21. November 2024

Die Ethik von Schitouren

Schitour. Das heißt für mich meine Tourenschi auf der Lauffläche mit einem Fell überziehen – vegan, versteht sich – und hinaus in den Wald und in die Berge zu gehen. Schitourengehen ist wie das sommerliche Wandern, nur eben im Winter im Schnee. Die Schi mit den Fellen dienen dazu, nicht zu tief im Schnee einzusinken und beim Bergaufgehen nicht zurück zu rutschen. Ansonsten geht das Wandern damit genauso, wie mit Bergschuhen im Sommer. Die Menschen im Hohen Norden gehen schon seit mindestens 10.000 Jahren mit Schi im Winter. Anders ginge es gar nicht. Abfahrten sind kein notwendiger Teil einer Schitour, zentral ist für mich einfach, zusammen mit meinem Hundefreund Kuksi draußen zu sein, oft mit dem Zelt.


Und das „draußen-Sein“ ist für unser Wohlbefinden und inneres Gleichgewicht sehr wichtig. Kuksi findet das Leben in der Stadt sehr langweilig, ewig nur herumliegen, ohne irgendetwas Interessantes zu tun. Auch der Spaziergang in den Straßen oder in einem Park ist kein Ersatz für die Abenteuer draußen in der freien Natur. Ohne Wildniswanderungen wird Kuksi depressiv. Ich auch. Und mit uns offenbar sehr viele andere Menschen und Hunde, die Depression grassiert, wie überall zu lesen ist und die WHO warnt. Wie gesagt, auch unter Hunden. Kein Wunder, wir – Hunde und Menschen – sind weder für Steinwüsten noch für künstliche Parks gemacht. Wir brauchen das vielfältige Chaos einer Wildnis, eines Urwaldes, um die innere Ruhe und das Gleichgewicht wieder zu finden. So geht es jedenfalls Kuksi und mir.

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Dabei meiden wir Schipisten und Paradeschitouren wie der sprichwörtliche Teufel das Weihwasser. Für das Anlegen von Pisten – gar nicht zu reden von den Liften – wird die Natur auf lange Zeit hin völlig zerstört. Wir sind strikt gegen den Ausbau von Schigebieten. Die Menschen haben schon genug Schaden an der Natur angerichtet, jetzt müssen wir uns einbremsen, egal wie viele Menschen es gibt. Der Natur kann kein weiterer Raum genommen werden. Abgesehen davon haben der Lärm und die Menschenmenge auf Schipisten nichts mit einem Naturerleben gemeinsam. Kuksi und ich brauchen die Ruhe eines stillen Waldes, die Natur ohne jede menschliche Spur. Und wir hinterlassen auch keine. Schon kurz nach unserem Besuch ist nichts mehr davon zu merken, dass wir gerade noch da waren. Das ist die mildeste Form der Naturnutzung, die denkbar ist.

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Die Jägerschaft hat durch ihre ständigen Fütterungen im Wald eine übernatürlich hohe Wildpopulation geschaffen. Dabei interessiert man sich nur für die jagdbaren Tiere, wie Rehe und Hirsche, wichtige andere Arten, wie Füchse und Dachse, bekämpft man wie besessen. Diese Populationsdichten der Schalenwildarten sind durch den erhöhten Stress, die häufigeren Krankheiten und die vermehrten Autounfälle nicht nur ein Tierschutzproblem, sondern das gesamte Ökosystem Wald nimmt schweren Schaden. Im Burgenland, wo man sich wieder nicht dazu durchringen konnte, das Füttern zu verbieten, sind deshalb bereits 88 % des Waldes schwer geschädigt. Diese konventionelle Jagdform ist also das große Problem für Wald und Wild, nicht die stillen Wanderer mit Schi im Winter. Wildschutzzonen sollte es vor Fütterungen und gegen die JägerInnen geben!

Im Kanton Genf in der Schweiz wird nicht gejagt. Der leitende Wildtiermanager von dort war vor einem Jahr in Österreich zu Besuch und hat einen Vortrag über seine Erfahrungen gehalten, siehe https://martinballuch.com/40-jahre-jagdverbot-im-kanton-genf-eine-bestandsaufnahme/. Er hat erzählt, dass sich die Wildtiere ohne Jagd dem Menschen gegenüber viel zutraulicher verhalten und nicht flüchten. Erst wenn die Jagd im Nachbarland Frankreich beginnt, werden die Tiere schreckhafter. Meine Erfahrung ist das auch. Ich bin mit einem leinenfreien Hund auf einer Wiese in 1900 m Höhe gesessen, und keine 20 m neben uns haben die Gemsen friedlich gegrast. Keine Rede von Fluchtverhalten, wenn sie nicht bejagt werden.

Aber die Jägerschaft hat die schlimmsten Wutausbrüche, wenn sie SchitourengeherInnen sieht. Ihr Lieblingswort ist doch „natürlich“. Es sei natürlich, Tiere zu töten und zu jagen. Machen doch auch die Löwen. Nun, was ist natürlicher, als Winter wie Sommer durch den Wald zu wandern? Für einen Hund genauso wie für einen Menschen! Sollte sich ein Tier dadurch erschrecken, was hin und wieder vorkommt, dann ist das auch nur natürlich. Mit so etwas muss man umgehen können, wenn man sich in der freien Wildbahn befindet. Besser ab und zu erschrecken, und es passiert nichts, als durch Überfütterung in viel zu hohen Besatzdichten leben zu müssen, oder gar im Gatter, oder aus einer Zucht ausgesetzt auch noch getrieben und beschossen zu werden.

Die Schitour ist mit Abstand die verträglichste Form der Naturbegegnung im Winter. Viel weniger schädlich als die Jagd. Und ohne Naturbegegnung werden wir Menschen und Hunde, wie andere Tiere, depressiv. Gleichzeitig lässt sie uns die Natur in ihrer Unberührtheit wieder wertschätzen. Und wie sollen wir in Zukunft die Natur vor dem menschlichen Raubbau schützen, vor seinem unstillbaren Hunger nach Baugrund, Forststraßen und Schiliften, wenn nicht durch ein tiefes Naturverständnis, das unberührte Wildnis und intakte Ökosysteme respektiert?

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3 Gedanken zu “Die Ethik von Schitouren

  1. @Tella:
    Ich gebe Ihnen dahingehend Recht, dass die Kahlschläge, Forststraßen, Harvestermaschinen und Fichtenmonokulturen den Wald ganz brutal nachhaltig zerstören und auch die Lebensqualität der Tiere bedrohen, z.B. finden Bären nichts zu essen, wenn es keinen Mischwald gibt. Aber dennoch sind die Wilddichten viel zu hoch, weil überall gefüttert wird. Mir erzählen FörsterInnen, dass sie Fichten pflanzen müssen, weil alle anderen Bäume, insbesondere Tannen aber auch Buchen, als Jungpflanzen abgefressen und getötet werden. Es gibt keinen Jungwuchs mehr, außer jenen von Fichten, die aufgrund ihrer hölzernen Struktur kaum verbissen werden. Ich habe Wälder gesehen, wo das nicht so ist. Z.B. Wälder ohne Fütterungen aber mit ökologischer Jagd und ökologischer Forstwirtschaft, oder den Maurer Wald bei Wien, in dem nicht gejagt wird, in dem aber auch die Wildpopulation geringer ist, weil viele Menschen und Hunde spazieren gehen und nicht gefüttert wird. Solche Wälder mit Jungwuchs und Mischwald schauen ganz anders aus, als die Fichtenmonokulturen. Dabei würden Fichten in der Region unter 1000 m Seehöhe natürlicherweise überhaupt nicht vorkommen. Das sieht man, wenn man Urwälder in den Karpaten betritt. Und dort wird überhaupt nicht gefüttert.

  2. Eine Beobachtung zum Thema Wildfütterung
    Im Winter wenn Schnee liegt, schneide ich Misteln von Apfelbäumen. Das hab ich heuer bei 6 Bäumen gemacht. Misteln scheinen eine Delikatesse für das Wild zu sein. Es gehen richtige Trampelpfade aus dem Wald zu den Apfelbäumen wo die Misteln liegen. Als die Misteln aus waren und noch immer strenger Frost herrschte, hab ich eine kleinen Korb mit duftendem Heu zu einem der Fressplätze gestellt. Das wurde vom Wild überhaupt nicht angerührt – die nagen lieber die Rinde von den abgeschnittenen Apfelbaumholzästen.
    Das zeigt, das die Wildtiere auch bei grimmiger Kälte, keine Not leiden.

  3. Ich finde nicht das österreich zu hohe wild dichten hat und persönlich sehe ich auch nicht dass der wald darunter leidet. Durch unzählige spaziergänge über die letzten jahre hinweg befinde ich eher dass der wald durch falsche forstwirtschaft zerstört wird wie den einsatz von schweren maschinen und die unendlichen fichten monokulturen. Einmal einen förster oder bauern befragt, erklärten diese dass die fichte nunmal der am schnellsten wachsende baum sei und dies bei den sreigenden holzpreisen wichtig sei. Da sehe ich vielmehr die tiere bedroht als den wald

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