Nicht nur bei der Todesstrafe gehören die USA zu den letzten beiden Ländern der Welt, die an einem Anachronismus in großer Zahl festhalten. Schimpansen werden nur noch in Gabun in Westafrika und in den USA in Tierversuchen genutzt. Selbst in Japan hat man 2007 solche Versuche aus ethischen Gründen bereits beendet.
In den 1990er Jahren waren in Europa nur mehr Österreich (Baxter in Orth an der Donau) und Holland (BPRC in Rijswijk) in Schimpansenversuche involviert. Natürlich ging es bei den Experimenten um AIDS und Gelbsucht (insbesondere Hepatitis C), weil die Viren, die beim Menschen zu diesen Erkrankungen führen, von allen anderen Tieren nur Schimpansen (und vermutlich andere Menschenaffen wie Bonobos) befallen können.
1999 wurden die Tierversuche an Schimpansen in Österreich beendet, ab 2002 kam es bei uns zur Rehabilitation der letzten 46 dieser Tiere, seit 2006 gibt es hierzulande ein absolutes Tierversuchsverbot an Menschenaffen. Am BPRC folgte die Rehabilitation der dortigen 100 Schimpansen kurz darauf. Auch in Holland, wie mittlerweile in Großbritannien, Schweden und Neuseeland, sind Tierversuche an Menschenaffen jetzt verboten. In Australien wären nur dann solche Tierversuche erlaubt, wenn sie der Arterhaltung dienen.
In der EU hätte mit der neuen Tierversuchsrichtlinie auch ein absolutes Menschenaffenversuchsverbot kommen sollen. Der Weg war dafür frei, sollte man meinen, gab es doch keine solchen Tierversuche mehr. 2007 wurde dazu eine Written Declaration von immerhin 433 Abgeordneten zum EU-Parlament unterschrieben. Doch die Tierversuchsindustrie war mächtiger. Die EU-Richtlinie sieht jetzt eine Ausnahme in Artikel 55 für Tierversuche an Menschenaffen vor, wenn das zur Erhaltung der Art oder zum Schutz von Menschen vor einem „zur Entkräftung führenden klinischen Zustand unbedingt erforderlich ist“.
Die europäischen WissenschaftlerInnen dürften nun nach Gabun ausweichen, um ihre Experimente zu machen. Dort wurden entsprechende Versuchszentren eingerichtet. Daneben hält man nur noch in den USA Schimpansen für Tierversuche, insgesamt 1133 sollen es sein. Seit 2007 gibt es dort aber wenigstens ein Moratorium, weitere Schimpansen für Tierversuche zu züchten.
Das wissenschaftliche Argument gegen Tierversuche an Schimpansen hat Andrew Knight in einer wissenschaftlichen Publikation zusammengestellt, die er in seinem Buch „The Costs and Benefits of Animal Experiments“ anführt. Dafür hat Knight alle 749 publizierten Tierversuchsreihen an Schimpansen weltweit in den Jahren 1995-2004 analysiert. Davon waren 31% für die AIDS-Forschung, ebenfalls 31% zu Hepatitis C und 9 % zu Hepatitis B. 49,5 % der veröffentlichten Resultate dieser Tierversuche wurden nie auch nur in einer einzigen wissenschaftlichen Arbeit weiter verwendet. Die Ergebnisse waren also offensichtlich völlig sinnlos und uninteressant. Nur 15% der Versuchsergebnisse schienen in medizinischen Fachjournalen auf, allerdings waren auch hier sämtliche Zitate entweder für die jeweilige Forschung irrelevant oder peripher. Knight schließt messerscharf, dass alle Versuchsreihen an Schimpansen in 10 Jahren Forschung keinerlei Auswirkung auf die medizinische Forschung oder die Erweiterung des Wissens der Menschheit hatten.
Es werden solche Erkenntnisse gewesen sein, die das US-amerikanische National Institutes of Health (NIH) jetzt dazu bewog, 310 ihrer insgesamt 360 Versuchsschimpansen zu rehabilitieren, d.h. aus den Versuchslabors zu entlassen und Sanctuaries zu übergeben. Die restlichen 50 Schimpansen sollen allerdings bis auf weiteres im Labor bleiben, falls in der Zukunft doch plötzlich Tierversuche an ihnen nötig werden, so die NIH. Daneben werden noch weitere gut 800 Schimpansen in privaten Tierversuchslabors der großen Pharmafirmen genutzt.
Doch selbst dieser kleine Schritt wird von Tierversuchsseite negativ kommentiert. Das New Scientist vom 2. Februar 2013 kommentiert But some hepatitis C researchers are less happy und zitiert auf Seite 4 Stanley Lemon von der Uni North Carolina in den USA: If there is no access to a chimpanzee model, it will likely slow vaccine development and put human lives at risk. Dieser Forscher dürfte Andrew Knights Publikation nicht gelesen haben.
Seit kurzem auch online:
http://www.zeit.de/2013/07/Gnadenhof-Gut-Aiderbichel-Michael-Aufhauser
ich finde, ein paar Kommentare zu diesem dümmlichen Artikel könnten nicht schaden …
Es ist schon gut und schön wenn man sich dafür einsetzt Menschenaffen nicht für Tierversuche zu verwenden. Aber macht man da nicht im Prinzip dasselbe was die Tierversuchslobby macht? Man unterscheidet: Menschaffen – großes Leid, andere Tiere – etwas weniger Leid. Leid bleibt Leid, egal wer es empfindet.
Da entlässt man einige Affen nach 30 Jahren Quälerei und tut so als sei das eine große Geste. Ein Film wird gemacht, eine KZ Wärterin erklärt wie gerührt sie ist – nachdem sie jahrzehntelang dafür sorgte, dass diese Affen gequält werden konnten (ohne solche Typen ginge das ganze ja gar nicht). Und ich schreibe absichtlich KZ Wärterin, denn solche Leute würden auch Menschen “betreuen”, damit man sie quälen kann.
Ich denke die größte Heuchelei ist die Unterscheidung zwischen “diesen” und “jenen” Tieren. Das sollten Tierschützer nicht machen. Indirekt gibt man dann doch denen Recht die dagen: “Wir Menschen sind “höhere” Lebewesen, wir haben das Recht “niedrigere” Lebewesen zu quälen.
@Julia
Naja, grosse Tierversuchszentren werden laufend neu gebaut. Aber auch wenn dort Primaten benutzt werden, werden das wahrscheinlich keine Menschenaffen sein. Oder hast Du Hinweise darauf, dass das doch so wäre?
Hat irgend jemand mal gehört, was daraus wurde? Die jüngsten Nachrichten hierüber sind von 2010 und zB von hier:
http://www.tierschutz.com/tierversuche/newsticker/?p=54#more-54
Gott schuf Affen für Tierversuche
21.06.2010
In Malaysia soll ein riesiges Auftragslabor für Tierversuche entstehen, indem vor allem Primaten und Hunde als Versuchstiere verwendet werden. Man erwartet sich viele Aufträge – auch von Schweizer Firmen. In Malaysia ist Tierschutz kein Thema – es gibt dort kein Tierschutzgesetz. Tierversuche brauchen demnach zur Durchführung keine Bewilligung. Dies könnte auch für Schweizer Pharmaunternehmen finanzielle und zeitliche Vorteile bringen – die Aussagekraft solcher Tierversuche ist allerdings von vornherein zu bezweifeln. Diese hängt unter anderem stark von der Qualität der Durchführung, der Fragestellung und wissenschaftlichen Begleitung der Tierversuche ab.
Dr. Julika Fitzi, Schweizer Tierschutz STS, Fachstelle Tierversuche & Gentechnologie“Gott schuf Affen für Tierversuche”
Um den Bau eines Technologiezenrums zu verteidigen, hat ein malayischer Politiker drastische Worte gebraucht.
Gott habe Ratten und Affen erschaffen, damit diese dem Menschen nützlich seien – auch in Tierversuchen. Mit diesen Worten hat ein ranghoher malaysischer Politiker den geplanten Bau eines Tierversuchslabors verteidigt.
In dem Biotechnologiezentrum, das ein indisches Unternehmen im malaysischen Staat Malakka errichten will, sollen Medikamente an Hunden und Primaten erprobt werden.
“Gott hat Tiere zum Nutzen der Menschen erschaffen. Darum hat er Ratten und Affen erschaffen”, sagte der Regierungschef von Malakka, Mohamad Ali Rustam. Tierversuche seien unumgänglich und richtig.
Tierschützer bemängeln, Malaysia habe keinerlei Vorschriften für den Umgang mit Tieren in der Forschung. Verschärfte Bestimmungen in westlichen Ländern führen ihren Angaben zufolge dazu, dass die Unternehmen der Branche zunehmend in asiatische Länder mit einer laxeren Gesetzgebung ausweichen.
Und natürlich auch der erste Schritt ins Freigehege:
http://www.youtube.com/watch?v=3tJreL4PZi0
Das erste Mal Schnee für die ehemaligen österreichischen LaborschimpansInnen ist auch ein sehenswertes Video:
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=raEi_lCFrLY
Die Websites zur Info
http://www.neavs.org/
http://www.releasechimps.org/
finde ich besondes eindrucksvoll. Absolut erschütternd zu lesen, wieviel Leid vielen SchimpansInnen zugefügt wurde, und mit wieviel Würde und Charakter ihren Lebensabend meistern, den manche von ihnen mit der Hilfe von Releasechimps und NEAVS in relativer Freiheit verbringen können. Es ist so absurd: weil sie uns so ähnlich sind, wurde erforscht, wie Schimpansenkinder ohne Mutterliebe verkümmern oder wie sie Operationen und Medikamente ertragen, aber dennoch ignorieren die “Forscher”, dass Schimpansen ebenso leiden wie dies Menschenmütter und -kinder tun würden – als ob sie keine Gefühle hätten!
Wer die Geschicht von Wenka liest, die 1954 in einem Labor geboren wurde – und immer noch dort ist, kann nicht anders als sich, und sei es auch nur mit einem Brief oder einer Mail, für sie einzusetzen
http://www.releasechimps.org/chimpanzees/their-stories/wenka
Sorry, habe vergessen, “in Österreich verboten” dazuzuschreiben, das ist ja (wie Martin bereits erwähnt) nicht überall der Fall.
Ich lese übrigens gerade das erwähnte Buch von Andrew Knight – sehr empfehlenswert.
Ich habe schon oft mit Studierenden, Professor_innen und anderen Leuten auf der Uni über Tierversuche diskutiert und interessanterweise wissen manche Menschen, die selbst Tierversuche durchführen, nicht einmal, dass Tierversuche an Menschenaffen verboten sind.