kalt. Wenn die Polizei zu solchen Massenverbrechen in der Lage ist, wie kann man sich noch sicher fühlen? Es gab ein Nachspiel. Einige PolizistInnen wurden zu 2-5 Jahren Gefängnis verurteilt, allerdings das meiste davon bedingt. Die Polizeispitze ging straflos aus – die Anklage gegen sie war verjährt. Die allermeisten SchlägerInnen selbst waren anonym und blieben unbehelligt. Die Opfer erhielten insgesamt € 1 Million Schmerzensgeld – für 150 Menschen! Umgekehrt gab es für DemonstrantInnen, die bei Sachbeschädigungen bei den Demos davor festgenommen worden waren, drakonische Strafen von bis zu 15 Jahren Gefängnis.
Auf der Globale diskutierten Betroffene, die im Film zu sehen waren, danach ihre Erlebnisse. Sie wirkten resigniert, als hätten sie jede Hoffnung auf Gerechtigkeit aufgegeben. Man kanns ihnen nicht verdenken. Wer sich diesen Film angeschaut hat, wird unsere Demokratie danach mit anderen Augen sehen.
Der Trailer zum Film: http://www.youtube.com/watch?v=eaQ-A3b7ViA
Folgende Diplomarbeit untersucht die „Polizei und das Problem Gewalt”, die Cop Culture, den Code of Silence, den Rassismus innerhalb der österreichischen Polizei und lässt einem ein wenig besser verstehen, was da auch in diesem Land so schief läuft:
http://link.subhash.at/?id=151 (PDF, 569 KB)
Wenn man die Gräueltaten des Nazionalsozialismus als deutsches Phänomen abtut, dann macht man es sich gefährlich einfach. Tatsache ist, dass Menschen zu unvorstellbarer Grausamkeit fähig sind. Menschen jeder Herkunft, zu jeder Zeit und unabhängig von ihrem Kulturkreis sind gefährlich. Jeder Mensch muss sich daher meiner Meinung nach die Frage stellen, ob er imstande ist, sich einem solchen massenpsychologischen Phänomen zu widersetzen. Ich meine, dass Mitgefühl und Liebe für alle anderen Tiere schon ein ganz gutes Gegenmittel gegen Grausamkeit und Aggression sind.
Erschütternd!
In dieser Ausprägung hatte ich die Geschehnisse nicht mehr in Erinnerung. Das Schlimme daran: dass die PolizistInnen die bei den Übergriffen unerkannt blieben und somit nicht zur Verantwortung gezogen wurden, danach gleich wieder ungehindert ihren Dienst versehen konnten.
Grauenhaft.
Es wird nicht besser, seit 2001 brutaler und medial durchtriebener, Terrorexperten, die auch im aktuellen Fall Boston die TerrorTruppe GLADIO nicht erwähnen, erscheinen gekauft und leider verlogen wie die korrupte Justiz bei Breyvik. Es darf zum Thema Terror und GLADIO keine echten Diskussionsrunden geben. Kleine Tierfabrikenten, Jäger und Bauern werden ebenso belogen wie alle anderen.
Ich glaube nach wie vor, dass alle Universitäten als vorgebende Weltbild- und Meinungsmacher mitverantwortlich sind für den Lauf der Welt. Denn das Grauen in der Welt beruht auf deren “geistlosen” Kozepte. Wir alle müssen die zweite Hälfte des Ganzen finden.
Der Film:
http://www.filmsforaction.org/watch/black_block_2011/