Am 31. Mai wurde die Petition Nr. 149 vom SPÖ-Abgeordneten Johann Maier und mir für den Ersatz von Verteidigungskosten bei Freisprüchen dem Justizausschuss des Parlaments zugewiesen. Insgesamt 4029 Wahlberechtigte haben die Petition letztlich online auf der Parlamentswebseite unterzeichnet, eine für Petitionen recht hohe Zahl. Ab jetzt kann man keine weiteren Zustimmungserklärungen mehr hinzufügen.
Zu der Petition wurden 3 öffentliche Stellungnahmen abgegeben:
1. Stellungnahme der Volksanwaltschaft:
Das Anliegen der Petenten [deckt sich] mit der Kritik der Volksanwaltschaft. So sind nach der derzeit geltenden Rechtslage nicht die gesamten Kosten der Verteidigung zu ersetzen. Vielmehr wird vom Bund hierzu nur ein Beitrag geleistet, wobei dieser Beitrag nach oben hin begrenzt ist. Die Höchstbeträge sind in § 393a Abs 1 Strafprozessordnung (StPO) normiert; sie variieren nach Verfahrensart. § 393a StPO bestimmt auch, dass Umfang und die Schwierigkeit der Verteidigung sowie das Ausmaß des notwendigen und zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers über die Höhe des Zuspruches entscheiden. Ausgehend von diesen Bemessungsgrundsätzen wird von der Rechtsprechung der vorgeschlagene Höchstbetrag nicht so verstanden, dass der Betrag im Falle nachweislich höherer Kosten stets oder auch nur im Regelfall mit diesem Höchstbetrag zu bemessen wäre (OLG Innsbruck LSK 1984/120 ua).
De facto decken die zugesprochenen Beträge „nur einen Bruchteil der tatsächlichen Verteidigerkosten“ ab (so Seiler, Strafprozessrecht11 [2010] Rz 1275).
Zwar wird vom Fachschrifttum aufgezeigt, dass weder den geltenden Verfassungsbestimmungen noch der Judikatur des EGMR eine Verpflichtung, dem Freigesprochenen sämtliche oder auch nur bestimmte Aufwendungen für seine Verteidigung zu ersetzen, entnommen werden kann (Lendl, in Fuchs/Ratz [Hrsg] Wiener Kommentar zur Strafprozessordnung § 393a Rz 13 mNw). Doch selbst soweit in der Literatur die Forderung nach einem gänzlichen Ersatz der Verteidigungskosten nicht erhoben wird, wird zumindest eine Erhöhung der vorgesehenen Maximalbeträge aus Gründen der „Rechtskultur“ für gerechtfertigt erachtet (Lendl aaO).
Die eben angesprochene „Rechtskultur“ ist es auch, die Befürworter eines vollen Kostenersatzes ins Treffen führen (Birklbauer, RZ 2001, 110). Sie verweisen zudem darauf, dass Beschuldigte, wenn sie freigesprochen werden, nicht „durch das Strafverfahren geschädigt bleiben“ dürfen (idS Bertel/Venier, Strafprozessrecht5 [2011] Rz 686).
2. Stellungnahme des Justizministeriums:
Die Forderung nach vollständigem Ersatz der Verteidigungskosten bei rechtskräftigem Freispruch erscheint sachlich durchaus begründet, der damit ausgelöste finanzielle Mehrbedarf kann aber aus dem Justizbudget nicht annähernd gedeckt werden.
Aus Sicht des Bundesministeriums für Justiz ist daher der aktuell einzig gangbare Weg, die Höchstbeträge des § 393a StPO spürbar zu erhöhen und damit den Gerichten bei der Entscheidung über die Höhe des Zuspruches einen höheren Ermessensspielraum einzuräumen.
Die Justiz wird dazu mit der Österreichischen Rechtsanwaltskammer in Verhandlung treten. Einzelne Härtefälle werden bereits jetzt durch das Institut der Verfahrenshilfe abgefedert. Für Verfahrenshilfeanwälte mildert die Vergütungsmöglichkeit nach § 16 Abs. 4 RAO die Problematik länger dauernder Verfahren.
3. Stellungnahme des Finanzministeriums:
Da die in der Petition aufgeworfene Fragestellung justizpolitischer Natur ist und somit den Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Justiz anspricht, kann seitens des Bundesministeriums für Finanzen lediglich der haushaltsrelevante Aspekt releviert werden: durch den vollen Ersatz der Verteidigungskosten würde zu wesentlich höheren Ausgaben im Justizressort kommen. Eine Erhöhung der Ausgaben ohne Bedeckung würde den vereinbarten Konsolidierungspfad konterkarieren und müsste daher durch Umschichtungen im Budget des Bundesministeriums für Justiz bedeckt werden.
Mit einem Wort: Alle sehen die Berechtigung eines Ersatzes der Verteidigungskosten im Fall eines Freispruchs ein. Die Volksanwaltschaft fordert die Umsetzung. Das Finanzministerium sagt, es hat dafür kein Geld, das müsse die Justiz bezahlen. Das Justizministerium meint, das sei viel zu teuer, man könne bestenfalls Härtefälle abfedern und die absurd niedrigen Höchstsätze der Rückerstattungen, wie sie das Gesetz vorsieht, etwas erhöhen, auch wenn dadurch nie alle Kosten beglichen werden. Jetzt wird sich der Justizausschuss des Parlaments mit dieser Frage beschäftigen müssen.
Also wenn ich jemanden zivilrechtlich Klage, den Prozess verliere und dann argumentiere, ich werde nichts rückerstatten, weil das zu teuer ist, dann werde ich gepfändet. Warum sollte sich der Staat hier ohne Konsequenzen aus der Affäre ziehen können?
PS: Die Petition gegen die Vorratsdatenspeicherung hat mit 100.000 Zustimmungserklärungen mit Abstand die meisten aller Petitionen erhalten, soweit ich weiß. Auch diese Petition wurde dem Justizausschuss zugewiesen. Der Bericht auf der Parlamentswebseite dazu lautet: Unterschiedliche Auffassungen zwischen den Fraktionen gab es in der Frage der weiteren Vorgehensweise zur Behandlung der Bürgerinitiative betreffend “Stoppt die Vorratsdatenspeicherung”. Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) wertete es angesichts der starken Unterstützung der Bürgerinitiative durch mehr als 100.000 Unterschriften – was sie einem Volksbegehren vergleichbar mache – als angebracht, ein Hearing im Ausschuss abzuhalten. Dieses Anliegen wurde auch von den beiden FPÖ-Abgeordneten Susanne Winter und Bernhard Vock sowie von Ausschussvorsitzender Ursula Haubner (B) unterstützt, die Opposition konnte sich damit aber nicht durchsetzen. Die Bürgerinitiative wurde schließlich auf Vorschlag der Abgeordneten Anna Höllerer (V) und Rosa Lohfeyer (S) dem Justizausschuss zugewiesen. Höllerer argumentierte, dass das Thema im zuständigen Fachausschuss besser aufgehoben sei und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung von vielen Seiten kritisch gesehen werde.
Hab damals (allerdings anonym) unterschrieben, hätte nicht gedacht, dass nur so wenige zusammenkommen:(
Gibt es jetzt noch eine weitere Instanz(Europäicher Gerichtshof) oder wars dass?bzw verursacht das weite e Unkosten?
Hallo Martin, meine Frage ist offtopic. Wieso bist du nicht auf twitter? (Zumindest hab ich dich nicht gefunden) Ich glaub da könntest du deine Reichweite potenzieren? LG aus wien
“Also wenn ich jemanden zivilrechtlich Klage, den Prozess verliere und dann argumentiere, ich werde nichts rückerstatten, weil das zu teuer ist, dann werde ich gepfändet. Warum sollte sich der Staat hier ohne Konsequenzen aus der Affäre ziehen können?”
Völlig richtig!! Der Staat muss sich halt auch überlegen anfangen, welche Leute er sich selbst als Mitarbeiter zumuten möchte. Werden die falschen Leute ausgewählt, kommt das eben teuer. Hätte man den StA entlassen statt ihn zu befördern, hätte das andererseits auch wieder Geld gepart. Ich sehe da durchaus noch Einiges an Einsparungspotential. Auch etwa bei der Polizei und zwar bei gewissen Posten…
kann man nur hoffen, dass die schamgrenze des österreichischen staates nun um einiges höher gezogen wird nachdem er sich mit krimineller zielgesetzter diskriminierung + verfolgung unschuldiger sehr weit für lobbyinteressen aus dem fenster lehnte
Blöd weil Staatsanwälte und ermittelnde Beamte keine Verantwortung dafür tragen müssen und sich immer wieder rauswinden. Das sind die eigentlichen Schuldigen. Vielleicht kann man auch EU Ebene auf Entschädigung klagen, weil es auch eine Menschenrechtskonvention gibt. Ist ja das selbe wie Diebstahl….