5. November 2024

Demokratiepolitische Nachteile der Wehrpflicht

Kommenden Sonntag wird es österreichweit eine Volksbefragung darüber geben, ob die Wehrpflicht abgeschafft werden soll. Grundsätzlich ist jede Möglichkeit der basisdemokratischen Mitbestimmung „von unten“ gut, weshalb ich diese Volksabstimmung sehr begrüße. Abgesehen davon ist die Wehrpflicht demokratiepolitisch problematisch und daher eine Abschaffung empfehlenswert.

ÖVP und mittlerweile auch FPÖ argumentieren, dass die jungen Männer im Bundesheer lernen würden, Autoritäten zu folgen und eine Kameradschaft zu pflegen. Das sei offensichtlich positiv. Abgesehen davon würde ein Dienst am Volk den Patriotismus schüren. Deshalb sei eine Zwangsverpflichtung aller 18 jährigen Männer beim Heer bzw. zur Arbeit (Zivildienst) vorteilhaft.

Demokratiepolitisch gesehen sind aber gerade diese „Lehren“ aus einer Zeit der Zwangsverpflichtung problematisch. Junge Männer sollten eher das Selbstbewusstsein entwickeln, Autoritäten zu hinterfragen und nichts und niemandem blind zu folgen. Der Dienst in einem Heer hat also den gegenteiligen Effekt, den man sich für eine lebendige Demokratie wünscht.

Das bestätigt auch die Erfahrung mit dem Nationalsozialismus. Dort wurde ja ganz explizit der erzieherische Effekt von Wehrmacht und Reichsarbeitsdienst erkannt und massiv gefördert. Eine Demokratie braucht aber gerade BürgerInnen, die diese Art von „Erziehung“ ablehnen.

Gegen die Zwangsverpflichtung von Frauen zum Bundesheer argumentiert die ÖVP, trotz aller Bekenntnis zur Gleichbehandlung der Geschlechter, dass Frauen den Dienst für den Staat durch das Gebären von Kindern ableisten würden. Also hier Gebärpflicht, dort Wehrpflicht. Das Konzept Gebärpflicht passt gut in dieses Denkschema, entlarvt es aber umso mehr als demokratiefeindlich. Der Staat ist eine Institution, die eingerichtet wurde, um seinen BürgerInnen Vorteile zu bringen, nicht umgekehrt, die BürgerInnen sollen für den Staat ihr Eigenwohl zurückstellen. Gebärpflichten und Wehrpflichten widersprechen diametral der Auffassung von bürgerlicher Freiheit und Selbstbestimmung.

Abgesehen davon: da keine Gebärpflicht gesetzlich verankert ist, sondern auf Freiwilligkeit basiert, lässt sich wohl schwer argumentieren, dass eine Wehrpflicht gesetzlich verankert und nicht freiwillig sein soll.

Ich werde daher am Sonntag gegen die Wehrpflicht stimmen!

10 Gedanken zu “Demokratiepolitische Nachteile der Wehrpflicht

  1. Diese Argumentation verstehe ich nicht. Gerade Frauen haben doch, so wie ich das verstanden habe, gegen die Wehrpflicht votiert. Dass es Wehrpflicht nur für Männer gibt, liegt m. E. nicht am Feminismus sondern am Konservatismus.

    Auch die Ansicht, dass der Vater die Rolle des “Versorgers” und die Mutter die der “Erzieherin/Hauptbezugsperson” hat, ist wohl eher nicht dem Feminismus zuzuschreiben. Aber zu dem Thema möchte ich nicht zu viel sagen, da ist ja jeder Fall sehr individuell.

  2. @Susanne
    Das Problem scheint zu sein, dass heute zumindest bei unehelichen Kindern automatisch die Frauen allein bestimmen können, was mit den Kindern passiert, auch ohne Trennung der Eltern. Mehrere Fälle in meiner nahen Umgebung haben das dramatisch bestätigt, dabei sollten wir als Gesellschaft doch froh sein, wenn Väter ihre Kinder lieben und sich für sie verantwortlich fühlen. Aber hierzulande scheint sich juristisch die Vaterschaft auf regelmäßige Geldzahlungen zu reduzieren. Viele Fälle von Vätern wurden ja in letzter Zeit bekannt, die sogar Gefängnisstrafen riskieren, um ihre Kinder sehen zu können, und ihnen die Frauen das verbieten.

    Eine Kinderpsychologin mit viel praktischer Erfahrung hat mir frei heraus erklärt, dass in Österreich der Feminismus so stark sei, dass eine Gleichberechtigung der Eltern, wie sie in Deutschland zumindest wesentlich weiter entwickelt ist, verhindert wird. Der Feminismus setze sich für Vorteile für Frauen aber nicht für Gleichberechtigung ein, und verhindere damit diese. Bei der Wehrpflichtdiskussion schien mir das auch so.

  3. @Chris Ich verstehe nicht ganz was du sagen willst. Was soll ein “Recht auf Elternschaft” denn sein? In patriarchalischen Gesellschaften herrscht der Mann über die Familie und die Kinder sind sein Eigentum. In unserer Gesellschaft dürfen zum Glück auch Frauen mitbestimmen was mit ihren Kindern passiert und dieses Recht ist noch gar nicht so alt. In den meisten Scheidungsfällen haben die Väter auch gar nicht so große Sehnsucht nach ihren Kindern, in vielen Fällen verwenden sie die Kinder nur als Druckmittel. Und es kommt auch oft vor, dass man dem Vater das Kind berechtigt vorenthält, weil er es misshandelt. Es gibt keine perfekten Zustände, es wird immer wieder Härtefälle geben.

    Wärst du als Frau zur Welt gekommen, wenn du der Meinung bist, dass die armen Männer so benachteiligt sind. Selbst schuld. 😉

  4. Die „allgemeine“ Volksbefragung – Der ganz normale Betrug am Volke ?

    Schon in der Frage dieser Volksbefragung steckt die Unwahrheit: „allgemeine Wehrpflicht“. Nicht die Allgemeinheit hat eine Pflicht – lediglich jene, die in der amtlichen Liste als „männlich“ eingetragen sind und, eingeführt mit dem Begriff im Jahre 1875, un(ter)bezahlt als Kanonenfutter für die Obrigkeit herhalten sollen.
    Dabei wäre doch eine allgemeine Staatspflicht ( Abwehr von Feuer, Lawinen, Pflegedienste,…) für die Allgemeinheit ( ohne Unterscheidung von Hautfarbe, Herkunft oder gar Geschlecht ) ja keineswegs ein Übel. Doch das ist ja nicht Thema der Frage.
    Aber sollte ein Man(n) so eine Lüge wählen? Da braucht es diesen Man(n) auch nicht wundern, wenn die pflichtlose Frau über ihn abstimmt, dass nur der Mann einen einseitigen Zwangsdienst leisten soll, wenn der Mann auch weiterhin mit ansehen muss, wie sein Kind im Mutterleib – straflos – getötet werden darf, selbst wenn er für alles aufkommen würde, und hingegen, im Falle der Geburt, der Mann weder ein selbstverständliches Recht auf Elternschaft hat, noch ihm ein reales Umgangsrecht zusteht, wenn er in der Rolle des Zahlvaters zu bleiben hat.
    Eine Femi-Sexismusquote wurde eingeführt, warum nicht eine Moslemsquote, Männerquote, oder eine Quote für Menschen mit dunklen Haaren?
    Bekommt nicht das Volk jene Regierung, die es verdient? Wenn offensichtlich nicht einmal in der Frage an das Volk Ehrlichkeit herrschen muss, weil die Obrigkeit sieht, wie brav sogar die Männer in existenziellen Selbstbestimmungsfragen wählen gehen und das Thema
    anstandslos „fressen “ – wird es wohl so sein.

  5. Wenn schon Heer, dann wenigstens kein Berufsheer. Wer sich für Geld beschützen lässt, verliert den Schutz sobald er kein Geld mehr hat. Militär müsste nicht auf blinden Gehorsam aufbauen. Länder brauchen aber Schutz, denn es werden immer solche auftauchen, die ihre Herrschaft errichten wollen.

  6. Kann der Analyse nur zustimmen. Hat aber leider nichts genützt.

    Jetzt sollte man versuchen den Zivildienst als wirklich gleichwertige Alternative zum Wehrdienst zu etablieren. Die Konstruktion des ZV als ungeliebtes Anhängsel des Wehrdienstes, ist zu beenden. Immerhin war das wichtigste Argument der Wehrpflichtbefürworter, der Zivildienst und der Katastrophenschutz. Also nehmen wir Sie beim Wort !

    Befürchte aber das die Nichtveränderer das heutige Ergebniss als Beharrungsauftrag verstehen.

  7. Ich hätt ja überhaupt das Bundesheer komplett abgeschafft und durch eine professionelle Katastrophenschutzeinheit ersetzt, aber soweit darf man ja garnicht denken in unserem von der Polykratie vorgegebenen Gedankensprektrum, geschweige denn stimmen, also werd ich halt für das geringere Übel, das Berufsheer, stimmen. Hat halt auch Nachteile, Berufssoldaten haben z.B. weniger Hemmungen gegen das eigene Volk(vorallem Dissidenten) vorzugehen. Aber immer noch besser als alle jungen Männer in befristete Zwangsarbeit zu stecken und von bildungsfernen Schichten eine gewaltverherrlichende Hirnwäsche verpasst zu bekommen.

  8. Obwohl mich die inhaltlosen Werbephrasen der Regierungsparteien gewaltig genervt haben, werde ich zur Abstimmung gehen.

    Bei mir waren es acht verlorene Monate unter Verlust der Selbstbestimmung. Meine Bundesheerzeit bestand vor allem in der Ausführung sinnloser Aufgaben und Befehle bzw. als billige Arbeitskraft in der Administration.
    Anstatt Patriotismus hat es in mir eher Widerstand gegen ein System geweckt, das auf Zwang aufbaut. Es war, als müßte ich eine Strafe absitzen, ohne dass ich mir etwas zuschulden kommen ließ.

    Daher: Nein zur Wehrpflicht.

  9. Ich bin leider immer noch sehr im Zwiespalt wie ich mich entscheiden soll… Eigentlich wäre ich am ehesten für ein soziales Jahr für alle und die Abschaffung des Heeres. Natürlich missfällt mir bei der Wehrpflicht der Zwang und das “Erzieherische”. Andererseits gibt es ja noch die Wahl der Zivildienstes. Und igrendwie finde bei der “Pflicht für alle” die soziale Durchmischung gut und dass jeder und jede seinen/ihren Beitrag leistet. Die sozialen Einrichtungen haben so schon viel zu wenig Geld. Wie sollen die sich freiwillige “Sozialjährler” (mit den finanziellen Anreizen die man geben will) leisten? Zusätzlich wird der prozentuelle Anteil der Zivildiener immer größer und die demographische Entwicklung spricht auch dafür, dass das Heer sich früher oder später so oder so etwas einfallen lassen muss…
    Jedenfalls Danke für deinen Input 😉 bin nachwievor sehr unentschlossen…

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