22. Dezember 2024

Beim Tierschutzprozess steht auch die Pressefreiheit unter Anklage

Spätestens seitdem zwei Selbstanzeigen, die sich wortwörtlich an der Anklage im Strafantrag des Tierschutzprozesses gegen zwei der Beschuldigten orientiert hatten, von den Staatsanwaltschaften Wien und Linz umgehend niedergelegt wurden, stellt sich die Frage, wie fundiert die Anklage in diesem Prozess eigentlich ist. Die MitarbeiterInnen des VGT sind alle nur wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation durch legale Handlungen angeklagt. Bei mir findet sich dabei ein Anklagepunkt, der der Pressefreiheit diametral widerspricht. Mir wird vorgeworfen, einen Zeitungsartikel, der im Jahr 2000 in der Zeitschrift TATblatt erschienen ist, geschrieben zu haben! Dadurch hätte ich eine kriminelle Organisation unterstützt und wäre deren Mitglied geworden.

Wörtlich findet sich im Strafantrag folgende Anklageformulierung: „Es hat sich [bei einer kriminellen Organisation] als Mitglied beteiligt, auf andere, die Ziele der Organisation fördernde Weise und zwar DDr. Martin Balluch zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt zwischen 1999 und 2000 an einem unbekannten Ort durch Verfassen des am 25. 5. 2000 in der Zeitschrift „TATblatt“, Schwerpunktnummer +14 0/141/142/14 3 „Tier?Rechte“, veröffentlichten polemisierenden Artikels „Die Geschichte der ALF“ unter dem Pseudonym „E. Brandstätter“ zwecks Erlangung von Sympathie in der Öffentlichkeit für das darin geschilderte Vorgehen“

Ich habe seit über 10 Jahren einen Presseausweis und bin Journalist. Neben Zeitschriften aus dem Tierschutz werde ich auch immer wieder von anderer Seite eingeladen, Artikel in Zeitungen und Wochenmagazinen zu verfassen. Abgesehen davon, dass der im Strafantrag genannte Artikel nicht von mir stammt, sondern ich nur Inhalte dazu beigetragen habe, ist dieser Anklagepunkt frontal gegen die Pressefreiheit gerichtet. Er beweist: man kann in Österreich für das Schreiben eines faktisch-objektiven Artikels, ohne ein einziges Werturteil darin, nur aufgrund des gewählten Themas, wegen Unterstützung einer kriminellen Organisation angeklagt werden! Dieses Faktum ist bisher in der öffentlichen Berichterstattung untergegangen. Der Umstand, dass eine solche Anklage auf Weisung der Justizministerin eingebracht worden ist, muss als ernste Bedrohung der Pressefreiheit gesehen werden. Das TATblatt war immerhin zu dieser Zeit eine überall erhältliche und sogar vom Innenminister finanziell geförderte Zeitung!

Der angesprochene TATblattartikel findet sich hier:
http://www.nadir.org/nadir/periodika/tatblatt/140alf-geschichte.htm

6 Gedanken zu “Beim Tierschutzprozess steht auch die Pressefreiheit unter Anklage

  1. Ganz so neutral ist der Artikel aus meiner Sicht nicht. Muss er auch nicht. Wenn man nie seine Meinung äußern dürfte, gewisse Tatbestände aus dem Strafgesetzbuch seien zu streng, dann könnte nie eine Diskussion in der Öffentlichkeit darüber stattfinden, ob man die Tatbestände entschärft oder entfernt,.. Ohne die öffentliche Diskussion würde das StGB immer schärfer oder “bestenfalls” immer gleich bleiben.

    Ich verstehe den Artikel so, dass der Autor neutral bis positiv über Personen schreibt, die Sachbeschädigungen als Gegenmaßnahme zur Tierquälerei für gerechtfertigt halten. Ich persönlich finde, dass Sachbeschädigung Gewalt ist und die ist mir zuwider. Nur muss es in einer Demokratie erlaubt sein, für eine Nothilfe für gequälte Tiere einzutreten, ohne dafür einer kriminellen Organisation zugeordnet zu werden. Um einen angegriffenen Menschen aus seiner akuten Notlage zu helfen, darf man den Angreifer sogar mit Gewalt von seiner Straftat abhalten. Eine Diskussion, ob ein Einschreiten auch bei illegal gequälten Tieren erlaubt sein soll, muss in Österreich wohl straffrei möglich sein. Sonst können wir die Demokratie gleich begraben… Pervers genug, dass es “legalisierte” Tierquälerei gibt.

  2. ui! ich habe das TATblatt im abo bezogen. und ich habe demoberichte geschrieben, die auch mal im TATblatt veröffentlicht wurden! was bin ich für ein garstiger! mir war noch gar nicht klar, daß ich schon mit einem mafiafuß im kriminal bin…

    ich schäme mich

  3. ja, sorry, ich habe den link übersehen.
    jetzt habe ich den artikel gelesen und stelle fest: das ist ein völlig sachlicher bericht, ohne wertungen. gelegentlich ist aus den formulierungen sympathie des berichterstatters für die tierrechtler wahrnehmbar. die habe ich auch. alleine die paar im artikel genauer bezeichneten schandtaten gegen tiere (z.b. die zugenähten augen eines äffchens, die zigarettenrauch ausgesetzten meerschweinchen) wecken verständnis für menschen, die, um das so schnell wie möglich abzustellen, zum mittel der sachbeschädigung greifen. aber: gewalt erzeugt gewalt erzeugt gewalt …….
    (damit ich nicht mißverstanden werde: am anfang steht die gewalt gegen tiere)

  4. liebe regina, ich bin mir jetzt nicht ganz sicher, ob du den link am ende des blogeintrags gefunden hast oder nicht. jedenfalls steht er dort! 🙂

    was das “deutsch” dieser anklageschrift betrifft, so ist neben dem ganzen prozess auch dieser strafantrag ein paradebeispiel von absurdität. der ERSTE satz des strafantrags geht sage und schreibe von seite 1 bis seite 41, alles vollgeschriebene A4-Seiten. obiges zitat ist ein teil dieses satzes. der zweite satz reicht von seite 41 bis seite 45.
    ich weiss nicht genau warum der staatsanwalt den gesamten vorwurf der anklage in einen einzigen satz packt und die gesamte anklage selbst in einen einzigen weiteren. vielleicht wollte er die anklage so unleserlich wie möglich formulieren, damit niemand merkt wie absurd sie ist.

  5. lieber martin balluch, abgesehen davon, daß ich obige anklageformulierung 3x gelesen habe und entweder ist das kein korrektes deutsch oder es ist in einer sprache, die ich nicht verstehe: gibt es vielleicht einen einblick in diesen gefährlichen artikel oder einen link dazu?

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