5. November 2024

Der schneeärmste Winter seit Menschengedenken!

Einmal fällt die Temperatur unter 0 Grad und es liegt in den Städten 3 cm Schnee. Der Winter ist also da, oder? Ist das nicht wie immer? Und im Fernsehen sieht man doch die Schirennen, also was soll das Gerede vom Klimawandel?

Tja, das ist der Blick einer Städterin oder eines Städters, ohne Erfahrung mit den Verhältnissen in den Bergen. Ich gehe seit bald 50 Jahren jährlich – unter normalen Bedingungen – gut 30 Schitouren in unseren Bergen und habe dadurch einen ganz anderen Blickwinkel. Damit es Schnee in den Bergen gibt, genügt kein kurzer Schneefall. Wir haben im Moment Umstände, wie sie bei früheren echten Wintern Anfang November geherrscht haben, aber niemals Mitte Jänner! Nirgendwo in Österreich kann man momentan Schitouren gehen, die Schneelage ist so gering, wie sie seit Menschengedenken noch nicht war. Selbst wenn jetzt 1 m Neuschnee fallen würde, wäre es noch immer nicht möglich, Schitouren zu gehen. Dazu brauchts eine dichte Altschneedecke und einen festen Untergrund.

Normalerweise fällt die Temperatur in Höhen über 1500 m im November unter 0 Grad und der wiederkehrende Schneefall akkumuliert. Durch das Eigengewicht wird er zusammengedrückt und gepresst, gleicht jede Mulde aus, jeden Stein und jeden umgefallenen Baum. Bis Mitte Dezember ist dann die Unterlage so fest, dass man mit Schi durchs freie Gelände aufsteigen und abfahren kann. Die Schitourensaison ist eröffnet. Es ist auch dieser Altschnee, der sich in Rinnen und Karen bis weit in den Sommer erhält. Vor 10 Jahren konnte ich noch Anfang Juni meine letzte Schitour gehen, zuletzt ging das zumindest noch bis Mitte Mai. So, wie es jetzt aussieht, wird heuer alles ganz anders werden.

Im Winter 2015 war es bis in große Höhen ständig viel zu warm. Das bisschen Schnee, das immer wieder fiel, konnte sich nicht halten. Nichts akkumulierte, bis heute gibt es keine feste Altschneeunterlage und daher keine Schitourenmöglichkeit. In den letzten Tagen und Wochen war ich immer wieder in Ostösterreichs Bergen unterwegs. Bis über 2000 m stand ich in vielleicht 10 cm Schneetiefe, aber auf dem Erd- bzw. Steinboden. Erstmals seit ich mich erinnern kann benötigte ich weder Schneeschuhe noch Tourenschi, um zu dieser Jahreszeit in dieser Höhe unterwegs zu sein!

Dieser Winter ist der mit Abstand schneeärmste Winter in unseren Breiten aller Zeiten. Das bisher schlimmste Jahr war die Saison 2013/2014 mit ihren ständigen Südföhnlagen. Auf der Alpennordseite lag praktisch die gesamte Zeit hindurch bis 1300 m Höhe überhaupt kein Schnee, aber wenigstens war es ab dort möglich, mit Tourenschi zu wandern. Nun gibt es bis zu den höchsten Gipfeln keine Altschneedecke – eine neue Dimension der Winterlosigkeit.

Und, nein, das kann nicht alles noch kommen. Wenn bis in den Dezember oder Jänner keine Altschneedecke akkumuliert, dann ist sie im Frühjahr, selbst wenn sich noch eine bilden sollte, viel zu schwach, um länger zu halten. Sollte also jetzt plötzlich doch noch richtig Schnee fallen, so wird dieser niemals bis in den Mai erhalten bleiben. Was also auch immer das Wetter noch vorhat, einen auch nur ansatzweise normalen Schitourenwinter kann es nicht mehr geben.

Natürlich stört mich das einerseits sehr, weil es einfach wunderschön ist, auf Schi durch die tiefverschneiten Berge und Wälder zu wandern. Aber mir geht’s dabei nicht nur um einen Freizeitspaß. Die winterlichen Berge sind Teil meiner Identität, eine Bergwelt ohne Winter fühlt sich wie ein totaler Heimatverlust an. Ich empfinde eine Bergwelt ohne Winter nicht als lebenswert.

Aber das sind nur meine subjektiven Befindlichkeiten, die man leicht wegwischen kann. Es wird schon den einen oder anderen winterlichen Ausrutscher in der Klimaerwärmung der nächsten Jahre geben. Aber was uns alle sehr stark beunruhigen sollte, ist der Umstand, dass wir Menschen durch unseren alltäglichen Energieverbrauch gerade dabei sind, irreversibel in die Verhältnisse auf dem gesamten Planeten einzugreifen. Weil wir so energielastig leben – und dazu gehört ganz zentral der hohe Fleischkonsum! – ändert sich für alle Wesen der Zustand dieser Welt in einer völlig unkontrollierbaren Weise. Wir sind technisch in absehbarer Zeit zu keinem Geoengeneering fähig, das unsere Auswirkungen auf die Klimaänderung in den Griff kriegen könnte. Bei jedem vernünftigen Wesen müssten doch die Alarmglocken schrillen, wenn seine Tätigkeit zu globalen Änderungen führt, die ins Ungewisse gehen! Doch irgendwie ist diese Alarmierung bei der Menschheit nicht zu bemerken. Jetzt wurschteln wir einmal weiter, ausbaden müssen das eh nur die nächsten Generationen von Mensch und Tier. Und die können sich bei uns dann sowieso nicht mehr beschweren. Diese Einstellung ist nicht nur sehr unvernünftig, sie ist auch verantwortungslos. Jeden Tag steigt der Kohlendioxydgehalt der Erdatmosphäre, und nichts, absolut gar nichts, wird dagegen unternommen!

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3 Gedanken zu “Der schneeärmste Winter seit Menschengedenken!

  1. Auch die Haustierhaltung dürfte ein nicht zu unterschätzender Faktor sein (vor allem bei konventioneller Dosenfütterung). Würde mich freuen, mal hier was darüber zu lesen.

  2. Es wird viel über den Klimawandel gesprochen, doch nur wenige unserer Zeitgenossen haben wirklich begriffen wie ernst die Lage ist und dass jede/r Einzelne etwas beitragen kann um das Klima zu schonen.
    Abkommen zur CO² Verminderung sind das Papier nicht wert auf dem sie geschrieben stehen, denn solange vor allem die großen Industrienationen, welche ausschließlich auf Wirtschaftswachstum und Profit fixiert sind, nicht gewillt sind gegenzusteuern wird die Erde weiterhin Schritt für Schritt gegen die Wand gefahren.
    Ich werde zumindest für mich versuchen meinen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten (fängt schon bei der Ernährung an), auch wenn ich, was die weitere Entwicklung betrifft, nicht wirklich zuversichtlich bin.

  3. Danke für den Text! Die Menschen und die Politik müssen aufwachen! Wir bewegen uns in einem Wahnsinnstempo auf einen unahnbar tiefen Abhang zu, die Notbremse ist jetzt schon schwer zu betätigen.

    …und immer wieder muss man sich die fassungslosen Gesichter der zukünftigen Generationen vorstellen. “Die haben das gewusst! Das war ihnen klar, noch lange bevor es begonnen hat! Warum, um alles in der Welt, haben sie nichts getan?”

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