5. November 2024

Bioreaktoren und In-vitro Fleisch aus dem Reagenzglas

Warum essen wir nicht einfach Obst und Gemüse, wenn wir uns für die rein pflanzliche Ernährung entscheiden? Wozu überhaupt Fleischalternativen? Einerseits ist da unsere Sozialisation, wir sind gewisse Arten von Mahlzeiten gewohnt und es gibt keinen Grund, mit dieser Gewohnheit zu brechen. Andererseits haben Fleischalternativen auch einen praktischen Vorteil: sie sind sehr energiedicht, Kalorien- und Proteinbomben, sodass man nicht sehr viel davon zu essen braucht, um satt zu werden. Würde ich nur Obst und Gemüse essen, dann müsste ich ein viel größeres Volumen an Nahrungsmitteln zu mir nehmen, und viel mehr Zeit mit Essen verbringen.

Na gut, so begründen sich Alternativen zu Fleisch, Milchprodukten, Käse und Eiern aus Soja, Gluten, Lupinien oder Nüssen etc. Aber seit geraumer Zeit gibt es Bemühungen, echtes Muskelfleisch auf ethisch verträgliche Weise zu produzieren, in-vitro im Reagenzglas. Dazu werden Muskelzellen unter Stress gesetzt und in einer Nährlösung zur Vermehrung angeregt, bis sie so groß wie ein Steak werden und genauso gegessen werden können. Schon beim Tierrechtskongress 2004 hatten wir einen Wissenschaftler in Wien, Vladimir Mironov, der in seinem Labor an der Uni in South Carolina, USA, an dieser Technologie arbeitet. Auch bei der Veggie World Messe in Wiesbaden 2012 gab es dazu einen Vortrag von einem Forscher, Mark Post, aus Eindhoven in Holland. Doch bis heute scheint es keine ausreichend konkreten Ergebnisse zu geben, um dieser Technologie für absehbare Zeit eine Rolle in der Ernährung einzuräumen. In einem Video im Internet wird allerdings vorgeführt, wie ein derartiges in-vitro Fleisch erstmals gebraten und gegessen wird:
http://blog.tedmed.com/?tag=in-vitro-meat

Brauchen wir „echtes“ Muskelfleisch, wenn es doch schon so gute Alternativen zu Tierprodukten auf rein pflanzlicher Basis gibt? Also ich brauche sie nicht, wenn ich mich auch nicht dagegen wehren würde. Aber spätestens bei der Lektüre von Jonathan Safran Foers Buch „Tiere essen“, oder beim ernsthaften Gespräch mit einer Person, der das Fleischessen wirklich viel bedeutet, merkt man, dass die Sache so einfach nicht ist. Für mich war der Umstieg zum Veganismus sehr leicht und mir ging tatsächlich nie etwas ab, obwohl ich anfangs z.B. mein Müsli nur noch mit Wasser essen konnte, weil weder Soja- noch Nussmilch erhältlich waren. Doch für viele Menschen ist Fleischessen ein ganz zentraler Lebensinhalt und von ungeheuerlicher Bedeutung, warum auch immer. Dabei scheint es weniger um den Geschmack zu gehen, als um die soziokulturelle Komponente. Aber ob in-vitro Fleisch diese Ansprüche befriedigen kann bleibt dahingestellt. Jedenfalls scheinen die betreffenden Menschen kein Problem damit zu haben, wenn ihr Fleisch aus völlig unnatürlichen industriellen Tierfabriken stammt. Warum also nicht gleich aus dem Reagenzglas?

Eine Idee von Nahrung aus dem Reagenzglas wird ebenfalls seit einiger Zeit diskutiert: die Zersetzung von Zellulose aus Bioreaktoren, ähnlich wie in den Mägen von Rindern, Schafen oder Ziegen, zur Gewinnung von für den Menschen verwertbare Nahrung. Auch dazu gab es einen Vortrag auf der Veggie World Messe in Wiesbaden, von Peter Arras von der Aktion Konsequenter Tierschutz. Bei seinem Auftritt sprach er davon, dass SponsorInnen für ein entsprechendes Forschungsprojekt gesucht würden, wobei es offenbar keine konkrete Forschung bisher zu diesem Thema gibt. Nach Arras‘ Vorstellung wird zuerst Zellulose z.B. in Form von Gras von der Wiese geerntet und in einen Biofermenter eingebracht. Dort würden Mikroben die Zellulose zersetzen, sodass dabei folgende Produkte entstehen:

1)      Mineraldünger für die Wiesen, von denen die Zellulose stammt,
2)      Nährstoffe wie Proteine, Kohlehydrate, Fette und Öle (je nach Mikrobenart) für den Menschen,
3)      Methan für Biogasanlagen sowie
4)      CO2 und weitere Endprodukte für einen Phytoreaktor. In diesem wandeln Algen dieses CO2 und die Endprodukte in Sauerstoff und weitere Nährstoffe für den Menschen um.

Der ganze Prozess sei energieeffizienter als jede sonstige Nahrungsmittelproduktion. Naja, ob das auch wirklich funktioniert steht in den Sternen. Und wie würde es schmecken? Ließe sich so etwas überhaupt unter die Menschen bringen oder wäre das eine zu künstliche Produktion von Nahrungsmitteln? Mir klingt noch die Aufregung um „künstlichen Käse“ im Ohr, bei dem es sich eigentlich um normalen veganen Käse gehandelt hat. Die große Mehrheit der Menschen lässt sich aber scheints durch künstliche Industrieproduktion nicht vom billigen Essen abhalten, wie man an den Tierprodukten aus Tierfabriken sehen kann. Oder gelingt es der Industrie nur, die tatsächliche Produktionsweise so gut zu vertuschen, dass die KonsumentInnen das Ganze für Naturprodukte halten?

11 Gedanken zu “Bioreaktoren und In-vitro Fleisch aus dem Reagenzglas

  1. Schön! “Vegetarians will be able to enjoy meat too”. Enjoy? Na ich weiß nicht! Der Mensch tut echt alles, nur um Fleisch zu konsumieren. Bevor man sich hinsetzt, und mal nachdenkt, was man da eigentlich tut bzw. isst und ob das notwendig ist, stellt man lieber Laborfleisch her. Na gut, für den Planet und die Tiere macht es immerhin einen gravierenden Unterschied – falls sich diese Idee durchsetzt! Persönliches Fazit: Ich finde den ganzen Fleisch-Hype nur mehr verstörend!

  2. Hach, dann kenne ich im Vergleich zu Euch beiden wohl entweder die falschen Männer oder die richtigen Frauen … und Martin, ich vermute, der Wagemut von Männern oder Frauen im Gebirge ist vielleicht ein Gebiet, wo Du eh weniger Frauen triffst – und in meiner bescheidenen Erfahrung mal die Experimentierfreude eines (natürlich männlichen) Begleiters auf einem endlosen steilen Geröllfeld am Karwendel endete, das mir angesichts mangelhafter Ausrüstung in der Erinnerung noch lange wenig wohlig Schauer bescherte hat. Fazit: neue Wege wagen ist nicht immer klug … wenn auch lustig.

    Was die Haltung zu Tieren angeht, so glaube ich schon, dass Mädchen und Frauen sich da eher erlauben, aus Mitgefühl mit dem Tier umzudenken und eben nicht “normal” zu essen. Martins jugendliche Bedenken, als lascher Veganer zu erscheinen, sind doch nur ein weiterer Beweis – dem Image eines toughen Jungen schadet Veganismus, dem eines Mädchens normalerweise weniger. Und soweit ich weiss, sind Vegetarier im Durchschnitt eher weiblich als männlich, eher mehr als weniger gebildet … hm, ja.

    Zum in-Vitro-Fleisch fand ich eben zufällig im gedruckten Economist (!) einen Artikel:

    “Muscle grown in factories could soon be appearing in a supermarket near you” (klingt fast wie die Werbung für einen Zombiefilm!) – online auf:

    http://www.economist.com/node/21548147

  3. Bis dato hab ich mich noch nicht wirklich damit beschäftigt, ob Männer und Frauen einen jeweils anderen Zugang zum Essen haben. Aber wenn ich so darüber nachdenke, der erste Veganer, den ich kennengelernt habe, war mein Ex-Freund. Dafür hatte ich auf der anderen Seite eine ehemals beste Freundin, die mich ständig mit dem Nicht-Fleisch-Essen aufgezogen hat. Also ich könnte das jetzt nicht so unterschreiben, dass Frauen eher Verständnis haben und Mitleid mit den Tieren und Männer nicht. Durchaus auch vorstellbar, dass manche Männer mit dem Argument „Ein richtiger Mann braucht Fleisch“ kommen, aber ob das so die gängige Motivation fürs Tier essen ist, ich weiß nicht. Vielleicht sind Frauen eher dazu erzogen, auf sich zu schauen bzw. auf ihre Ernährung zu achten (Ernährung und Schönheit sind ja ohnedies zwei Themen, die medial gerne gekoppelt werden) und tendieren daher eher zur fleischfreien Kost. Dass Frauen mehr Mitgefühl gegenüber Tieren zeigen und sie deshalb nicht essen, kann ich so auch nicht bestätigen. Ich kenne schon einige Frauen, die total entzückt von kleinen Kätzchen und Hündchen sind, aber wenn es dann um den Schinken am Teller geht, sind sie total pragmatisch. Da scheint dann das Mitleid mit Tieren zu enden bzw. können sie keine Verbindung mehr herstellen zwischen Tier und Schinken. Auf der anderen Seite kenne ich durchaus ein paar Männer, die Fleischverzicht total gut und wichtig finden. Ich tu mir einfach schwer, hier eine Tendenz festzustellen.
    Ich habe zwar keine Beweise, aber ich denke, ob einem Veränderungen schwer fallen, oder nicht, hängt vom Individuum ab. Das gilt auch für die Tatsache „unangepasst“ zu sein oder eben nicht. Der Mensch ist oftmals bequem aber auch ängstlich, wenn es um Neues geht, ich würde das nicht am Geschlecht festmachen.
    Ad in-vitro Fleisch: Ich könnte mir vorstellen, dass das Aufatmen beim Publikum, wenn man In-vitro-Fleisch okay findet, daher rührt, dass man ihnen gestattet, ein Stück ihrer Realität behalten zu dürfen. „Wenigstens ist Fleisch prinzipiell okay! Es muss halt „nur“ ethisch vertretbar sein! Folgedessen kann es ja nicht so falsch sein Fleisch zu essen.“ Fleisch hat der Mensch doch immer schon gegessen und jetzt kommt da jemand, der uns erzählt, es sei falsch. Natürlich kommt das nicht gut an –das erlebt man ja ständig – weil sich die meisten Menschen einfach in ihren Grundfesten in Frage gestellt und angegriffen fühlen, auch wenn es gar nicht so gemeint ist. Ob sie das In-vitro-Fleisch dann tatsächlich essen würden, weiß ich nicht, mit der Gentechnik hat man ja gemeinhin auch keine rechte Freude.

  4. @julia:
    Wie ich als junger Mann mit 18 mit dem Gedanken spielte, Vegetarier zu werden, hatte ich nur ein einziges Problem. Es war mir damals wichtig, kräftig und sportlich zu sein und meine Informationen zu Vegetarismus legten nahe, dass das ohne Fleisch nicht geht. Ich finde es gut, wenn jemand kräftig und sportlich sein will. Ich hatte nur leider falsche Informationen, die vermutlich nicht auf der Ideologie von Geschlechterrollen basieren. Vegetarismus wird mit dünn und unsportlich assoziiert und das entspricht der Geschlechterrolle von Frauen mehr als von Männern.

    Ich glaube nicht, dass Männer eher angepasst leben als Frauen und weniger experimentierfreudig sind. Ich z.B. suche sehr begeistert neue Wege im Hochschwab-Gebirge, ich vermeide markierte Wege, auf denen alle gehen. Der Alpenvereinsführer zum Hochschwab gibt viele unmarkierte Aufstiegsmöglichkeiten an – praktisch alle von Männern erstbegangen. Und auf meinen wilden Touren treffe ich, wenn überhaupt wen, auch in erster Linie nur Männer. Ich kann auch eher Männer zu wilden Touren abseits üblicher Trampelpfade begeistern, Frauen finden das tendenziell zu mühsam.

  5. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es unterschiedlich aufgenommen wird, ob man grundsätzlich gegen jedes Fleisch ist, oder ob man sagt, gegen ein ethisch vertretbar produziertes in-vitro fleisch habe ich nichts. Als absoluter Fleischgegner wirkt man offenbar irgendwie verschlossener, fanatischer, sektiererischer. Das Aufatmen in der Zuhörerschaft bei einem Vortrag, wenn man (wenigstens) in-vitro Fleisch ok findet, ist richtig spürbar. Das zeigt für mich, dass schon zwischen “echtem” Fleisch aus Muskelzellen und Fleischalternativen aus z.B. Bohnen oder Weizen unterschieden wird.

  6. Hi Andrea, ich vermute schon (allerdings handelt es wirklich nur um Vermutungen!), dass es was mit diesen Geschlechterkategorien zu tun hat – VeganerInnen sind mehrheitlich weiblich, viele Feministinnen angeblich auch vegan (zumindest hier), während das Statement, Fleisch zu “brauchen” typischerweise von Männern zu hören ist. Empathie und Fleischverzicht als Teil des compassionate living ist mehrheitlich weiblich, weil Frauen eher dazu erzogen werden, Mitgefühl zuzulassen und sogar ihre Handlungen dadurch bestimmen zu lassen, was für Männer traditionell eher fremd ist und als unangemessen empfunden wird. Zudem – und dies zeigt sich auch in anderen Lebensbereichen und ist in Studien zu unterschiedlichen Themen immer wieder deutlich geworden – sind Frauen experimentierfreudiger, eher dazu bereit, umzudenken und nicht nur sich, sondern auch ihre Umwelt in Frage zu stellen, was auch dazu passt, dass eher Mädchen als Jungs, eher Frauen als Männer wagen, “unangepasst” zu leben und zu essen und mutig auf Fleisch etc. zu verzichten, auch wenn sie dadurch in den Augen der anderen nicht “normal” erscheinen – etwas, das meinem Dafürhalten nach eher Männer als Frauen erschreckt. Oder? Was meinst Du? Ich bin gespannt!

    (Was Kosmetik und Kleidung anbetrifft, so ist es zwar sicher so, dass Frauen von beidem mehr kaufen als ihre Männer – ich zumindest – aber auch tierfreundlichen Alternativen für Frauen in entsprechend größerer Fülle angeboten werden als für Mäner, und auch hier sind Frauen vermutlich eher bereit als Männer, auf Gewohntes zu verzichten und tierfreundliche Alternativen zu probieren – und soweit ich weiss, ist das Angebot tierfreundlicher Kleidung, Schhe und Kosmetik für Frauen weit besser als das für Männer, mindestens ähnlich wie bei unveganem Kram. )

    Diese ganze emotionale Schiene aber, die Männer und Frauen einander wirklich vollkommen unverständlich werden kann, trifft es vor allem beim Essen, eben von Fleisch oder nicht – Essen ist irgendwie viel archaischer, uns näher und darum auch irrationaler noch als Anziehen und Schminken. Darum vermute ich, dass Männer eher noch Tierversuche, Pelz oder Leder verurteilen würden als das Essen von Tieren. Eben …

  7. ad Julia: Interessant, dass du das Männlichkeitsprinzip hier anführst. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das im Falle der Jagd zutrifft. Mutige Männer bekämpfen die böse – durch Fasanerien verursachte – Überpopulation. Frage: Gibt es eigentlich (viele) Jägerinnen?
    Aber ob das beim Fleischkonsum bzw. beim Konsum von Tierprodukten zutrifft…ich weiß nicht. Ist das wirklich eine Geschlechterfrage? Frauen essen doch auch Eier, Milch und Fleisch, kaufen Lederschuhe und Pelzmäntel und tragen haufenweise Make up. Oder meinst du einfach das Prinzip, dass der Mensch sich über eine ihm (scheinbar) unterlegene Spezies stellt und dass dieses Prinzip ein männliches sei bzw. der Männlichkeit zugeschrieben wird?

  8. Auch wenn In-Vitro-Fleisch vom Fleisch getöteter Tiere nicht mehr zu unterscheiden sein wird, vermute ich, dass dies das Verlangen der Fleischesser nach “echtem” Fleisch nicht geringer werden läßt. Es gibt doch auch so schon viele Gerichte, die nach Tierfleisch schmecken, Chili con Tofu, “Lamm”-Biryani mit Sojawürfel oder vegane Burger.
    Die Überzeugung, Tierfleisch zu mögen oder gar zu brauchen, hat weder rationale noch sensorische Gründe.
    Es liegt zum einen in der Gewohnheit, wie Andrea schreibt – man will ja nichts “Abnormales” oder “Künstliches” essen (und verdrängt, wie abnormal und künstlich die Produktion eines Schweineschnitzels ist), und braucht vor allem dieses archaische Gefühl, etwas zu essen, das lebendig war und vom Leben zum Tod gebracht wurde.
    Das ist ebenso archaisch und irrational wie die Jagd. Es hat oft was mit Männlichkeitsgetue zu tun, und noch öfter vermutlich mit der Kompensation von Minderwertigkeitskomplexen – ein Mensch/”Mann” isst das Fleisch der von ihm besiegten, ihm unterlegenen Tiere.
    Das zeigt seine Kraft und markiert den Sieg über die, die er sich einverleibt. Umso wichtiger, als es sonst offenbar kein Gebiet mehr gibt, auf dem mancher moderne Mensch seine Männlichkeit und Sieghaftigkeit unter Beweis stellen kann als vorm Supermarktregal oder auf dem Gaspedal.
    Und das klappt eben nicht mit In-Vitro-Fleisch oder Veggiewürstchen.

  9. Ich habe mir selbst schon sehr oft die Frage gestellt, warum es manchen Menschen so wichtig ist, Fleisch zu konsumieren und ich befürchte die Antwort ist sehr komplex. Die soziokulturelle Komponente ist sicherlich ein Aspekt: Wir sind so erzogen. Man isst (gewisse) Tiere. Das ist ganz normal, das war doch immer schon so. Dass Fleisch lange Zeit ein Luxusprodukt und nicht in diesen Mengen wie heute vorhanden war, haben viele vergessen oder nie gewusst. Daher stellen sie sich auch nicht die Frage, wo und wie diese Tiere leben und sterben, die auf unserem Teller landen. Und vor allem: Wie viele Tiere dafür eigentlich ums Leben kommen.
    Ein anderer Aspekt des Fleischkonsums ist sicherlich die persönliche Identifikation mit einer Idee bzw. Ideologie. Seit Vegetarismus bzw. Veganismus gesellschaftstauglich geworden ist, gibt es die Möglichkeit sich dagegen abzugrenzen. Da sind dann die Vegetarier/Veganer und die anderen. Da ist also die Frage wie ich mich selbst sehe und wie ich sein will. Manche sagen, Tiere zu essen sei total okay, weil wir ja nicht sie sind, wir sind ganz anders. Man will sich nicht mit ihnen auf eine Stufe stellen. Ich frage mich warum nicht. Sind wir so anders? Sind „sie“ so anders? Sind wir besser und sie schlechter? Meiner Meinung nach liegt hier das Problem darin, dass sich der Mensch von sich selbst „entfremdet“ hat (Die Aufklärung hat hier sicherlich gravierend dazu beigetragen.). Plötzlich war da die Natur (Tiere, Insekten, Pflanzen) und wir. Tiere handeln aus Instinkt, Menschen aus der Vernunft heraus. Darüber haben wir aber völlig vergessen, dass auch wir Trieb gesteuert sind, wir haben im Unterschied zu den Tieren lediglich die Möglichkeit darüber zu reflektieren. Wenn wir es wollen. Diese Fähigkeit beschert uns allerdings auch eine große Verantwortung, der wir momentan nicht gerecht werden. Durch diese Abgrenzung von der Natur haben wir jegliche Verbindung verloren, zu den Tieren und zu uns selbst und nur dadurch sind wir in der Lage das zu tun, was wir tun: Sie zu essen. Dr. Melanie Joy erklärt dieses Phänomen ganz wunderbar und sagt über sich selbst sehr treffend: „As I stopped eating animals, I got the connection“. Sie meint damit, sie erlangte die Verbindung zurück, die zwischen Mensch und Tier besteht, weil uns zumindest eine Sache gleich ist: Der Wunsch zu leben.
    Eine weitere Komponente – und das ist leider der große Vorteil, den die Tierindustrie ausnützt – ist Angst. Menschen haben ja prinzipiell vor allem Angst, vor allem vor Veränderung. Sie haben Angst etwas aufzugeben, nämlich ihren Genuss und die Art und Weise wie sie die Welt bislang gesehen haben. Natürlich versucht die Tierindustrie die grausamen Bilder und Fakten unter den Teppich zu kehren, aber das wird ihr auch nicht sehr schwer gemacht. Die Menschen haben Angst hinzuschauen. Das kann ich durchaus nachfühlen, denn es erforder schon Mut und Stärke sich der bitteren Realität zu stellen und sich bewusst zu machen, dass hier etwas deutlich schief läuft. Dennoch denke ich, wir haben die Pflicht hinzuschauen, denn nur so kann man eine überlegte Wahl treffen: Fleisch, ja oder nein? Die Industrie tut natürlich alles, um den Konsumenten eine heile Welt vorzugaukeln. Daher die „glücklichen“ Hühner, die auf Eierkartons abgebildet sind oder das Ja-Natürlich-Ferkel im Fernsehen.
    Die Vermarktung des In-vitro-Fleisches wir, denke ich schwierig werden. Da man hier wieder das Phänomen einer Veränderung hat, vor der ja bekanntlich der Großteil Angst hat. Außerdem kommt dann das Essen aus einem Labor, und das will niemand. Dann schon lieber ein Bio-Kalb, das vor seinem Ableben lustig auf der Almwiese herumtollen konnte…oder doch nicht?

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