Irgendwann zu Anfang des Tierschutzprozesses bekam ich eine Einladung zu einer Konferenz gegen Terrorismus an der Uni Tübingen in Deutschland. Ich solle dort vortragen, man würde mir Anreise und Aufenthalt bezahlen. Finanziert wird das ganze von der Botschaft der USA in Deutschland und dem Land Baden Württemberg. Der genaue Titel ist „Radicalization in Western societies – preventing home grown terrorism“.
Zunächst dachte ich, das sei ein Scherz. Sollte ich quasi als Beispiel eines „Terroristen“ eingeladen worden sein? Auf Nachfrage wurde mir bestätigt, dass man mich tatsächlich hören will, auch wenn ich eine diametral entgegengesetzte Position zu den meisten anderen vertreten würde. Meine Ansicht ist nämlich nicht, dass die politischen AktivistInnen in der Umwelt- und Tierschutzbewegung eine Terrordrohung darstellen, sondern umgekehrt, die Tierindustrie mit ihren kriminellen Machenschaften und die von ihr instrumentalisierten staatlichen Organe betreiben Terror. Ich bin schon gespannt, wie meine These aufgenommen wird.
Unterdessen hat mich Prof. John Sorenson von der Brock Uni in Ontario in Kanada kontaktiert. Auch er werde auf dieser Konferenz vortragen. Sein Beitrag, den er mir geschickt hat, ließ mir den Mund offen stehen. Als Professor für Soziologie hat er sich mit der Frage auseinandergesetzt, wieso in Amerika und England ein derart massives staatliches Vorgehen gegen Tierschutz- und UmweltschutzaktivistInnen zu beobachten ist. Er fand dabei heraus, dass betroffene Firmen aus der Tierindustrie und der Jägerschaft, die sich durch die Kritik der NGOs in ihrer wirtschaftlichen Entfaltung oder ihrer Tätigkeit behindert fühlen, seit Jahren gezielte Propaganda und Desinformation über die Aktivismusszene streuen, um eine Bedrohung von Terror an die Wand zu malen, die in Wirklichkeit nicht existiert. Die Parallele zur Entwicklung in Österreich ist frappierend. Ein Beispiel könnte jene Pressemitteilung der Kronenzeitung vom 1. September 2010 sein, deren Inhalt absolut jeder faktischen Basis entbehrt:
“Ist Öko-Terrorismus auch in Österreich ein Thema? [Experte] Steve Solley: ‘Leider ja. Chefs von Pharmakonzernen oder Fast-Food-Ketten werden bedroht. Und: In Städten wie Wien, Graz oder Linz schließen sich immer mehr Gruppen dem Terror-Netzwerk an.‘”
Tatsächlich gibt es nicht einmal Kampagnen gegen Pharmakonzerne oder Fast-Food-Ketten in Österreich, geschweige denn besondere Aktivitäten in Linz. Nach 4 Jahren Ermittlungen hat die Tierschutz-SOKO in ganz Oberösterreich keine einzige Person verdächtigt oder gar dort eine Hausdurchsuchung durchgeführt.
Prof. Sorenson wird jetzt diesen Freitag auch an der Uni Wien vortragen.
http://ethik.univie.ac.at/aktuelles/
Wann: Freitag, den 10. September um 18:00 Uhr
Wo: im NIG der Uni Wien, Universitätsstraße 7, 1010 Wien, 3. Stock
Der Inhalt seines Vortrags:
“The Myth of ‘Animal Rights Terrorism’
Prevention of terrorism is a serious concern and we rightly wish to protect innocent people from violence. However, the ‘terrorism’ label is increasingly being manipulated and devalued by those who wish to use it to criminalize dissent. In North America and in the United Kingdom, powerful industries such as agribusiness and pharmaceuticals have spent millions on lobbying government to create repressive laws to protect their interests and on propaganda campaigns to demonize animal activists. To serve their own interests, industries have invented a myth of ‘animal rights terrorism’. In this presentation, Dr. John Sorenson will discuss some of the institutional interests active in these campaigns.”
John Sorenson is a Professor in the Department of Sociology at Brock University in St. Catharines, Canada, where he teaches Critical Animal Studies. He is the author of several books, including /About Canada: Animal Rights/ (Fernwood) and /Ape/ (Reaktion).
Ich kann mich dem Beitrag von regina nur anschließen: denn eigentlich weiß auch ich nicht mehr so recht was ich noch zu dem Thema schreiben oder sagen soll, so unglaublich ist das alles. Seit Mai 2008 ist für mich nichts mehr so, wie es einmal war – obwohl ich nicht unmittelbar betroffen bin. Betroffen macht mich vor allem diese sukzessive Aufweichung des Rechtsstaates und der Bürgerrechte und dieses ethiklose Vorgehen der Behörden.
Mein Vertrauen in Politik, Justiz und den ganzen Polizeiapparat ist für mich bis auf die Grundmauern zerstört.
Und hier ein noch ein kleines Beispiel über das Vorgehen von Österreichs Zwei-Klassen-Justiz:
“Schwarzes Loch Justiz”
http://derstandard.at/1282979020392/Einserkastl-Rau-Schwarzes-Loch-Justiz
Lieber Martin,
Dein Vortrag wurde, wie ich finde, gut aufgenommen, auch wenn ich mir von John Sorenson und Dir noch mehr aktive Diskussionsteilnahme bei der Hinterfragung der Aussagen manch anderer gewünsch hätte, etwa bei der Terror-Definition der GTD.
Wir bleiben in Kontakt. Mit Gruss aus Tübingen,
Wolfgang G. Wettach
so wie ich lesen tausende die protokolle über den tierschutzprozess und martin balluch`s beiträge. man weiß nicht mehr, was man dazu sagen soll, man hat in diesen ewig langen monaten schon alles gesagt und will sich nicht wiederholen:
ÖSTERREICH IST KEINE DEMOKRATIE UND KEIN RECHTSSTAAAT!
eigentlich hätte die verwaltung (politiker) die aufgabe, die bevölkerung darüber zu informieren, wie das, was sie konsumiert, produziert wird. das tut sie nicht. sie unterstützt jene, die unter vernachlässigung von ethischen grundsätzen maximalen profit machen und die entsprechenden politischen parteien finanzieren. je länger dieser prozess dauert, desto größer wird der ekel vor den “machthabern” – und die hochachtung für jene, die sich gegen mißachtung und ausbeutung schwächerer geschöpfe stellen und deshalb willkür und massiven repressionen ausgesetzt sind.
SCHANDE ÜBER DIE ÖSTERREICHSCHE REGIERUNG!!!!
Interessant. Könnt ihr das broadcasten, oder wenigstens dokumentieren?
Super DDr. Balluch!
Sie werden denen Polizisten schon zeigen wo es langgeht. 😉