Heute, Freitag den 20. September 2013, spricht Nick Cooney um 18 Uhr im NIG, Universitätsstraße 7, Hörsaal 3D im 3. Stock in 1010 Wien über sein Buch „Change of Heart“, siehe https://vgt.at/presse/news/2013/news20130905mh_2.php.
Das Buch hat viele Wellen in der AktivistInnen-Community geschlagen, weil es einen neuen Weg geht. Ja, meint Cooney, Aktivismus lebt vom Idealismus, von der Begeisterung, vom altruistischen Einsatz für eine bessere Lebensqualität anderer. Aber wir dürfen uns trotzdem nicht von unseren Emotionen blenden lassen sondern müssen rational und pragmatisch vorgehen. Für sein Buch hat Cooney zahllose soziologische und psychologische Studien über das sogenannte „social marketing“ herangezogen, um Vorschläge für einen effizienten Aktivismus zu präsentieren. Social marketing bezieht sich dabei auf Methoden, wie Menschen dazu gewonnen werden können, für soziale Ziele wie Umweltschutz, Tierschutz oder Menschenrechte gravierende Verhaltensänderungen tatsächlich umzusetzen und dabei zu bleiben. Cooney selbst engagiert sich in Tierschutzvereinen bei Projekten, die Großküchen und Firmen dazu bringen wollen, auf tierfreundlichere Alternativen umzusteigen.
Da gibt es z.B. das Forschungsergebnis, dass Menschen am ehesten auf andere Menschen hören, die ihnen an Kleidung, sozialem Status, Alter und Lebenseinstellung gleichen. Für öffentliche Vorträge mit nachhaltigem Effekt sollte man sich also allein schon im Erscheinungsbild aber auch im Auftreten an die zu erwartende Zuhörerschaft anpassen.
Studien zeigen, so Cooney, dass Menschen Mitgefühl aktiv vermeiden und verdrängen, wenn von ihnen Hilfe oder eine Verhaltensänderung erwartet wird. Deshalb sei es besser, Informationen in Flugblättern so zu gestalten, dass zuerst der Schuldige identifiziert, dann Mitgefühl mit den Opfern geweckt und zuletzt erst an die Menschen appelliert wird. Und das Wecken des Mitgefühls ginge am Besten durch die Wiedergabe eines individuellen Schicksals, durch ein Versetzen an die Stelle des Opfers und durch die Aussicht, selbst zum Opfer werden zu können. Und es sei am Wirkungsvollsten, nur eine klare Alternative und nicht viele verschiedene anzubieten.
Menschen, so Cooney, seien laut Forschung soziale und nicht rationale Wesen. Auch noch so überzeugende Fakten würden sie weniger zur Verhaltensänderung motivieren, als der Umstand, dass viele andere sich ebenso verhalten. Und insbesondere sei das „Foot-in-the-door“ Prinzip zu beachten. Auch wenn wir uns letztlich eine große Änderung wünschen, käme diese wahrscheinlicher und rascher, wenn man in kleineren Schritten vorgeht. Z.B. würden Menschen, die bewusst entscheiden, weniger Fleisch zu essen, viel eher letztlich zu VegetarierInnen, als Menschen, die sehr viel Fleisch konsumieren und an die direkt appelliert wird, sofort VegetarierInnen zu werden.
Das Buch ist absolut gefüllt mit Fakten dieser Art, die durchaus an Werbestrategien kommerzieller Firmen erinnern. Wie sehr sind aber Produktwerbung und Kampagnen für sozialen Wandel miteinander vergleichbar? Cooney sieht Ähnlichkeiten und Unterschiede. Letztere würden sich insbesondere dadurch ergeben, dass die Verhaltensänderung eine viel größere persönliche Beteiligung der Menschen benötigt und daher nicht mit vorgetäuschten Argumenten funktioniere. Nachhaltig würde ein Mensch eine altruistische Änderung seiner Lebensweise zum eigenen momentanen Nachteil nur dann vollziehen, wenn er auch tatsächlich altruistisch motiviert ist. Dennoch muss er dazu vielleicht seinen „inneren Schweinehund“ u.U. mit Tricks überwinden, die von Cooney geboten werden, aber die Motivation muss bereits ethisch sein, sonst bleibe die Verhaltensänderung nicht erhalten.
Viele Informationen von Cooney halte ich für sehr wertvoll. Er hat sich übrigens auch – als US-Amerikaner! – mit den Kampagnen des VGT im kleinen Österreich auseinandergesetzt und sie in seinem Buch erwähnt. Er sei seit 7 Jahren ein Fan unserer Organisation, weil wir so pragmatisch vorgehen würden, sagte er mir wörtlich. Meine Kritik an seinem Buch beschränkt sich darauf, dass er meinem Gefühl nach die Motivation der AktivistInnen zu sehr außer Acht lässt. Gibt es dafür keine sozialen Studien? Kampagnen sind nur erfolgreich, wenn genügend AktivistInnen zum vollen Einsatz für das Ziel motiviert sind. Das scheint mir zunächst essenzieller, als die sicher auch wichtige Frage, wie sie auftreten sollen, um eine maximale Wirkung zu erzielen. Doch Ergebnisse von Studien über die Motivation von AktivistInnen bleibt Cooney in seinem Buch schuldig. Dennoch würde ich die Lektüre des Buches allen Menschen empfehlen, die sich für eine Änderung unserer Gesellschaft einsetzen!
Heute, Freitag den 20. 9. 2013, spreche ich mit Nick Cooney von 11-11:30 Uhr live in meiner Radiosendung auf Orange 94,0 siehe http://o94.at/radio/sendung/tierrechtsradio/1156228/.
Wie unten in einem Kommentar erwähnt kann die Sendung jetzt auch auf der CBA-Webseite angehört werden: http://cba.fro.at/246728
Vor über 20 Jahren wurde ich ausgelacht, als ich vor einer Studentendemo empfohlen habe, besser nicht mit Palistinänsertüchern und in “Kampfmontur” zum Minister zugehen, damals, als wir auf der Uni mehr Geld vom Ministerium wollten. Völliges Unverständnis und Verarsche seitens der Studienkollegen war die Reaktion.
Umso mehr freue ich mich, dass du auch diese Erkenntnis aus der Analyse, die Cooney betreibt, hier erwähnst. 🙂
Zum Thema Fleisch und Vegetarier und Wandel ist mir aufgefallen, dass der Mensch von Natur aus ein imitierendes Wesen ist, es in seiner Natur ist, andere Menschen zu imitieren. Im nächsten Freundeskreis beobachte ich, wie die Neugierde, auch mal das zu essen, was ich esse (vegan) wächst. Nicht bei allen. Aber ohne mich am Tisch als Gesellschaft beim Essen wären sie nie auf die Idee gekommen, das auch mal zu probieren. Je geselliger VeganerInnen leben, desto mehr können sie verändern?! 🙂
lg, Martina
Hier könnt ihr euch die Tierrechtsradio-Folge mit Nick Cooney nochmal anhören: http://cba.fro.at/246728
Sehr hörenswert!
Menschen neigen dazu, ihre eigene Überzeugung an andere weiter zu geben. Besonders deutlich wird das bei Religionen, wo gerade neu Bekehrte sich in besonderem Maße darum bemühen, auch andere zu bekehren.
Menschen sind auch immer bemüht, “das Richtige” zu tun.
Es gibt einen der mit einer neuen Meinung, was richtig ist beginnt, und durch seine Aufrichtigkeit überzeugt. Dann folgen andere die glauben nun den “richtigen Weg” gefunden zu haben. Das sind die Idealisten. Je mehr Idealisten, desto mehr Anhänger. Je mehr Anhänger, desto überzeugender wird eine Theorie. Zum Schluss folgen dann diejenigen die zwar nicht glauben, aber eine Chance sehen Macht auszuüben. 🙂
Da es aber nie nur eine Meinung (und daher eine homogene Gruppe ein ganzes Volk umfassend) in einer Gesellschaft gibt, sind Feindschaften vorprogrammiert.