Spätsommer, auf einer Alm in der Kreuzeckgruppe in den Hohen Tauern, Kärnten. Meine Familie und ich verbringen dort ein paar ruhige Tage. Das Wetter ist stabil, die Abende werden schon angenehm kühl, die Kühe sind bereits ins Tal gebracht worden. Nichts kann die paradiesische Ruhe stören – so dachten wir.
Um die Almhütte gab es einige sehr vertrauensselige Murmeltiere. Eines davon ist auf dem Bild oben zu sehen. Auch eine Familie, die die letzten Sonnenstrahlen vor der langen Winterruhe genoss. Man konnte sich ihnen auf wenige Meter nähern. Der Bau war vielleicht 30 m von der Hütte entfernt. Wunderschöne Begegnungen mit frei lebenden Tieren, die von sich aus die Nähe von Menschen zuließen. Großartig, insbesondere für meine Tochter, die sich immer mehr für Tiere zu interessieren beginnt.
Doch dann braute sich ein Unheil über der beschaulichen Ruhe und scheinbaren Geborgenheit zusammen. Eines Morgens kam ein Mann mit zwei jungen Burschen aus dem Tal herauf. Vielleicht 50 m von der Hütte entfernt blieb er stehen. Wir waren gerade einige hundert Meter weiter an einem Bach. Aus dem Augenwinkel beobachtete ich die drei.
Der Mann packte ein Gewehr aus, lud es und gab es dem kleineren der beiden Burschen. Der kniete sich auf den Boden, legte das Gewehr auf einen Fels, zielte – und schoss! Ich konnte es gar nicht fassen, wunderte mich noch, warum diese Leute gerade hier zielschießen müssen.
Doch dann ging der Mann einige Meter weiter, hob etwas Schweres, Sackartiges vom Boden auf, zeigte es den Burschen und hängte es an seinen Rucksack. Da erkannte ich dieses etwas: es war eines unserer Murmeltierefreunde! Unfassbar!
Ich lief hinüber und stellte die drei zur Rede. Der Mann war aus Südtirol, ein Italiener. Der Schütze sein 14 jähriger Sohn, der sich zum Geburtstag den Abschuss eines Murmeltieres gewünscht hatte. Der zweite Bursche war 17 Jahre alt und der Jagdführer für diesen Tag, in Vertretung seines Großvaters, der dieses Jagdrevier gepachtet hatte.
Wozu, um alles in der Welt, wozu musste dieses harmlose Tier sterben? Mit dieser Frage ließen sie mich zurück. Für die drei war die Antwort selbstverständlich, wenn auch nicht artikulierbar. Eine undifferenzierte Lust. Für uns war der Frieden zerstört, das Paradies verloren. Wie kann uns die Murmeltierfamilie jemals verzeihen?
Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, wieso solche Menschen zu keinerlei Mitgefühl mit ihren Opfern fähig sind. Mich reißen derartige Erlebnisse noch Wochen später schweißgebadet aus dem Schlaf. Ich höre den Schuss, sehe, wie sich das Murmeltier in Schmerzen windet, blicke in seine starren Augen. Ein so schönes Leben völlig sinnlos und brutal beendet. Eine Familie hat eines ihrer geliebten Mitglieder verloren. Wozu? Meine Frage verhallt im Nirgendwo.
Diese Jagd war ganz klar illegal. 14 Jährige sind für so etwas noch zu jung. Aber der Almbetreiber bat mich, von einer Anzeige Abstand zu nehmen. Das würde auf ihn zurückfallen. Und überhaupt – wer hält sich in Österreich schon an die Jagdgesetze? Ist ja meistens niemand dabei, der das überwacht.
Derselbe Jagdpächter ist übrigens gerade dabei, die Gemeinde dazu zu bringen, eine Forststraße bis zur Alm und weiter in den Talschluss bauen zu dürfen. Dann müssen seine Jagdgäste nicht mehr so weit gehen. Neben dem Mitgefühl für Tiere fehlt da auch die Wertschätzung für unberührte Natur. Alles muss genutzt und in Geld umgewandelt werden. Kein Tier und kein noch so kleines Fleckchen Bergwald ist davor sicher. Mir graut.
Unglaublich, wie hirn- und herzlos Menschen, insbesondere Jäger, sein können! Keine Achtung und kein Respekt vor anderen Lebewesen!
Tut mir leid! Grauenhaft:( Marion