Manche Menschen lieben ihre Autos und leiden, wenn diese am Schrottplatz landen. Der Mensch könnte den Hund auf dieselbe Weise wie sein Auto lieben, sagen manche KritikerInnen, aber vom Standpunkt des Hundes sehe es anders aus. Der warte nur auf sein nächstes Leckerli, halte sich lediglich in der Nähe seines Bezugsmenschen auf, um möglichst viel Futter zu bekommen, und sehe die Menschen in seiner Umgebung nur als Auslösereize für die Befriedigung möglichst vieler seiner angeborenen Bedürfnisse. Doch seit Erscheinen des Buches „Bindung zu Tieren“ von Julius, Beetz, Kotrschal, Turner und Uvnäs-Moberg im Hogrefe Verlag 2014 ist diese Position nicht mehr haltbar. Mit großem Wissen über die in Fachzeitschriften veröffentlichte Literatur und vielen neuen Forschungsergebnissen wird eindrucksvoll naturwissenschaftlich bestätigt, was verständige HundehalterInnen schon lange wussten: die Liebe in einer Beziehung zum Hund ist beidseitig.
Der Schreibstil ist fachlich und kalt, für viele sicher gewöhnungsbedürftig. Unangenehm stößt auch die Leichtfertigkeit auf, mit der von Ergebnissen invasiver Tierversuche berichtet wird. Dennoch kann ich dieses Buch nur allen empfehlen, die naturwissenschaftliche Belege überzeugen und sich für Hunde interessieren. Am Ende des Buches werden auch klar ethische Positionen bezogen, in denen der Hund als Partner und Person respektiert wird. So sollten Hunde „das Recht“ haben (bemerkenswert, weil Rechte sind an den Personenstatus gebunden), Therapiesitzungen mit psychischen PatientInnen abzubrechen, und die Nutzung von Hunden müsse sich auch daran orientieren, dass sie selbst Freude dabei haben und einen Vorteil daraus ziehen. Zuletzt wird die Wissenschaftscommunity aufgefordert, mehr naturwissenschaftliche Forschung dahingehend zu betreiben, was es vom Standpunkt der Hunde für sie selbst bedeutet, mit Menschen in Beziehung zu treten.
Physiologisch und neurobiologisch teilen Hunde mit Menschen die „soziale Werkzeugkiste“ für Struktur, Mechanismen und Funktion sozialer Beziehungen. Das umfasse das Verständnis für soziale Regeln, den Umgang mit Konflikt und Versöhnung, das Trösten, die aktive und passive soziale Unterstützung und die Rythmizität und Musterbildung in dyadischen Verhältnissen. Für echte zwischenartliche Beziehungen, wie zwischen Mensch und Hund, seien auch soziale Kognition, Individualerkennung, episodisches Gedächtnis, Perspektivenübernahme, das Wissen um Beziehungen zu Dritten, ein Zeitkonzept und eine gewisse Fähigkeit zur Planung erforderlich. Die Stimmungsübertragung zwischen FreundInnen würde z.B. durch Spiegelneuronen bewerkstelligt, die sich auch schon bei Vögeln finden, die also evolutionär älter als die Vögel-Säugetiertrennung vor 230 Millionen Jahren sein müssen.
Psychologisch werden 4 Bindungstypen unter Menschen angegeben: die sichere, die unsicher-ambivalente, die unsicher-vermeidende und die desorganisierte Bindung. Alle diese Typen mit ihren Charakteristiken finden sich auch in der Mensch-Hund Beziehung. Bei der desorganisierten Bindung bricht das Vertrauensverhältnis durch Misshandlung und Ängstigung, der Mensch versucht den Hund völlig zu kontrollieren. Die unsicher-vermeidende Bindung entsteht durch distanzierte Fürsorge, wie z.B. wenn der Hund als Arbeitstier (Wachhund) oder Prestigeobjekt angesehen wird. Die unsicher-ambivalente Bindung ist durch ein Überbehüten und eine zu große physische Nähe ohne ausreichend emotionale Zuwendung verursacht, wenn der Hund nicht als eigenständige Persönlichkeit wahrgenommen wird. Die sichere Bindung basiert auf gegenseitigem Vertrauen und einer flexiblen Fürsorge, die dem Hund auch seine Freiheit lässt, selbständig Erfahrungen zu machen und Probleme zu lösen. Durch die Sicherheit, bei unlösbaren Schwierigkeiten von seinem menschlichen Partner Hilfe zu finden, entwickelt der Hund Selbstvertrauen und eine Autonomie, die ihm die echte gegenseitige Beziehung ermöglicht, in der auch er dem Menschen Fürsorge und soziale Unterstützung bieten kann. Hund und Mensch sind sich dann gegenseitig Quelle für Trost, suchen bei Stress die Nähe zueinander, erleben die körperliche Nähe positiv und leiden unter der Trennung.
Zentral ist dabei die Ausschüttung des Hormons Oxytocin, sowohl beim Menschen als auch beim Hund, die sich durch eine sichere Bindung ergibt und die einen auf lange Zeit erhöhten Oxytocinspiegel mit sich bringt. Damit verbunden ist eine größere Stressresistenz, eine bessere soziale Kompetenz, erhöhte Feinfühligkeit und Empathie für die Gemütszustände anderer, weniger Angst, mehr Vertrauen und Ruhe, weniger Anfälligkeit für Depression und eine höhere Schmerzschwelle. Es ist dieser Effekt des Oxytocins, der Menschen mit einer Beziehung zu einem Hund nachweislich eine bessere Gesundheit und ein längeres Leben ermöglicht, sofern diese Beziehung sicher ist und auf Beidseitigkeit beruht.
Und das gilt im Übrigen auch für die zwischenartliche Beziehung außerhalb des menschlichen Bereichs, wie z.B. zwischen Hund und Ziege: http://www.greenerideal.com/science/0501-goat-and-dog-fell-in-love/.
Als die Studie der Bristol University auf Hunde und Ziegen Beziehungen ausgedehnt wurde, gab es eine kleine Überraschung. Ziegen haben nach sozialen Aktivitäten, wie Spielen, schneller und mehr Oxytocin ausgeschüttet als Hunde und Menschen. Und zwar gleich 4-5 mal mehr.
Man könnte behaupten, Ziegen lieben stärker oder tiefer? Oder man könnte behaupten, dass es sich bei Ziege-Mensch Beziehungen nicht um beidseitige echte Beziehungen handelt, da Menschen sehr oberflächliche Wesen sind verglichen mit den sozialen und emotionalen Huffern?
Darwin hat das ohne Hormonstudien schon gut beobachtet und argumentiert: “We have seen that the senses and intuitions, the various emotions and faculties, such as love, memory, attention and curiosity, imitation, reason, etc., of which man boasts, may be found in an incipient, or even sometimes a well-developed condition, in the lower animals.”
Der Wissenschaftler Paul Zak nennt Oxytocin übrigens “the moral molecule because it motivates us to treat others with care and compassion”. Hier sein Artikel aus The Atlantic:
http://www.theatlantic.com/health/archive/2014/04/does-your-dog-or-cat-actually-love-you/360784/
Diese Studie ist eine von Millionen, die beweist, dass die Evolutions-Theorie funktioniert und wir Menschen wie die Tiere sind und nicht umgekehrt. Darwin hat uns wissenschaftlich klar erklärt, dass es keine menschliche Moral gibt, sondern, dass wir diese diese einfach aus dem Tierreich geerbt haben. Leider erst nachdem Kant seinen intellektuellen Durchfall los wurde.
Richard Ryder hat in diesem Kontext richtig bemerkt: “On the one hand we all accepted Darwinism and therefore its message that we are all animals, and yet the moral implications of Darwin are still being denied.”
Kant hat vor Darwin gelebt und ist selber nicht “schuld” an dieser Situation. Es sind wir, die noch immer nicht, emotional, akzeptieren wollen, dass wir nur Tiere sind und alles was wir können und fühlen geerbt haben. Wir akzeptieren es hier und da rational, aber wir weigern uns emotional zu akzeptieren, dass wir nichts besonderes sind.
Ist der Wunsch etwas besonderes sein zu wollen die Wurzel für die menschlichen Foltertaten den Tieren gegenüber? Ich denke schon. Der Grund der Amerikanischen Sklaverei war nicht, dass Schwarze “schlechter” waren sondern dass Weisse dachten “besser” zu sein.