19. März 2024

Zu Jonathan Safran Foers Buch „Tiere Essen“

 

Es gibt wirklich sehr viele Bücher zum Thema Vegetarismus, Veganismus und Nutztierhaltung. Ein neues österreichisches Buch, „Mitleid unangebracht“ von Daniela Friedl, habe ich z.B. gerade gelesen. Thematisiert werden die persönliche Entwicklung zum Vegetarismus bzw. Veganismus und die Situation der Nutztiere, die dafür getötet oder eben benutzt werden. Doch Foers Buch sticht insofern heraus, weil es nicht nur sehr bekannt wurde und weltweit Verbreitung fand, sondern auch, weil verschiedene Personen, die Tierschutz und Vegetarismus überhaupt nicht positiv gegenüber stehen, es all jenen, die sich für Vegetarismus politisch engagieren, als Gegenbeispiel, wie man Vegetarismus thematisieren sollte, entgegen halten. Daraus könnte man ja fast ableiten, dass dieses Buch wohl nicht wirklich für Vegetarismus plädieren werde. Grund genug, es einmal zu lesen.

Tja, nachdem ich also dieses Buch durchgearbeitet habe, kann ich wirklich nicht sagen, was daran so besonders sein soll. Es beginnt mit einer sehr persönlichen Einleitung, in der sich die LeserInnen, insbesondere wenn sie omnivor leben, mit dem Autor identifizieren können. Über viele Jahre erkannte er offenbar zwar die Argumente für Vegetarismus und gegen Tiermissbrauch, konnte sich aber nicht entschließen, danach zu handeln. Erst durch die Geburt seines Kindes wurde das anders. Diese Einleitung wirkt sehr ehrlich, nachvollziehbar und sympathisch, der Autor moralisiert nicht nur nicht, er solidarisiert sich förmlich mit jenen Menschen, die ebenfalls den Schritt zur rein pflanzlichen Ernährung nicht durchziehen wollen oder können.

Doch das wird dann sehr bald anders in diesem Buch. Nach der Einleitung beginnt Foer die LeserInnen mit zahlreichen Fakten zur Tierausbeutung zu bombardieren, und zwar in einem objektiv distanzierten Stil. Vorbei ist es mit dem Verständnis für Tierprodukte, mit der Wankelmütigkeit im eigenen Handeln und mit der Relativierung. In dieser – längsten – Phase des Buches bleibt kein Argument ungenannt, allerdings in einer völlig vergleichbaren Weise mit sehr vielen anderen Büchern zu dem Thema, z.B. nicht unähnlich der Fleischbroschüre beim VGT: https://vgt.at/publikationen/infomaterial/Fleischbroschuere.pdf. Dass soetwas ein Bestseller wird, überrascht dann doch, wenn auch positiv.

Doch Foers Wortwahl bleibt erkennbar nicht-tierrechtlerisch. Er macht wiederholt deutlich, dass er das Leid nichtmenschlicher Tiere nicht mit dem von Menschen vergleichen will, er passt sich dem Jargon in der Tierrechtsbewegung mit deren antispeziesistischer Wortwahl nicht an. Zusätzlich gibt er der soziokulturellen Dimension von Fleischkonsum viel Raum, für ihn hat Fleisch zu essen eine sehr große gesellschaftliche Bedeutung und daraus leitet er auch ein Verständnis für das große Bedürfnis nach einer omnivoren Ernährungsweise ab. Vielleicht bietet das die Nische, in der sich jene oben zitierten TierschutzgegnerInnen so wohl fühlen, die Foers Buch als Vorbild ansprechen.

Foer lässt auch ProduzentInnen von Freilandfleisch selbst zu Wort kommen. Seine schärfsten Argumente bzgl. Fleischkonsum richten sich zweifellos gegen die Massen- und Intensivtierhaltung. Aber trotzdem lässt er zuletzt keinen Zweifel daran, dass er auch Freilandfleisch weder selbst essen noch seinen Kindern geben würde. Am Schluss findet sich ein deutliches Plädoyer dafür, nicht nur selbst derartiges Fleisch nicht mehr zu essen, sondern sich auch dafür stark zu machen, dass andere damit aufhören es zu konsumieren, dass die gesamte Gesellschaft umdenkt. Vielleicht moralisiert er nicht in dem Sinn, dass er omnivor lebende Personen verteufelt, aber er argumentiert in aller Schärfe gegen deren Lebensstil und sagt deutlich, dass der Fleischkonsum ethisch falsch und nicht vertretbar ist.

Auch nach Lektüre des Buches ist mir also nicht wirklich klar, was dieses Buch gegenüber all den anderen Büchern zum gleichen Thema auszeichnen soll. Es ist zweifellos lesenswert, wenn auch sehr viele Informationen USA-spezifisch sind. So bedeutet die Freilandhaltung von Legehennen in Österreich ganz etwas anderes als jene in den USA, in Österreich ist die Situation unvergleichlich viel besser. Aber es bleibt für mich eines jener gesellschaftspolitischen Seltsamkeiten, dass ausgerechnet dieses Buch einen so durchschlagenden Erfolg hatte. Vielleicht kam das Buch zur rechten Zeit, vielleicht muss man seinen Erfolg als Hinweis deuten, dass momentan zumindest in der westlichen Welt ein (kleiner oder größerer) Umbruch in der Einstellung zur pflanzlichen Ernährung stattfindet. Schön wärs.

6 Gedanken zu “Zu Jonathan Safran Foers Buch „Tiere Essen“

  1. Ich, 59 Jahre, bin seit 15 Jahren Vegetarier, nachdem meine Tochter mich davon überzeugt hat. Werde immer wieder nach dem WARUM gefragt, worauf ich kurz antworte
    aus ökologischen und Pietätsgründen. Hab auch schon einige dazu gebracht, ihren Fleischkonsum stark zu reduzieren. Bin froh, dass es Menschen wie Martin Balloch und sein Team gibt, wer weis auf welchem Stand wir ansonst noch wären. Bitte weiter so.

  2. Ein Grund vieler Leute, dieses Buch zu lesen, ist wahrscheinlich, dass J.S. Foer ein genialer Autor ist. Seine beiden vor Eating Animals veröffentlichten Bücher (sowie die danach publizierten) sind ebenfalls Bestseller, beide verfilmt; daher erreicht er natürlich sehr viele Leute.
    Obwohl es allgemeinhin als Sachbuch kategorisiert wird, geht es – wie Foer auch selbst zu Anfang des Buches schreibt – um seine persönliche Geschichte bzw. seine persönlichen Geschichten, und ich denke, dass genau dieser Aspekt des Persönlichen sein Buch von vielen anderen zu dem Thema unterscheidet.

    In der deutschen Ausgabe weist Foer in einem speziellen Vorwort (soweit ich es in Erinnerung habe) auch noch darauf hin, dass er weiß, dass die meisten im Buch wiedergegebenen Zahlen und Umstände zwar USA-spezifisch sind, aber dass die Situation in Deutschland der in den USA sehr ähnlich, wahrscheinlich von allen Ländern am nächsten kommende ist.

  3. Es ist schon wahr, dass sich dieses Buch nicht unbedingt von anderen zu diesem Thema publizierten Werken abhebt. Vor allem wenn man bedenkt, dass der Großteil von „Tiere essen“ aus Berichten über die grausamen Zustände in Tierfabriken bzw. beim Fischfang besteht. Solche Fakten werden ja schon jahrelang unter anderem von NGOs publiziert und sind eigentlich nicht neu. Im Prinzip eine Sammlung von Zahlen, Fakten und Ist-Zuständen, mit einer anfänglichen Einleitung und einem Fazit am Schluss. Dass er sich anfangs mit den Fleischessern solidarisiert, finde ich nicht unbedingt schlecht. Der Leser fühlt sich vmtl. eher verstanden, nicht gleich vor den Kopf gestoßen und bleibt dadurch vielleicht eher bei der Lektüre. Welche Konsequenten die Rezipienten dann aus dem Gelesenen ziehen, bleibt ohnehin ihnen überlassen.
    Ich denke aber auch, dass gerade dieses Buch so ein Erfolg geworden ist, weil die Zeit einfach reif ist. Es ist vielleicht einfach höchste Eisenbahn, dass sich auf dieser Welt einiges ändert. Die Revolution in der arabischen Welt, die Occupy-Bewegungen, die Anti-Putin-Proteste in Russland… zeigen, dass die Menschen eine Veränderung wollen. Auf den ersten Blick mögen fleischlose Ernährung und politische Umstürze nichts gemein haben, aber vielleicht ist der Ursprung der beiden zugrunde liegt doch ein und derselbe: Der Wunsch nach einer bewussten Lebensweise, nach mehr Gerechtigkeit, nach weniger Leid auf der Welt und der Wunsch, dass sich die Menschheit (wenigstens einen Schritt) weiterentwickelt.

  4. @buchfan: weil sich dein umfeld genervt gefühlt hat???
    nicht dein ernst?
    ich lebe vegan, aussenseiter muss man deshalb nicht sein!

  5. Ohne die Situation zu kennen: Wenn dir die Meinung deines soziales Umfeld wichtig ist, könntest du evtl. dein Umfeld daran zu “gewöhnen” versuchen, indem du dich langsam vom Gelegenheits-Vegetarier zum Vegetarier herantastest.

    Irgendwann wird dein Ernährungsstil für die anderen halt eine Selbstverständlichkeit sein. Wenn nicht, wär das ein Armutszeugnis für die Toleranz mancher Mitmenschen.

  6. Nach dem Lesen des Buches, war ich ca. 4 Monate vegi-unterwegs… hätte es auch weitergezogen, wenn nicht das Umfeld sich sosehr genervt gefühlt hätte und mich gezwungen hätte wieder Fleisch zu essen. Bei jedem Anlass war ich der Aussenseiter und das war schon mühsam.

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