22. Dezember 2024

Brief an die Justizministerin

Wien, am 28. Oktober 2010

Betrifft: Strafantrag gegen Chris Moser nach § 278a StGB – Tierschutzprozess

 

Sehr geehrte Frau Ministerin,

Ihr Ministerium hat am 23. Juli 2009 mit GZ BMJ-4031956/0004-IV 3/2009 eine Weisung erteilt, dass gegen Herrn Chris Moser wegen § 278a StGB ein Strafantrag zu stellen ist, der letztendlich in den sogenannten Tierschutzprozess mündete.

Frau Mag. Marion Fuchs hat sich am 7. Oktober 2010 bei der Staatsanwaltschaft selbst wegen Verdacht auf Übertretung von § 278a StGB angezeigt. Ihr ist nämlich aufgefallen, dass sie, Punkt für Punkt, genau jene Vorwürfe gegen Chris Moser erfüllt, die in Ihrem Strafantrag angeführt sind. Sie hatte die gleichen inkriminierten Flugblätter zu Hause, sie hat ebenso Herrn Keith Mann zu einem Vortrag eingeladen, sie war ebenso Kampagnenleiterin des VGT gegen Kleider Bauer (eben in Linz statt Innsbruck) usw. Das heißt, Frau Mag. Fuchs hat zugegeben, genau jene Punkte erfüllt zu haben, die Sie in Ihrem Strafantrag Herrn Moser vorwerfen.

Während aber Herr Moser – ein dreifacher Familienvater – deshalb seit 8 (!) Monaten Woche für Woche 600 km ans Landesgericht Wr. Neustadt fahren muss und bereits seinen Job verloren hat und nur noch durch Spenden mitfühlender MitbürgerInnen seine Familie ernähren kann, wurde gegen Mag. Fuchs kein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Frau Mag. Fuchs wurde am 18. Oktober 2010 von der Staatsanwaltschaft Linz wörtlich mitgeteilt, „die von Ihnen geschilderten Handlungen vermögen einen Anfangsverdacht in Richtung § 278a StGB nicht zu begründen“.

Laut Artikel 7 (1) des Bundesverfassungsgesetzes sind alle StaatsbürgerInnen vor dem Gesetz gleich. Können Sie mir, als besorgtem Bürger, erklären, Frau Ministerin, wie diese offensichtliche Ungleichbehandlung von Mag. Fuchs und Herrn Moser mit der österreichischen Bundesverfassung in Einklang zu bringen ist?

Artikel 7 der europäischen Menschenrechtskonvention, die in Österreich Verfassungsrang genießt, legt fest, dass es ein Bestimmtheitsgebot für Strafgesetze geben muss. Strafgesetze müssen so eindeutig bestimmt sein, dass allen verständigen BürgerInnen klar sein kann, was strafbar ist und was nicht. Dieses Gebot ist im vorliegenden Fall eindeutig verletzt, wenn das Justizministerium und die Staatsanwaltschaft Linz § 278a StGB so anders verstehen.

Wegen der Brisanz dieses Themas und wegen der offensichtlich gewordenen Notwendigkeit, § 278a StGB zu reformieren, bitte ich Sie um einen Gesprächstermin. Es geht nicht um den Tierschutzprozess (dessen Ergebnis also nicht abgewartet werden muss), sondern Ihre Weisung zum Strafantrag und eine Reform von § 278a StGB. Ich habe konkrete Ideen zu einer Gesetzesreform juristisch ausarbeiten lassen und würde Ihnen diese gerne vorlegen. Und da ich nach Artikel 6 (2) der Europäischen Menschenrechtskonvention, die auch Teil der österreichischen Bundesverfassung ist, das Recht habe, als unschuldig behandelt zu werden, bitte ich Sie, das auch zu tun.

Hochachtungsvoll,

DDr. Martin Balluch
Obmann des Vereins Gegen Tierfabriken

2 Gedanken zu “Brief an die Justizministerin

  1. Ich habe das daraufhin auch gemacht, gleicher Inhalt, anderer Text, und diese wenig aufschlussreiche Antwort gekriegt:

    Sehr geehrter Herr Mag. Kellner!
    Zu Ihrem E-Mail vom 1. November 2010, in dem Sie um nähere Auskünfte bezüglich
    einer Selbstanzeige von Mag. Marion FUCHS wegen § 278a StGB ersuchen, bitte
    ich Sie namens der für Einzelstrafsachen zuständigen Fachabteilung im
    Bundesministerium für Justiz um Verständnis, dass aus Gründen des
    Datenschutzes und im Hinblick auf die Bestimmungen der Strafprozessordnung über
    die Akteneinsicht an unbeteiligte Personen grundsätzlich keine Informationen über
    allfällige Strafanzeigen oder –verfahren erteilt werden können.
    Mit freundlichen Grüßen
    Mag. Julia Gföller

  2. Wieder einmal sehr gut auf den Punkt gebracht. Noch absurder wird die ganze Geschichte natürlich wenn die zweite Selbstanzeige doch verfolgt wird. Willkür.

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