29. März 2024

Das war die Tierversuchskampagne 2012

Tierversuche haben wir in der österreichischen Tierschutzbewegung in den letzten Jahren eher stiefmütterlich behandelt. Deshalb stand schon lange im Raum, endlich eine Kampagne für einen konkreten Fortschritt im Tierversuchsgesetz durchzuführen. Die EU-Richtlinie 2010/63 kam dazu als willkommener Anlass, aber gleichzeitig als große Einschränkung.

Für eine Kampagne braucht man ein leicht eingängliches Ziel, das am besten mit einem Wort beschrieben werden kann. Das Verbot von Tierversuchen an Hunden, Katzen und Affen z.B. wäre so etwas – wurde aber von der EU-Richtlinie verunmöglicht. Die Richtlinie ließ eigentlich nur den Spielraum offen, entweder gewisse Tierversuchsmethoden zu verbieten oder die Kontrollen und die Genehmigungsverfahren effektiver und strenger zu machen. Da mit dem Verbot einer einzigen Methode kein umfassender Fortschritt im Rahmen einer Reform des gesamten Gesetzes erreicht werden kann, entschieden wir uns für eine Forderung im Rahmen der Kontrollen und Genehmigungsverfahren. Dafür entwickelten wir das 4-Säulen-Modell, bestehend aus Kriterienkatalog, Versuchstierombudsschaft, Veröffentlichung und rückblickender Bewertung, das letztlich unser Kampagnenziel wurde.

Dieses Ziel ist aber aus verschiedenen Gründen schwer zu vermitteln. Es ist einerseits nicht sehr emotional, um die Menschen zu mobilisieren. Es bedarf weiters einiger Sätze, um seine Bedeutung zu erklären. Und es besteht aus mehreren Teilen, weshalb kein fokussierter öffentlicher Druck produzierbar ist. Diese Aspekte mache ich dafür verantwortlich, dass uns nur ein halber Erfolg in dieser Kampagne beschieden war. Umgesetzt wurde der Kriterienkatalog – weltweit einzigartig – und eine halbe Version der Ombudsschaft, dagegen blieben die Veröffentlichungspflicht sowie die rückblickende Bewertung nur in Minimalversion. Bei Tierschutz in der Verfassung, einer Voraussetzung für die Anwendung des Kriterienkatalogs, blieben wir bisher bei der Konstituierung des Unterausschusses stecken. Das Thema werden wir im Jänner aufgreifen müssen, um zu verhindern, dass bei Neuwahlen im September nicht alle Fortschritte wieder zunichte gemacht werden.

Unsere GegnerInnen in dieser Kampagne waren ganz andere, als die Gewohnten. Da war einmal das Wissenschaftsministerium, mit einem sehr kaiserlich-paternalistischen Zugang zum Umgang mit der Zivilgesellschaft, scheinbar ohne viel Erfahrung mit NGOs. Man hat uns von Anfang an völlig unterschätzt, glaubte, uns durch einen freundlichen Empfang ruhigstellen zu können, und erwartete den ersten, katastrophalen  Entwurf zum Gesetz gleich durchbringen zu können. Letztlich wurden 5 Entwürfe und 4 Verhandlungstreffen daraus. Wissenschaftsminister Töchterle, das glaube ich ihm, war zunächst ehrlich freundlich und bemüht, wurde dann aber wahrscheinlich von seiner Partei ÖVP zurecht gewiesen, uns nicht so weit einzubinden, und erschien seitdem zwiegespalten und widersprüchlich. Vermutlich trug er persönlich zuletzt sehr wenig zur konkreten Ausformulierung des Gesetzes bei. Aber seine doch freundliche Art und gewisse Gesprächsbereitschaft machte es uns unmöglich, die Kampagne ausreichend zu eskalieren und radikalere Aktionen zu setzen.

Der andere Gegner, die Pharmaindustrie und die Universitäten, hielten sich erwartungsgemäß öffentlich zurück, weil sie wussten, dass die Mehrheitsmeinung ziemlich radikal gegen Tierversuche eingestellt ist. Aber intern haben diese Institutionen offenbar einen sehr guten Draht in die Politik und können ihre Interessen durchsetzen. So wurde z.B. das Verbot von Tierversuchen, die schweres Leid verursachen, das lange andauert, im zweiten Entwurf festgelegt, aber für den Endentwurf einfach stillschweigend wieder entfernt. Die Tierversuchsseite nahm nie öffentlich konkret zur Reform und zu unseren Forderungen Stellung, sondern verbreitete nur eine Grundsatzposition. Gegen strenge Kontrollen von Tierversuchen aufzutreten kommt eben öffentlich sicher nicht gut an.

So hatten wir einen Schattengegner ohne Profil, ein lavierendes Ministerium, das keinen richtigen Gegner abgab, und schwer zu vermittelnde Kampagnenziele, aber eine Bevölkerung mit großem Interesse an dem Thema und einer Mehrheitsmeinung, die viel stärkere Einschränkungen von Tierversuchen wünscht, als uns möglich war zu fordern. Unsere Kampagne wurde deshalb von AktivistInnen in allen Bundesländern breit unterstützt, mehr als 650 Medienberichte, insbesondere in Regionalmedien, waren die Folge.

In Österreich sind wir von erfolgreichen Kampagnen verwöhnt. Vom Pelzfarmverbot 1998 angefangen bis zum Kastenstandhaltungsverbot von Mutterschweinen 2011 – wenn auch mit 21 (!) Jahren Übergangsfrist – haben wir eine lange Liste von Fortschritten vorzuweisen. Da ist das Ergebnis dieser Kampagne enttäuschend mager. Andererseits geht unser Tierversuchsgesetz jetzt in folgenden Punkten über die EU-Richtlinie hinaus:

  • Kriterienkatalog ab 2015 für alle Tierversuche
  • Tierschutzombudsschaften für Kontrollen, nicht aber Genehmigungsanträge, zuständig
  • Verbot von Tierversuchen an Primaten aus veterinärmedizinischen oder Pflanzenschutz-Gründen
  • Absolutes Verbot von Tierversuchen an Streunertieren
  • Erhöhtes Strafmaß
  • Absolutes Tierversuchsverbot an Menschenaffen
  • Jährlich unangemeldete Kontrollen in allen Tierversuchseinrichtungen

Wir werden im nächsten Jahr anlässlich der Wahlen noch einen Nachbesserungsversuch starten, den zu unterstützen uns die SPÖ versprochen hat.

Was bleibt sind darüber hinaus 7 Kampagnenmonate, in denen wir das Thema Tierversuche breit in der Öffentlichkeit platzieren konnten. Und die Wirkung davon darf man nicht unterschätzen. Die öffentliche Meinung in Österreich, aber auch in der ganzen EU und vielleicht weltweit, bewegt sich stetig, wenn auch quälend langsam, immer mehr Richtung Aufwertung von Tierschutz. Jeder Mensch, der die letzten 20 Jahre diesbezüglich aufmerksam verfolgt hat, wird nicht umhin können, das zu bestätigen. Und das ist die wichtigste Komponente der Tierschutzarbeit, ob als „vegan outreach“, im Gnadenhof oder Tierheim, bei Infostanddemos oder in konfrontativen Kampagnen: die Menschen bzgl. dem Umgang mit nichtmenschlichen Tieren zu sensibilisieren. Und dazu hat unsere Tierversuchskampagne zweifellos sehr viel beigetragen.

4 Gedanken zu “Das war die Tierversuchskampagne 2012

  1. Über die EU Richtlinie hinaus wird es wohl keine Verbesserungen geben. Auf mein Schreiben habe ich folgende Antwort erhalten:

    Der Herr Bundeskanzler dankt für Ihr Schreiben und hat sein Bürgerinnen- und Bürgerservice mit der weiteren Bearbeitung beauftragt:

    Am 22. September 2010 wurde die Richtlinie 2010/63/EU zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere, ABl. Nr. L 276 vom 20.10.2010 S. 33 (Tierversuchs-Richtlinie), erlassen. Aufgrund dieser ist auch das österreichische Tierversuchsgesetz, das noch aus dem Jahr 1989 stammt, anzupassen.
    Die Tierversuchs-Richtlinie strebt eine europaweite Harmonisierung an. In ganz Europa werden die Standards bei Tierversuchen auf das gleiche Niveau angehoben, wobei es möglich ist, bestehende strengere Bestimmungen beizubehalten. Da es sich um eine Harmonisierung handelt, können aber nur in begrenztem Maße neue Bestimmungen eingeführt werden. Daher ist ein Kompromiss zwischen den Interessen der Wissenschaft einerseits und des Tierschutzes andererseits notwendig.
    Im Text der Regierungsvorlage, die im Nationalrat beschlossen wurde, wurden aufgrund der im Begutachtungsverfahren eingelangten Stellungnahmen noch mehrere Verbesserungen zum Schutz der Tiere vorgenommen. Mit der vorliegenden Gesetzesneufassung wurden somit wichtige Schritte für mehr Tierschutz in Angelegenheiten von Tierversuchen gesetzt.
    Noch ist es leider nicht möglich, qualitativ hochwertige Forschung im Sinne der Gesundheit der Menschen und Tiere durchzuführen, ohne dabei auf Tierversuche zurückzugreifen. Die Erforschung von Ersatzmethoden ist daher weiterhin von hoher Bedeutung. Selbstverständlich wird sich die Bundesregierung weiterhin für Verbesserungen zum Schutz der Tiere einsetzen und daran arbeiten, Tierleid zu vermindern bzw. zu vermeiden.
    Für weiterführende Auskünfte bitten wir Sie, sich unmittelbar an das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung zu wenden:
    Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung
    Minoritenplatz 5
    1014 Wien

    Das ist wieder so eine blablabla Antwort, aber eines ist klar gesagt. Man passt sich an die EU an und wenn man etwas ändern will, muss man es daher EU weit machen. Ansprechpartner müssen deshalb EU Institutionen sein.
    Und was noch daraus hervor geht. Alternativen zu Tierversuchen aufzeigen. Es nützt wenig wenn man fordert: keine Versuche mit Menschenaffen, oder keine Versuche an streunenden Hunden. Dann nehmen sie halt gezüchtete Hunde, was angeblich sowieso usus ist, weil Streunerhunde krank sein könnten und kleiner Affen, denn tun es auch. Man muss erklären warum man darauf verzichten kann. Das können aber nur Wissenschaftler machen, denn diese können darüber urteilen wie wenig sinnvoll, oder wie sinnlos ein bestimmter Tierversuch ist. Wenn jemand argumentiert muss man Gegenargumente bringen. Den “normalen” Menschen genügt es zu sehen wie die Tiere leiden, um zu erkennen dass hier Verbrechen begangen werden werden. Leider sind aber viele Menschen die in der Politik, oder in irgendwelchen Firmen arbeiten, nachweislich Psychopathen und deshalb reagieren sie nicht wenn sie Leid sehen. Das ist ihnen schlichtweg egal.
    Für solche Leute zählt nur der Reibach. Mach ihnen klar dass es anders billiger und effektiver ist und sie hören auf dich.

  2. Danke im Namen aller geschundenen, leidenden,
    gequälten, misshandelten, zu Tode gebrachten, hingerichteten, verunstalteten, um ihre Ehre gebrachten Tiere.
    Mit lieben Grüßen
    M.M.

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