Genau 70 Jahre ist es jetzt her! Heute wandern wir mit Schi durch den dichten Wald, entlang des uralten Weges, den auch die Partisanen genommen haben müssen. Gute 2 Stunden von der letzten Straße entfernt kommen wir am Achnertörl in 1400 m Höhe an. Düster liegt der Nebel im Wald, die Abenddämmerung hat schon eingesetzt. Hier sind die Überreste einer alten Holzknechthütte – einer der Stützpunkte der Partisanen im Hochschwab!
Anfang Juni 1944 hatten sie 3 Sprengstoffanschläge durchgeführt: in Diemlach bei Kapfenberg, in der Jassing zwischen Leoben und St. Michael und in der Nähe von Großreifling an der Enns wurden Bahngleise gesprengt und Munitionszüge entgleisten. Wie immer nach solchen Aktionen teilten sich die Partisanen in kleine Gruppen auf und zogen sich in die tiefsten Wälder zurück. So landete ein Teil von ihnen in der besagten Holzknechthütte am Achnertörl. Gestapo und SS reagierten prompt. Ein Großaufgebot umstellte Teile des Hochschwabs und durchkämmte die Region. Auch um den Thalerkogel waren tausende Beamte zusammengezogen.
Die Gruppe in der Hütte hatte eine Nachtwache draußen im Wald postiert. Heute sind die Überreste dieses Blockhauses von Bäumen umgeben, aber vor 70 Jahren war hier noch eine Almwiese. Im Morgengrauen des 22. Juni 1944 meldete der Posten eine Frau, die auf die Alm gekommen war. Die Partisanen sprachen sie an und sie erzählte vom Nazi-Aufmarsch. Kurze Zeit später gingen 5 bewaffnete Männer auf die Hütte zu. Einer der Partisanen, Silvester Heider, schritt vor die Tür, weil er die 5 für eine Kapfenberger Partisanengruppe hielt, deren Ankunft erwartet wurde. Doch die Männer schossen sofort und der Partisan starb keine 5 m von der Hütte entfernt. Heute steht hier ein Gedenkstein (siehe Bild oben). Die restlichen Partisanen erwiderten das Feuer und flohen dann aus der Hütte. Dabei wurden 2 weitere Partisanen so schwer verwundet, dass sie später ihren Verletzungen erlagen.
Jetzt, 70 Jahre später, stehen wir am Schauplatz dieses Geschehens. Selbst die Mulde gibt es noch, etwas unterhalb der Hütte, in die einer der verletzten Partisanen gestürzt war. Die Nebelschwaden im Wald machen die Szene lebendig. Was das für eine Zeit gewesen ist!
Im Herbst 1943 saßen in Krumpen bei Trofaiach, gar nicht so weit von hier, Abteilungen von WiderstandskämpferInnen aus ganz Österreich zusammen und gründeten die Österreichische Freiheitsfront (ÖFF). Die Obersteiermark sollte neben Südkärnten das Zentrum des bewaffneten Widerstands sein. Im Hochschwab hatten sich schon Gruppen von Wehrmachtsdeserteuren eingenistet, die sich von Armeebeständen mit Waffen und schließlich auch mit Zelten versorgt hatten. Von dort aus wurde nun mit Anschlägen begonnen. Einige Partisanen hatten sich vorher den slowenischen Gruppen angeschlossen, um deren Taktik in das österreichische Kernland zu exportieren. Sie waren gut ausgerüstet und hatten Mitte 1944 auch genügend Waffen, schreibt Josef Martin Presterl 1947 in seinem Buch „Im Schatten des Hochschwab. Skizzen aus dem steirischen Widerstand“. Wie oft hätten sie diese zu grausamen Aktionen verwenden können! Wie leicht wäre es gewesen, diesen oder jenen Ortsgruppenleiter der NSDAP aus der Welt zu schaffen! Aber darin sahen sie nicht ihre Aufgabe, sie wollten das Regime zu Fall bringen und nicht einzelne Menschen. Bei allen ihren Zuganschlägen achteten sie streng darauf, keine Menschenleben zu gefährden, weshalb Personenzüge verschont blieben. Und der Partisan Max Muchitsch bestätigt 1966 in einem Bericht von der Zölz in seinem Buch „Die Partisanengruppe Leoben-Donawitz“: Es wäre für die im Dickicht liegenden Partisanen ein Leichtes gewesen, mit überraschenden Feuerstößen aus ihren Maschinenpistolen den Verfolgern große Verluste beizubringen. Es war jedoch keinesfalls Aufgabe der ÖFF-Partisanen, ahnungslose Menschen zu töten, weil diese, irregeleitet und verblendet durch die Göbbelsche Propaganda und durch die Nazimachthaber zur Landwacht eingezogen, vielleicht glaubten, gegen Banditen vorzugehen.
Ich kenne die Gegend dieser Partisanen gut. Ich war am Annabergl, wo ein Güterzug gesprengt wurde, oder in der Zölz, von der oben die Rede ist und in der es öfter Konfrontationen gegeben hat. Ich kenne die Kühbacheralm, wo bei einem Schusswechsel in Notwehr 2 SS-Männer getötet wurden, und die Kreuzen, die einer der Hauptstützpunkte der Widerstandskämpfer war. Die Partisanen hier und ihre Geschichte sind ein inhärenter Teil meiner Berge geworden.
Zu den Partisanen in Norwegen:
https://martinballuch.com/partisanen-im-widerstand/
Lieber Herr Balluch!
Am vergangenen Wochenende sind wir (meine Familie, ein Historiker aus Graz und ein paar andere interessierte Menschen) ebenfalls im Hochschwabgebiet auf den Spuren eines Partisanen unterwegs gewesen – nämlich um den Bunker am Fuß des Kleinen Kollmannstocks zu sehen, in dem mein Großvater Sepp Filz gemeinsam mit Max Muchitsch und Heinrich Kohnhauser 1944/45 überwintert hat. Wir haben dort übernachtet, wo die drei unter widrigsten Bedingungen und unter ständiger Lebensgefahr Zuflucht gefunden haben und es wurden zwei beeindruckende Tage. Auch aufgrund der Erzählungen von Heimo Halbrainer, der in den 90-er Jahren seine Diplomarbeit über meinen Opa schrieb und somit viel mehr über ihn weiß als meine Brüder oder ich. Die DA soll übrigens als Buch heraus gegeben werden. Vielleicht ist das auch für Sie interessant.
Liebe Grüße,
Alice