Die Haltung von Mastrindern auf Vollspaltenboden zu kritisieren ist das eine, mögliche Alternativen zu finden das andere. Deshalb ist es für mich umso erfreulicher, wenn mich Mastrinderbetriebe ohne diesen Boden einladen, um mir ihre Haltungsform zu zeigen. Diesmal war ich bei einer Bio-Freiland Mutterkuhhaltung in OÖ.
Der Betrieb ist recht klein, das Landwirtepaar bereits in Pension. Dennoch wollen sie, wie sie sagen, die großen Weiden nicht unbewirtschaftet lassen. Sonst hätte er keine Berechtigung hier zu wohnen, meinte der Bauer. Auf dem Betrieb leben nur etwa 2 Dutzend Rinder. Darunter einige Ochsen und erwachsene Kühe. Letztere bekommen jedes Jahr durch künstliche Befruchtung ein Kind. Dieses darf am Betrieb mit der Mutter aufwachsen und ihre Muttermilch trinken.
Den Rindern steht ein Laufstall mit Stroheinstreu zur Verfügung, der sehr gut belüftet ist. Zusätzlich gibts einen Auslauf ins Freie mit Betonboden, der den Tieren das ganze Jahr über zur Verfügung steht. Und den Großteil des Jahres können sie auf eine der vielen Weiden gehen, die zu dem Betrieb gehören.
Auch in diesem Betrieb wird nicht nur Gras und Heu verfüttert, sondern ebenso Getreide von etwa 2 kg pro Kuh und Tag. Das sei so etwas wie ein Leckerli für die Tiere, meinte der Bauer. Die Weiden sind riesengroß und sehr schön von Wald umgeben. In der Ferne sieht man die Berge.
Nach 2, 3 oder manchmal auch mehr Jahren ist es dann soweit. Der Schlachthoftransport steht an. Nachdenklich erzählt mir der Bauer davon, und dass es ihm dann schon schwer ums Herz wird. Kein Wunder, wenn man die Tiere über so viele Jahre jeden Tag sieht, ihre Persönlichkeit und ihren Charakter kennenlernt. Das geht mit einer besseren Haltung einher, dass man sich mit den Tieren anfreundet. In einem Vollspaltenbodenstall mit extrem wenig Platz und ohne direkten Kontakt bleibt alles unpersönlich. Der Abtransport zum Schlachthof ist dann nicht von bangen Gefühlen begleitet.
Dieser Aspekt der besseren Tierhaltung spielt aber auch bei den Konsument:innen eine Rolle. Wenn jemand so viel Mitgefühl aufbringt, dass er oder sie den Tieren ein möglichst gutes Leben vor dem Tod garantiert sehen will, und auch bereit ist, dafür deutlich mehr zu bezahlen, dann ist der Schritt zur pflanzlichen Alternative auch nicht groß. Niemand mit Mitgefühl will eigentlich, dass Tiere getötet werden.
Kann das ein unterschätztes Problem in der Diskussion um mehr Tierwohl in der Nutztierhaltung sein? Diejenigen, ob sie Tierhalter:innen oder Konsument:innen sind, die so viel Mitgefühl mit den Tieren haben, dass sie auch einen gewissen Aufwand in Kauf nehmen, um den Rindern Lebensqualität zu bieten, steigen genau deshalb eher aus, sowohl aus der Tierhaltung als auch aus dem Tierkonsum. Unter Umständen bleibt deshalb der Handel mit echten Tierwohlprodukten eine überschaubare Nische. Ein Dilemma, das sich vermutlich nicht leicht auflösen lässt.