22. Dezember 2024

Hunde in der Gesellschaft

Wenn meine Hunde und ich anderen Menschen begegnen, dann gibt es sehr verschiedene Reaktionen. Manche Menschen freuen sich sehr, strahlen schon von der Ferne über das ganze Gesicht und interagieren sofort. Andere wiederum ärgern sich, bleiben stocksteif stehen, wenn ein Hund kommt, um sie zu beschnüffeln, und scheinen sich richtiggehend zu grausen. Vielleicht tue ich einigen dieser Menschen Unrecht, aber sie erinnern mich an jene WienerInnen, die damals 1979 bei den Rasenbesetzungen im Burggarten, an denen ich beteiligt war, die Nase über uns AktivistInnen rümpften. Warum wir uns nicht anständig anziehen, wie alle anderen, und auf den Bänken sitzen wollen, fragten sie vorwurfsvoll. Sie hatten klare, bürgerliche Vorstellungen, wie man sich zu verhalten hat, und dazu gehörte nicht, in einem Rasen herumzuliegen und am Ende noch in aller Öffentlichkeit zu schmusen.

Hunde sind in mancher Hinsicht nicht an bürgerliche Vorstellungen von Verhalten angepasst. So gehen sie ungeniert zu fremden Menschen hin und schnüffeln an ihnen. Auch ihre sexuellen Äußerungen verbergen sie nicht schamhaft, und Schmutz zu vermeiden scheint sie i.a. nicht sehr zu irritieren. Es bedarf also einer hohen Schwelle von Toleranz gegenüber Andersartigkeit, um mit Hunden eine Gesellschaft zu teilen. Insofern, ist mein Gefühl, können Hunde uns einiges darüber lehren, die eigene Sozialisation nicht zu verabsolutieren, und aus den gewohnten Erwartungsschemata auszusteigen und das Zusammenleben in einer Gesellschaft aus ganz anderer Perspektive zu sehen.

Vor einigen Monaten war ich mit meinem Hund im Stadtzentrum von Linz unterwegs, wie immer ohne Leine. Ein Museum hatte die Tür offen und mein Hund spazierte einfach an der Kassa vorbei in die Ausstellungsräume. Ich war perplex und meine erste Intuition war, so zu tun, als würde ich nicht dazugehören. Wenn er sich da einen Konflikt einhandelt, soll er ihn auch ausbaden. Die Frau an der Kassa hatte den Hund aber gar nicht bemerkt. Dieser drehte eine Runde zwischen den Gemälden und kam nach kurzer Zeit wieder fröhlich heraus getrabt, als wäre das das Normalste auf der Welt. Warum sollte das eigentlich auch nicht das Normalste auf der Welt sein?

Momentan gibt es im historischen Museum der Stadt Wien am Karlsplatz eine empfehlenswerte Ausstellung über die Geschichte der Hausbesetzungen in Wien, von Simmering 1975 und die Arenabesetzung 1976 bis zu den neuesten Projekten der letzten Jahre, darunter auch die Pankahyttn 2007. Was mir bei der Dokumentation letzterer ins Auge stach war eine Bemerkung im Briefverkehr der AktivistInnen mit der Gemeinde Wien. Es würden 50 „Panx“ und 25 Hunde im besetzten Haus wohnen, stand dort geschrieben. 1/3 der BesetzerInnen also Hunde? In Griechenland wurde ein autonom lebender Streunerhund namens Louk dafür bekannt, sich seit 2008 den Protesten anzuschließen und auch im Straßenkampf mit der Polizei eifrig mitzumischen:
http://www.facebook.com/riot.dog

http://www.youtube.com/watch?v=YKIsr1qXIbc

Mein Hund geht auch sehr gerne auf Demos. Ja, wenn er eine Demo von der Ferne sieht, rennt er begeistert hin und begrüßt alle Personen. Er hält DemonstrantInnen sozusagen für „seine Familie“. Kennt er einmal niemanden, ist er richtiggehend schwer enttäuscht. Leider stellen PolizistInnen gerade auf Demos mit großem Elan Strafverfügungen aus, wenn ein Hund nicht angeleint ist. Deshalb muss ich ihn da meistens an die Leine nehmen, selbst mit Beißkorb alleine reicht der Polizei in diesem Fall nicht.

Andrea hat uns darauf hingewiesen, dass in Moskau die obdachlosen Hunde am Stadtrand schlafen und im Stadtzentrum den Tag verbringen. Zur Hin- und Rückfahrt benutzen sie die U-Bahn: http://www.facebook.com/photo.php?fbid=3355457040116&set=a.1662725722891.2082894.1079653323&type=1&theater

Laut einem kürzlich erschienenen Artikel leben Hunde seit jedenfalls mehr als 33.000 Jahren mit Menschen zusammen: http://www.huffingtonpost.com/2012/01/24/dog-skull-siberia_n_1227460.html

Ich würde dafür plädieren, mehr Verständnis für Hunde in der Gesellschaft aufzubringen. Selbst wenn es manchmal zu sehr tragischen Konflikten kommt, bei denen Menschen z.T. ernsthaft gebissen werden, so ist das Zusammenleben alles in allem doch erstaunlich  harmonisch und von wenig Aggression seitens der Hunde geprägt. Ich denke, Menschen werden unvergleichlich viel öfter von anderen Menschen schwer verletzt oder getötet, als von Hunden. Vielleicht könnte man hier die Perspektive wieder zurechtrücken und stattdessen die Chance auf eine Erweiterung unseres Horizonts und eine Bereicherung unseres Lebens durch das Zusammenleben mit Hunden in der Gesellschaft nutzen.

5 Gedanken zu “Hunde in der Gesellschaft

  1. Hunde können Menschen aus dem öffentlichen Leben verdrängen, insbesondere wenn die freilaufenden Hunde von ihren Haltern als Instrument benutzt werden und etliche Hunderassen – von Menschen gezüchtet – sind ausgesprochen aggressiv. Also was hat Ihr Aufruf für einen Sinn, Herr Balluch? Wenn ich mit einem angeleinten Minischwein nach der Corina Pandemie zur Demo gehe, muss ich dann Attacken von Pitbulls und Mastinos hinnehmen? Auch “Besetzungen” sind nicht hinzunehmen, stellen Sie sich vor Herr Balluch, Sie erleben eine Analbesetzung? Die Eigentumsfrage und das Recht auf die Unversehrtheit des Körpers können nicht einfach suspendiert werden.

  2. Hier geht es ja eher um den Aufruf von mehr Toleranz Hunden gegenüber. ich denke auch das ein Leben durch Hunde sehr bereichert wird und sich dadurch auch der Bezug zu unserer Körperlichkeit sehr “entkomplexizieren” lässt. Hunde sind gerade in bezug auf Emotionen ein tolles Therapeutikum für den Menschen. Ausserdem ist ihre Liebe durch diese wunderbare Treue geprägt.

    Die Diskussion das Hunde beissen steht auf einem anderen Blatt. Das ist so wie wenn ich sage, viel Zeit in der Natur zu verbringen ist nicht gut, weil ich nass werden kann, einen Sonnebrand bekomme oder auch Menschen in der Natur verünglücken.
    Dennoch ist ein Leben in der Natur mit nichts aufzuwiegen.

    Ich mag Hunde und mags wenn sie kommen und an mir schnüffeln. Hatte als Kind auch Angst vor Hunden und es ist finde ich auch gut Kindern einen Respekt vor Tieren und Hunden mitzugeben, da eben Tiere keine Kuschel-plüsch-Dinger sind und einige schnappen.

    Wir Menschen können froh sein Hunde zu haben um uns und in vielen Ländern, in denen Hunde frei herumlaufen ist auch der Umgang natürlicher. Leider werden die Tiere dort aber auch öfter geschlagen. Eben weil es grosse Angst gibt vor Tieren.

    Insgesamt denke ich ist ein Umgang mit Tieren immer ein guter und schöner Lernprozess und es ist wichtig für Kinder zu sehen, dass man Tiere nicht erschlägt sondern sie bestaunt und mit vielen auch leben kann und Spass haben.

  3. Sicherlich kommt es immer wieder zu Fällen, bei denen Menschen von Hunden verletzt werden. Aber es kommt auch oft genug vor, dass Hunde von Menschen verletzt werden. Natürlich respektiere ich auch, wenn jemand Angst vor Hunden hat, oder unsicher ist. Es stellt sich für mich aber die Frage, warum jemand Angst hat. Wie wird in der Gesellschaft über Hunde kommunizier und vor allem was? Eine gute Bekannt von mir hat auch Angst vor Hunden, und wechselt sogar die Straßenseite, wenn ihr einer begegnet, obwohl sie nie schlechte Erfahrungen gemacht hat. Woher kommt sowas?
    Warum kommt es zu Zwischenfällen mit Hunden? Es liegt wirklich zum größten Teil am Besitzer (vorausgesetzt, der Hund hatte eine normale Prägungsphase!). Der Hund wird falsch erzogen, lernt keine Grenzen kennen, hat keinen Plan vermittelt bekommen, in welchem Rahmen er sich “bewegen” darf, hat Gewalt erfahren etc. Man müsste sich mehr mit der Kommunikation und der Gestik, der mitten unter uns lebenden Wesen befassen, dann wären viele Missverständnisse zu vermeiden!!!

  4. So einfach sehe ich das nicht. Es gibt Menschen die sich vor Hunden fürchten und das muss man respektieren. Meine Tochter hatte, als sie noch klein war, große Angst vor Hunden. Obwohl sie diese Angst deutlich zeigte ließen manche Hundebsitzer ihre Hunde zu ihr und meinten, der Hund sei ja harmlos. Auf diese Weise entsteht noch mehr Angst. Abgesehen davon kann ein Hund für ein Kind durchaus gefährlich sein. Ein Bekannter von uns hatte auch Angst vor Hunden – und jeder Hund der ihm begegnete ging auf ihn los. Damals hatten wir einen Hund der total feig war, Menschen eher ignorierte, auch nicht jagte (er begegnete einmal im Wald einem Dachs, die beiden standen einander ganz nah gegenüber, schauten einander an und drehten sich um. Jeder ging seines Weges) aber auf den Mann ging er los. Dieser Mann bekam später einen Hund, wir bekamen auch einen als meine Tochter größer war und die Angst vor Hunden war weg. Der Mann wurde von Hunden auch nicht mehr angegriffen.

  5. Diese Hunde-Themen-Einträge sind super! 🙂

    Ich kann sagen, ich mache ähnliche Erfahrungen in Punkto Reaktionen auf Hunde. Mein Hund ist sehr menschenfreundlich und tendiert dazu, alles und jeden zu begrüßen und zu beschnüffeln, der ihm begegnet. Hundefreundliche Menschen sind dann ganz begeistert und beginnen sofort mit Marathonstreicheln und Kraulen (Manchmal verdrängt er auch einen anderen Hund, der gerade von seinem Herrchen gestreichelt wird und stellt sich selbst zum Streicheln an 😉 ). Andere Leute wiederum reagieren – so wie du schreibst – beinahe angewidert.

    Hunde sind (wie oft auch Kinder) eben nicht vollständig mit allen gesellschaftlichen Gepflogenheiten vertraut – zudem machen diese für sie auch keinen Sinn. Möglicherweise fühlen sich daher besonders jene Menschen vor den Kopf gestoßen – und zwar von jenen die sich nicht an gesellschaftliche Kodizes halten – die selbst nie über ihr eigenes Verhalten sowie Regeln, Normen und Werte reflektiert haben. Sie fühlen sich möglicherweise daran erinnert, dass man sich an Regeln hält, über die man nie nachgedacht, die man nie in Frage gestellt hat.

    Eine größere Toleranz, Akzeptanz und Offenheit gegenüber Hunden, Kindern und Unangepasstheit generell wäre definitiv wünschenswert. Ich denke aber, dass es dafür notwendig wäre, dass unsere Gesellschaft (sowie jede/r einzelne für sich) vorerst reflektiert und kritisiert, was so als die allgemeine Norm gilt und ob diese überhaupt (noch) Sinn macht.

    Zu Konflikten zwischen Hund und Mensch kommt es vermutlich häufig aufgrund von Missverständnissen bzw. durch Verschulden des Menschen (falsche Erziehung bzw. Ausbildung des Hundes; Hund und Kind unbeaufsichtig gelassen etc.). Im Großen und Ganzen funktioniert das Zusammenleben mit Hunden doch recht gut (was vor allem den Hunden zu verdanken ist!!!). Ich habe in meinem Leben schon viel mit Hunden zu tun gehabt, bin sehr vielen Hunden (auch jenen, mit schwieriger Vergangenheit) begegnet – nicht zuletzt deshalb, weil ich zurzeit in einer Tierarztpraxis arbeite. Und ich kann nur sagen, Hunde sind soziale Wesen, geboren als kluge, verständige Rudeltiere und Kommunikationstalente! Jeder einzelne von ihnen. Wenn ein Hund tatsächlich einmal ein agressives oder gestörtes Verhalten an den Tag legt, dann liegt das an extrem widrigen Umständen oder an dem Besitzer. Es ist nämlich nicht selten der Fall, dass Leute nicht verstehen, was ihnen ihr Hund mitteilen will, dass sie nicht richtig zuhören und einfach wollen dass das Tier funktioniert. Man hat es aber nicht mit einer Maschine zu tun, sondern mit einem Lebewesen. Und da braucht es nun mal Verständnis, Einfühlungsvermögen und vor allem Respekt gegenüber dem Hund!

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