5. November 2024

Das Staatsschutzgesetz hat den Ministerrat passiert!

Trotz zahlreicher kritischer Kommentare in der Begutachtungsphase zum Staatsschutzgesetz ist die Regierung offenbar weiterhin auf Kurs. Am 30. Juni 2015 hat das Gesetz unverändert den Ministerrat passiert. In meiner Erfahrung von Gesetzen im Tierschutz ist das der Point of no Return, ein solches Gesetz kommt auf jeden Fall. Doch bei meinem Besuch im Parlament heute – mit dem Ziel, den Kriterienkatalog zu retten! – wurde mir heute signalisiert, dass das beim Staatsschutzgesetz anders sein könnte, so groß sind die Widerstände auf allen Ebenen.

Unterzeichnet daher die Petition der AKVorrat gegen das Staatsschutzgesetz:
https://staatsschutz.at/

Peter Pilz von den Grünen hat Mitte Juni dazu eine Pressekonferenz abgehalten. Er spricht von einer Datenbank, die über jede Person und ihre Verbindungen erstellt werden kann, praktisch ohne Kontrolle, ohne Einschränkungen und in unbegrenzter Dauer, weil bei jedem erneuten Eintrag die Löschfrist von 5 Jahren neu zu laufen beginnt. Und das Ärgste: diese Daten werden an alle Auslandsgeheimdienste, insbesondere die NSA in den USA, weitergegeben! Wörtlich meint Pilz: „Mit dem Staatsschutzgesetz plant die Innenministerin, eine umfassende Staatssicherheits-Datenbank einzuführen, die Daten der Betroffenen unbeschränkt aufzubewahren und sie nach
Belieben an ausländische Dienste unkontrolliert weitergeben zu dürfen. Damit wird die gesetzliche Basis für eine offene Eingliederung des BVT in den von CIA und NSA geführten Geheimdienstverbund geschaffen.“

Die Ämter für Terrorismusbekämpfung dürfen bei Delikten aktiv werden, wie Störung einer Versammlung, Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole, Widerrechtlicher Zugriff auf ein Computersystem, Missbräuchliches Abfangen von Daten oder Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses. Wesentlicher Unterschied zu bisher ist, dass die Polizei jetzt gezielt gegen Einzelpersonen ermitteln darf. Bisher war die Ermittlungstätigkeit auf das Ziel der allgemeinen Gefahrenabwehr und Gefahrenerforschung beschränkt und bei konkreten Ermittlungen hat die Polizei staatsanwaltliche oder richterliche Anordnungen gebraucht. Jetzt soll das ohne RichterInnen und StaatsanwältInnen laufen, lediglich eine polizeiinterne Person, der/die Rechtsschutzbeauftragte, soll kontrollieren. Aber auch hier dürfen die TerrorbekämpferInnen nach eigenem Ermessen Unterlagen von der Akteneinsicht durch den/die RechtsschutzbeauftragteN ausschließen, und zwar “wenn das bekannt Werden die nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen gefährden würde”. Mit anderen Worten, die Polizei kann nach eigenem Gutdünken festlegen, worüber sie dem/der Rechtsschutzbeauftragten Rechenschaft ablegt und worüber nicht. Sie ist also in Wirklichkeit niemandem Rechenschaft schuldig, sondern völlig unkontrolliert und unkontrollierbar.

Zusätzlich müsste man bisher von invasiven Ermittlungen irgendwann in Kenntnis gesetzt werden. Beim Tierschutzprozess hat das zwar nicht funktioniert, aber jetzt wird sowieso alles anders. Jetzt muss man nur dann informiert werden, wenn durch die Information “die Aufgabenerfüllung nicht gefährdet wäre”. Also nie.

Folgende Daten darf die Polizei laut Staatsschutzgesetz verarbeiten/ermitteln, um eine Gefährdung zu bewerten, aber auch um Zusammenhänge und Strukturen erkennen zu können, (also eigentlich immer ohne Einschränkung, weil man eine der beiden Gründe für jede Situation ins Treffen führen kann):  alle möglichen personenbezogenen Daten, inklusive z.B. Fingerabdrücke und DNA, auch Angaben zu wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen “einschließlich damit in Zusammenhang stehender juristischer Personen” (= also auch des VGT selbst). Bemerkenswert ist die Generalklausel, dass für alle von der Polizei erfassten Personen (dazu zählen auch etwaige Begleitpersonen Verdächtiger) “tat- und fallbezogene Informationen und Verwaltungsdaten” erfasst werden dürfen. Mit anderen Worten im Grunde alles, was ihnen unterkommt. Dazu zählen auch explizit sensible Daten im Sinne des Datenschutzgesetzes, also etwa Angaben zu Krankheiten, sexuellen Vorlieben, Beziehungen usw.

Möglich werden verdeckte Ermittlungen (z.B. Einschleusen von Spitzeln aller Art, also privat und beamtet), Peilsender, IMSI-Catcher, Observation, optische und akustische Überwachung mit technischen Hilfsmitteln, und von elektronischer Kommunikation das Abfragen von Standortdaten, Verkehrsdaten, Zugangsdaten und IP-Adressen von Telekommunikationsunternehmen, dann auch der automatisierte KFZ-Kennzeichen Abgleich (das bezieht sich wohl auf die Kameras auf den Autobahnen), und Auskünfte von Beförderungsunternehmen (also wenn man bei der ÖBB oder einem Flugunternehmen ein Ticket kauft).

Erwähnenswert erscheint darüber hinaus, dass im Falle der technischen Überwachung (akustisch und optisch), der Gesetzestext den Interpretationsspielraum offen lässt, dass die Polizei anders als bisher diese Hilfsmittel auch im Privatbereich (also mit Brechen der Privatsphäre) und ohne persönliche Anwesenheit einsetzen darf. So, wie wir die Polizei aus dem Tierschutzprozess kennengelernt haben, strapazieren sie ohnehin jeden Gesetzestext bis zur schon absurd erscheinenden Maximalbelastung. Mit anderen Worten: Wenn man das Gesetz mit einiger Mühe auch so verstehen kann, dass sie das dürfen, dann werden sie es auch tun. Gefahr sind sie ohnehin keiner ausgesetzt, weil sie – wie wir wissen – sogar noch befördert werden, wenn sie das Gesetz brechen.

Gravierend ist auch, dass nun ohne staatsanwaltliche Anordnung und richterliche Genehmigung die Telekommunikationsdaten abgefragt werden dürfen (außer der Inhaltsdaten). Wenn die Polizei anfragt, müssen die Telekommunikationsunternehmen die Daten hergeben. Die Polizei muss dafür nicht einmal nachweisen, dass der/die Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums das genehmigt hat. Der Einsatz von IMSI-Catchern wird durch eine im selben Zug erfolgende Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes auch ohne richterlichen Beschluss erlaubt werden. Das heißt, dass die Polizei zuerst beim Telekommunikationsunternehmen erfragt, welche IMSI (= eindeutige Kennung) die SIM Karte einer gewissen Person hat. Dann begibt sie sich mit dem IMSI Catcher in den Funkzellenbereich der jeweiligen Person und das Handy loggt sich nicht mehr beim Funkmast des Telefonanbieters ein, sondern bei der Polizei, die ihrerseits dann die anfallenden Gespräche wieder an den nächstgelegenen Funkmast weiterleitet.

Laut dem Buchstaben des Gesetzes ist der Polizei zwar nur erlaubt das Gerät zur Peilung einzusetzen, also einzugrenzen, wo in der Funkzelle sich das Handy befindet. Tatsächlich ist es aber so, dass der IMSI-Catcher, wenn er zur Peilung in Stellung gebracht wird, auch alle Gespräche abfängt. Die Polizei bekommt also die Gesprächsinhalte geliefert, darf sie aber theoretisch nicht anhören…

Die Spitzeldatenbank ist so geheim, dass die Polizei darüber niemanden informieren darf: “Eine Auskunftserteilung an andere Behörden ist unzulässig.” Das bedeutet offenbar auch, dass sie sogar gegenüber einem Gericht in einem Verfahren nicht offen legen muss/darf, um wen es sich bei einem Spitzel handelt. Die neuen Spitzel werden vom Staat bezahlt. Wieviel Geld sie bekommen, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Das ist offenbar verhandelbar.

3 Gedanken zu “Das Staatsschutzgesetz hat den Ministerrat passiert!

  1. Waaahnsinn. Österreich mit seiner faschistischen Vergangenheit ist schon beängstigend, aber das sind echt Trends, wo ich mich bei gleichzeitigem aufflammen der Rechtspopulisten wirlkich denke, das es besser wäre das Land für immer zu verlassen.

    Das ist schon fast futuristisch, das so ein Gesetz jemals in einer Demokratie durch gehen kann???
    Aus dem Kontext gerissen würde ich eher sagen das es sich um ein nordkoreanisches Gestz handeln sollte…

    wirklich unfassbar

  2. Es dürfte schwer sein dieser Totalermächtigung noch zusätzliche Befugnisse hinzuzufügen. Da fehlt eigentlich nur noch die Berechtigung auch gleich ein Urteil zu fällen und es zu vollstrecken. Wenn die Zivilgesellschaft und Politik solche Gesetzesänderungen ohne großen Aufstand zulässt, dann wissen wir, dass kaum noch Hoffnung auf demokratische Prozesse besteht.

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