5. November 2024

Ein Hund ist ja kein Mensch! – oder doch?

Wenn ich von meinem partnerschaftlichen Zusammenleben mit Kuksi berichte, da schütteln manche den Kopf. „Ein Hund ist ja kein Mensch“, heißt es dann. Den muss man ganz anders behandeln. Ein Hund ist kein Mensch. Stimmt. Und eine Frau ist kein Mann, ein Schwarzer kein Weißer. Was sagt uns das? Es mag Unterschiede geben, wesentlich ist doch die Gemeinsamkeit. Was sollen also ein Hund und ein Mensch nicht gemeinsam haben, das einen unterschiedlichen Umgang rechtfertigt?

Eine seltsame Vorstellung zu Hunden und Menschen, die offenbar kursiert, ist, dass Hunde Natur seien, Menschen aber Kultur. Kürzlich traf ich einen Hundehalter – und er war nicht der erste –, der mir erklärte, Hunde haben in einem Haus nichts verloren. Mit diesen Worten verbannte er seinen Hund in den heißen Hof seines Hauses, während er im kühlen Inneren blieb. Gleichzeitig zeigte sich derselbe Mann darüber entrüstet, dass ich meinen Hund vegan ernähre. Also Fleisch brauchen Raubtiere wie Hunde, um gut zu leben, aber ein kühles Haus nicht. Sie sind eben Tiere und keine Menschen.

Ich empfinde das als total seltsam. Nach 30 Jahren Zusammenleben mit 3 Hunden meine ich, dass Hunde genauso gerne, wie ich, auf weichen Betten liegen und sich in kühlen Räumen aufhalten. Da besteht kein Unterschied. Und wenn ich sehe, wie begeistert Kuksi die vegane Maxidogwurst von Vegusto verzehrt, dann scheint mir nicht, dass ihm ausgerechnet ein gewisses Geschmackserlebnis fehlt. Sein Ernährungsstatus ist jedenfalls laut mehreren Tests hervorragend. Umgekehrt teilen mein Hundefreund und ich die Begeisterung für die Natur und das Wandern in einer menschenleeren, schier endlosen Wildnis. Irgendwie ist mir nicht klar, was jetzt am Hund so anders sein soll.

Ein anderer Einwurf: wenn ein Hund etwas nicht isst, das ihm schmecken würde, das aber auf meinem Esstisch statt in seiner Schüssel liegt, dann kann das nur an Konditionierung oder Angst vor Strafe liegen. Komisch. Ich habe Kuksi nie in diese Richtung konditioniert, ja, ich wäre nicht einmal besonders böse, wenn er sich so etwas doch nehmen würde. Aber er tuts nicht. Einfach so. Ich habe ihn schon einmal 8 Stunden lang alleine Zuhause gelassen, mit Überresten eines für ihn guten Essens am Tisch, und er ließ alles wie es war. Er hat auch schon ein Paar Bioschweinefleisch-Frankfurter, die ihm ein Passant geschenkt hatte, und die ich zwischenzeitlich auf das in Hundenasenhöhe befindliche Dach unseres Radbuggys gelegt hatte, die gesamten 10 Minuten ignoriert, die ich im Geschäft war, obwohl er die Wurst gerne gehabt hätte und ihm sicher nicht böse gewesen wäre. Es war ja sowieso seine. Meine Interpretation davon ist, dass ihm die Regeln unseres Zusammenlebens sehr klar sind, und dass er sich freiwillig und ohne Strafdrohung daran hält. Wie könnte das anders interpretiert werden, zumal er die Regeln auch bewusst brechen kann. Das tat er einmal z.B., als wir in der Nacht sehr laute Gäste hatten, er sich gestört fühlte und nach oben zu Bett ging, nur um dann bewusst und absichtlich unsere Regel zu brechen, dass er mich fragen soll, bevor er das Bett betritt, weil er schmutzig sein könnte. Hunde verstehen offensichtlich schon, was die sozialen Regeln sind, und halten sich freiwillig daran. Wie wir Menschen. Wer entwickelt schon für sich alleine eine gut durchdachte, rational begründete Ethik unabhängig von jenen sozialen Regeln, mit denen er/sie aufgewachsen ist?

Ein anderer Unterschied: Hunde seien anderen Hunden gegenüber einfach aggressiv, wir Menschen offenbar nicht. Also wenn ich an meine Teenagerzeit zurückdenke, kann ich das nicht unterschreiben. Als junger Mann auf der Straße in der Nacht ist man ständigen Aggressionen durch andere Menschen ausgesetzt, junge Männer weisen die höchste Rate von Körperverletzungen durch Angriffe anderer Menschen auf, als alle anderen Menschengruppen. Ich bin in dieser Zeit sicherlich mehrmals pro Jahr zum Teil sehr ernsthaft verletzt worden. Und die Hunde? Seltsamerweise ist Kuksi – und sind mit ihm die anderen beiden Hunde, die mit mir zusammengelebt haben – an Aggressionen gegenüber anderen Hunden überhaupt nicht interessiert. Im Gegenteil, er ist besonders gut darin, die Aggression anderer Hunde zu besänftigen. In seinen 7 Jahren mit mir zusammen hat es nur ein einziges Mal einen Streit gegeben, bei dem es Verletzte gab. Er zog sich ein blutiges Ohr zu. Halb so wild, harmlos im Vergleich zu meinen Teenyjahren. Wieder sehe ich den großen Unterschied zwischen Hund und Mensch nicht so ganz.

Unterschiede, die mir auffallen: er interessiert sich für tote Körper und Kot viel mehr als ich, und graust sich wesentlich weniger; er friert nicht nackt im Schnee; er bellt sehr laut in geschlossenen Räumen, wenn er etwas für ihn Seltsames sieht oder hört, und kann nicht verstehen, dass mir das in den Ohren wehtut. Ja, und er schnüffelt andere Menschen oft an, was ich auch nicht tue. Aber da hört die Liste der Unterschiede auch schon wieder auf.

Mein Eindruck ist jedenfalls, dass mein Hundefreund Kuksi mir ähnlicher ist, als die meisten Menschen, die mir so begegnet sind. Hunde mögen keine Menschen sein, aber Hunde und Menschen unterscheiden sich im Gesamten weniger, als sich Hunde bzw. Menschen untereinander unterscheiden.

6 Gedanken zu “Ein Hund ist ja kein Mensch! – oder doch?

  1. Toller Artikel. Ich habe mich selbst darin gefunden, wie Sie über Kuksi erzählen. So geht es mir mit meinen zwei Hunden. Und ich habe einen Yorkshire und einen American Staffordterrier und wenn ich mir die zwei anschaue – das Zusammenleben – für mich ist das unbeschreiblich wunderbar ein Teil ihres Lebens zu sein. Sie zeigen mir jeden Tag, wie einfach es ist zu verzeihen und zu vergeben. Wie einfach und friedlich wir miteinander leben können. Hunde lieben endlos ihren Herrchen und Frauchen. Ja, sie träumen sogar nur von ihnen, wenn sie nachts kuschelnd einschlafen.Tiere sind bessere Menschen. So vieles wird auf der Erde zerstört, darunter auch die armen Tieren. Allein schon aus reiner Geldgier und Macht, machen wir mit ihnen alles. Entertainment, Klamotten, billiges Futter etc. etc. etc. . zum Fremdschämen ist das. Aber wir, Tierschützer und Tierliebhaber müssen positiv bleiben und sowohl die Hoffnung und den Ziel nicht aufgeben, dass die Welt sich bessert. Für die Tiere und für die Menschheit.

  2. Also einen Hund nicht mit in die Wohnung zu nehmen finde ich schon merkwürdig. In meinem Bett schlafen lassen würde ich Ihn jetzt nicht gerade lassen. Wird halt auch gefährlich wenn er dann der Chef sein will.

    1. Gut, dass du gemerkt hast, dass es schon merkwürdig ist den eigenen Hund nicht mit in das Haus zu nehmen. Wozu besitzt man den ein Hund überhaupt, wenn man sich nichts teilt? Was ich von meinen Hunden kenne ist, dass sie nie “den Chef” spielen wollen. Und ich rede hier von einem American Staffordt. Manchmal, warten sie auf mich bis ich ins Bett komme und kuscheln sich an mich. Hunde sind so abhängig von ihren Herrchen und Frauchen. Ihre Liebe zu uns ist endlos groß.

  3. Den Artikel und die Ansichten kann ich nur unterstreichen. Ich sehe selbst, wie gerne mein Hund auf dem Sofa liegt, sich irgendwo einkuschelt, wo wir es auch gemütlich fänden usw. Nun, wenn so etwas Verführerisches auf dem Tisch liegt, dann würde er wohl zugreifen, aber nur wenn ich nicht da bin. Sonst sagt er sich, da überschreite ich eine Grenze, die darf ich nicht überschreiten und das Herrchen kann die Tat mir auch noch zuordnen, zumindest bilde ich mir diesen Gedankengang ein.

  4. Nun wenn sich Kuksi weniger von Dir unterscheidet als andere Menschen, dann liegt das natürlich daran, was Du gerade als relevant vergleichst. Mit der selben Logik können alle beliebigen Subjekte und Objekte mit einander als ähnlicher beschrieben werden als gegenüber anderen. Dazu ist es nur nötig den Vergleich auf allein jene Aspekte zu beziehen, die eben gerade sehr ähnlich sind und alle anderen zu übergehen.

    Freilich basiert die Behauptung, dass Menschen so sehr anders wären als andere Tiere, auf dem selben Prinzip.

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