29. März 2024

Die Arroganz der Macht

Als im Jahr 2000 die ÖVP mit der seinerzeitigen Haider-FPÖ eine Koalitionsregierung begann, sahen wir im Tierschutz schwarz. Die ÖVP war sowieso traditionell gegen jeden Fortschritt im Tierschutz, die FPÖ bis dato keine Gesprächspartnerin. Doch dennoch sollte die Regierungsperiode von Schwarz-Blau jene sein, in der tierschutzgesetzlich mit Abstand am meisten weitergegangen ist. Des Rätsels Lösung: die starke grün-rote Opposition. Die SPÖ, in der Opposition, wurde nach ihrer langen Regierungszeit für Tierschutzfragen sehr zugänglich. Es gab Kooperationen der besonderen Art, wie z.B. eine Pressekonferenz von mir mit den TierschutzsprecherInnen von SPÖ und Grünen über die Ergebnisse von 125 „Einbrüchen“ durch TierschützerInnen in Schweinefabriken und was daraus für Forderungen abzuleiten sind. Aber insbesondere in den Fragen Tierschutz in die Verfassung, Legebatterieverbot und Tierschutz-Ombudsschaften konnten wir auf die volle Unterstützung der SPÖ und natürlich auch der Grünen rechnen.

Was damals die Festlegung der neuen Gesetze im Tierschutz auszeichnete, war eine Verhandlungsbereitschaft der Regierung und eine breite öffentliche Diskussion zu dem Thema, die von der Regierung zugelassen wurde – oder vielleicht zugelassen werden musste. So gab es 2002 eine Parlaments-Enquete, in deren Verlauf ich 3 Mal im Plenum des Parlaments zu Wort kam – übrigens nur um von der späteren Innen- und heutigen Finanzministerin Maria Fekter zu hören, wie lächerlich die Forderung eines Legebatterieverbots sei, wo doch die Hennen in den Käfigen ein so schönes Leben hätten! Fekter beeindruckte mich als eine besonders kalte und tierschutzfeindliche Person. Später sollte sie, während meiner U-Haft, als Innenministerin am Erntedankfest am Heldenplatz in Wien den VGT ganz offen mit Brandstiftungen in Zusammenhang bringen.

Vielleicht weil die Opposition so stark war und fast 50% der Wählerstimmen umfasste, und weil die Opposition sich die Tierschutzthemen zu eigen machte, gab es diese Diskussionsbereitschaft. Es wurde richtig verhandelt. Erstaunlich aber wahr: eine rechte Regierung unter ÖVP-Führung war letztlich fruchtbarer für legistische Tierschutzentwicklungen, als eine rot-schwarze Regierung unter SPÖ-Führung.

Offensichtlich ist es momentan so, dass die ÖVP in jeder denkbaren Regierungskoalition vorkommt und deshalb, möglicherweise, einen solchen Einfluss hat. Die SPÖ tanzt dazu wie eine Marionette. Doch leider muss auch konstatiert werden, dass die Dringlichkeit, mit der die ÖVP Tierschutz verhindern will, nicht durch das Ausmaß an Tierschutzinteresse bei der SPÖ wettgemacht werden kann. Wenn es um die große Politik geht, bleibt auch bei der SPÖ der Tierschutz auf der Strecke. Und die Opposition wird in keiner Weise in die Verhandlungen einbezogen.

Gestern im Wissenschaftsausschuss wurde jede Diskussion mit der Opposition verweigert. Zugegeben, der führende Kopf in Tierschutzsachen bei der SPÖ, Tierschutzsprecher Dietmar Keck, war wegen Krankheit verhindert (der ÖVP-Tierschutzsprecher war sowieso nicht anwesend). Aber die RegierungsvertreterInnen waren einfach nicht gewillt, die Opposition in auch nur irgendeiner Weise mitgestalten zu lassen, wie das Tierversuchsgesetz aussehen soll. Man diskutierte nicht, man wies die Änderungsanträge der Opposition zurück und man beschloss einfach den eigenen Entwurf. Demokratiepolitisch gesehen würde jetzt eigentlich erst die Diskussionsphase beginnen. In einem Parlament sollte, wie der Name schon sagt, diskutiert werden, und nicht einfach eine formal bereits gefällte Entscheidung durchgewunken. Jetzt sollte die Verhandlung der Regierung mit der Opposition beginnen, jetzt sollten ExpertInnen gehört und Vorschläge abgewogen werden. Doch nichts dergleichen geschieht, die OppositionsvertreterInnen winken bereits resigniert ab, wenn ich mit ihnen spreche. Die Sache sei gelaufen, heißt es, die Regierung habe sich festgelegt und sei unansprechbar.

Wird man so, wenn man mit großer Mehrheit in einer großen Koalition die Macht fest in der Hand hält? Fast sehnt man sich zu den Tagen der rechten Regierung zurück, in denen eine starke Opposition mit viel Tierschutzengagement wesentlich mehr mitzureden hatte und wirklich etwas weiterging.

3 Gedanken zu “Die Arroganz der Macht

  1. Alle politische Unregelmäßigkeiten werden logisch erklärbar, so man die leidige Tatsache akzeptiert, dass dahinter Drehbuch und Choreografie stecken. Demokratie gibt es nicht, weil ein Volk eben nicht herrschen kann, sondern es herrschen immer Menschen; nämlich jene, die auch herrschen würden, wenn es keine Demokratie gäbe … die Demokratie chiffriert sie nur.

  2. Dass sich die SPÖ alle Schlüsselministerien unterm A…. wegziehen hat lassen, ist für mich bis heute unbegreiflich und unverzeihlich. Diese Partei hat schon seit geraumer Zeit kein Rückgrat mehr. Und einen Abgeordneten wie den Kiberer Rudolf Plessl in den eigenen Reihen sitzen zu haben, zählt auch nicht unbedingt als Renomee.

  3. mir steigt die zornesröte ins gesicht, wenn ich daran denke, dass sich die spö, bei den damaligen kaolitionsverhandlungen, derart über den tisch ziehen hat lassen, nur um den kanzler zustellen. dabei hat die, für mich, nicht mehr ernst zunehmende partei jeden respekt verloren. man hat ressorts aus der hand gegeben, was früher undenkbar war.!!!

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