20. April 2024

Die alltägliche Brutalität von Tierversuchen

 

Ich lese im New Scientist, einer Zeitung über wissenschaftlichen Fortschritt. Tauben wurden operativ Elektroden in verschiedene Gehirnteile eingepflanzt. Dann setzte man die Tiere einem Magnetfeld aus und maß die elektrische Aktivität, um festzustellen, ob das Gehirn darauf reagiert. Wie anders könnten Brieftauben nach Hause finden? Zwei Seiten weiter wird davon berichtet, wie in einer Fläche eines Waldes alle Ameisen getötet wurden, um zu schauen, was dann in diesem ameisenfreien Wald anders läuft. Im übernächsten Artikel geht es um Experimente an gelähmten Ratten, denen Laufroboter einoperiert wurden. Dann handelt ein Text von Monogamie und Promiskuität beim Menschen, und prompt werden Wühlmäuse gentechnisch so manipuliert, dass vormals promiskuitive Tiere mit Genen einer anderen Wühlmausart monogam werden.

Die wissenschaftlichen Fragestellungen sind durchaus interessant. Aber mit welcher Kälte und Ignoranz über das unsagbare Leid der betroffenen Versuchstiere hinweggegangen wird, erschüttert mich jedes Mal bis ins Mark. Warum ist für diese Menschen das Tierleid so vollkommen egal? Hier geht es ja nicht einmal um die Entwicklung von Heilmethoden für Menschen, sondern ausschließlich um Neugier, um die Erweiterung des Erkenntnisstandes der Menschheit – offenbar egal um welchen Preis. Die Freiheit der Wissenschaft, zu erforschen was sie will, steht als Grundrecht so hoch über dem Tierschutz, dass jedes beliebige Experiment grundsätzlich durchgeführt werden darf, eine Kommission achtet lediglich darauf, dass die Durchführung möglichst human erfolgt. Das reicht aber nicht!

Wir vom VGT haben kürzlich eine Liste von Tierversuchen in Österreich der letzten Jahre veröffentlicht, siehe https://vgt.at/actionalert/tierversuche/beispiele/index.php. Diese Liste zeigt, mit was für einer Brutalität und Rücksichtslosigkeit auch hierzulande das Primat der Grundlagenforschung, d.h. der Forschung aus Neugier, über das Tierleid gestellt wird. Zahlreiche Beispiele von Genmanipulation belegen, wie man einfach herumspielt, neue Tierarten und Genmutanten produziert, die dann Hautkrankheiten, Rückenmarksentartungen oder Knochendeformationen entwickeln, und dabei offenbar nicht eine Sekunde das Leid berücksichtigt, das man diesen Tieren zufügt.

Pavianen wird mit Schlangengift ein Blutschock zugefügt, anderen Affen zersägt man die Oberschenkel, um sie wieder zusammen zu operieren, Beagles werden die Zähne ausgebrochen und durch Implantate ersetzt, Katzen gelähmt und elektrisch stimuliert, Kaninchen in kochendes Wasser getaucht. In zahlreichen Tierversuchen werden Nahrungsmittelabgaben getestet, z.B. Kaffee, Grüner Tee, Kreatin, sowie Nahrung mit Magnesiummangel oder Vitamin D Mangel.

In der Hirnforschung werden in Österreich vor allem Ratten malträtiert. Man schlägt ihnen auf den Kopf, öffnet die Schädeldecke und verletzt Hirnbereiche, taucht sie 20 Minuten unter Wasser, um einen Hirnschaden durch Sauerstoffmangel auszulösen, oder vergiftet Hirnteile durch Verabreichung von Substanzen. Bei Schweinen löst man auf verschiedenste Weise einen Herzinfarkt aus, z.B. durch Luftentzug, Elektroschock, Hirnschlag oder Medikamente, nur um die Tiere nach einer vorgegebenen Zeitspanne wiederzubeleben, obwohl österreichweit täglich menschliche PatientInnen mit Herzstillstand wiederbelebt werden. Man führt Operationen durch, am Kiefer bei Schafen, am Knie bei Ratten, am Gesichtsmuskel bei Kaninchen usw. Oder es werden Tiere mit Krankheiten infiziert, z.B. mit einer gentechnisch künstlich hergestellten Form von Grippe, mit menschlichen Streptokokken, mit künstlichem Diabetes, mit Asthma oder der Schwarzkopfkrankheit, nur um den Krankheitsverlauf zu studieren. Es sage mir niemand, die Tierversuche in Österreich seien eh harmlos, im Vergleich zu dem, was anderswo geschieht.

Wir brauchen ein neues, strenges Tierversuchsgesetz. Wir brauchen ein Genehmigungsverfahren, das Tierversuche, deren Nutzen lediglich in der Befriedigung der Neugier besteht, die aber schweres Leid verursachen, kategorisch verbietet. Die Freiheit der Wissenschaft muss durch Tierschutz eingeschränkt werden können!

9 Gedanken zu “Die alltägliche Brutalität von Tierversuchen

  1. Die Menschen die so etwas tun haben auch mit Menschen kein Mitleid. Sie tun es nicht für das Wohl der Menschen, auch dann nicht wenn es angeblich um medizinischen Fortschritt geht. Das sind eigentlich gar keine echten Menschen und sie würden jederzeit dasselbe auch mit Menschen tun, würde man sie lassen. Im Tierversuch wird ja z.B. auch Folter erprobt, die man später an Menschen ausübt. Das hatten wir ja schon alles. Früher durften sie Juden für ihre Versuche verwenden, heute wo man das verboten hat, nehmen sie mit Tieren vorlieb. Trotzdem wird alles später auch an Menschen getestet, was man gerne verschweigt. Man geht in arme Länder und testet wild drauflos. Weil Tiere nun doch anders reagieren als Menschen lässt sich das ja auch nicht ändern. Irgendwann müssen Menschen herhalten.

    Es gibt auch die Theorie, Tierquälerei sei so etwas ähnliches wie eine moderne Form des Opfers an die Götter. Man sagt angeblich sogar auch, man habe so und soviele Tiere geopfert.

    Zudem handelt es sich dabei um ein gutes Geschäft. Davon leben viele Leute recht gut.

    Wenn man etwas ändern will, muss man sich auch an die Leute wenden, die Tierversuche machen. Man muss ihnen Briefe schreiben und sie zu überzeugen versuchen. Man muss ihnen klar machen, dass man das was sie tun verabscheut und sie keine Helden sind die die Welt retten, sondern nur ein Haufen Sadisten und Geschäftemacher.

  2. Liebe Regina,
    Die obigen Zeilen sind in keiner Zeitung, ich habe sie geschrieben, weil ich mir so eine offene und unsere Tiergeschwister mit einbeziehende Berichterstattung vorstelle.

  3. Es ist nicht so, dass es den Menschen generell an Mitgefühl fehlen würde, auch wenn dieses durch kontinuierlichen Fleischkonsum in Mitleidenschaft gezogen wird. Tiere kommen einfach nicht vor in der öffentlichen Berichterstattung, das ist so gewollt. Dabei sollten wir doch eindringlich daran erinnert werden, dass Tag und Nacht ein organisierter Massenmord an wehrlosen Lebewesen vollzogen wird! Etwa auf Seite 1 von Tageszeitungen:

    Heute werden hierzulande wieder schätzungsweise 250.000 Tiere geschlachtet. Wir gehen heute auf Seite 6 der Frage nach, wie eine Fließbandschlachtung funktioniert und haben die ehemalige Schlachthauspraktikantin Christiane M. Haupt für ein aufschlussreiches Interview gewinnen können..

  4. Ich bin immer wieder tief betroffen, wenn ich Berichte über solch sinnlose und widerwärtige Brutalität lese. Wie pervers muss man sein, um zu so entsetzlichen Taten überhaupt fähig zu sein?
    Gut, dass es Menschen gibt, die sich mit aller Kraft für die Versuchstiere einsetzen!

  5. Die Tierversuchsbilder sollten von viel mehr Menschen angesehen werden. Statt der “glücklichen Milka Kuh” gequälte Versuchstiere auf Plakaten!! Der Mensch verdrängt ja gerne beim Essen seines Steaks oder beim Schmieren der Antifaltencreme. Wenn man den Bildern aber täglich begegnet fällt das schon schwerer.

  6. Die Erwähnung “Tierversuch” scheint so eine Art Qualitätsmerkmal zu sein. Kaum ein wissenschaftlicher Beitrag in dem nicht nebenbei die Bemerkung “im Tierversuch …” vorkommt. Für Menschen die diese Phrase aufnehmen und weiterdenken, für die endet so ein Satz in der unerträglichen Vorstellung gequälter Individuen. Obwohl die Sinnfrage, was das Quälen anderer Lebewesen betrifft, ohnehin obsolet ist, gibt es offensichtlich Versuche die auf reiner Neugier basieren und alle anderen noch an Sinnlosigkeit übertreffen.

    Aber was ist mit jenen Personen diese so grausamen Versuche durchführen? Liebkosen sie abends ihre Kinder und gehen anschließend mit dem Hund Gassi? Und woher kommt mir ein solches Verhalten nur so bekannt vor …?

  7. Das Foto der Ratte kenne ich aus einer deutschen Zeitung – einem Bericht darüber, wie gelähmte Menschen wieder laufen lernen sollen. Kein Wort über das Leid, das den Tieren dabei angetan wird. Auch nicht in den Kommentaren der Leser.
    Gestern ein Artikel über Handtransplantationen bei Menschen und ihre Erfolgsaussichten. Als letztes der Satz, dass zur weiteren Optimierung umfangreiche Tierversuche durchgeführt werden. Und mich schaudert beim Lesen angesichts der Vorstellung des Leids und der Schmerzen, das Tiere dafür werden erleiden müssen.
    Manchmal scheint es mir, als gebe es zwei Arten von Menschen, fühlende und andere. Und letztere sind scheinbar in der Mehrheit, wir anderen “unnormal”.
    Gibt es vielleicht ein Gen, das den Mitleidlosen fehlt? Und könnte man das in irgendeinem Menschenversuch erproben …?

  8. ..egal wie oft ich solche Bilder sehe, davon höre oder lese….immer wieder ruft es Stiche hervor, die mich mitten in mein Herz treffen, welche langsam abklingen, um beim nächsten Mal genauso stark hervorgerufen zu werden.

    …hätten doch nur mehr Menschen Mitgefühl mit diesen wehr- und schutzlosen Wesen…

    ♥-liche vegane Grüße und alles alles liebe, miss viwi

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