19. Dezember 2024

Klimawandel: von echten und unechten Bedrohungen

Das Wissenschaftsmagazin New Scientist hat den neuesten IPCC Bericht zum Klimawandel als Anlass genommen, in ungewohnter Schärfe auf eine sofortige Änderung der Politik hinsichtlich Klimaschutz zu pochen. Laut IPCC haben wir beim momentanen CO2-Ausstoß noch 12 Jahre, bis die Atmosphäre derart angereichert ist, dass ein Temperaturanstieg von 1,5 °C seit präindustrieller Zeit nicht mehr zu verhindern ist. Dabei durchläuft der IPCC-Bericht noch einen politischen Filter, eher er veröffentlicht werden darf. Der wissenschaftliche Bericht war noch schärfer formuliert. Unter anderem plädiert das New Scientist übrigens ganz deutlich dafür, dass wir alle vegan werden müssen.

Das politische Klima weltweit tendiert aber in die andere Richtung. Mit Trump oder der FPÖ sind Personen an der Macht, die offiziell den Klimawandel für ein Märchen halten. In Frankreich gab es sogar eine heftige Protestwelle mit Toten, weil der Präsident eine extra Steuer auf fossile Brennstoffe für das Auto einführen wollte, eine Maßnahme, um den CO2-Ausstoß des Straßenverkehrs einzudämmen. Dagegen blockierten 100.000e die Straßen, aber gegen den Kohleabbau im deutschen Hambacher Forst etwa engagieren sich nur relativ wenige. Verkehrte Welt. Es scheint, dass mit einer derart verrückten Menschheit die Klimakatastrophe nur noch eine Frage der Zeit ist.

Was steckt dahinter? Die französischen Proteste richteten sich auch allgemeiner gegen die immer prekärer werdenden sozialen Verhältnisse, das ist schon klar. Aber dennoch scheinen die Menschen einfach geistig nicht in der Lage zu sein, auf kurzfristigen Luxus zu verzichten, um langfristig besser leben bzw. überleben zu können. Wie beim Rauchen. Nur, dass in diesem Fall die „Raucher_innen“, also diejenigen, die nicht bereit sind, ihre Flüge, fossile Brennstoffnutzung oder ihren Fleischverzehr einzuschränken, alle anderen mit in den Abgrund reißen.

Das Grundübel liegt darin, dass wir genügend Rationalität besitzen, um eine Technik zu entwickeln, die uns in die Lage versetzt, die Welt zu zerstören, aber damit einhergehend wir nicht genügend Rationalität besitzen, um diese Gefahr in einer Weise zu durchschauen, dass wir so handeln, dass die Welt nicht zerstört wird. Die Menschen scheinen auch nicht zwischen objektiven, wissenschaftsbasierten Aussagen und fake News mit propagandistischer Metabotschaft unterscheiden zu können. So kann man sie leicht für gewisse Meinungen regelrecht aufhetzen, z.B. gegen Wölfe. Oder komplett hineinlegen, wie mit Chemtrails, siehe https://martinballuch.com/chemtrails/. Seltsamer Weise gibt es so immer noch Menschen, die den Klimawandel leugnen.

Meine Zeit in der Klimaforschung

Ich habe Ende der 1980er bis Ende der 1990er Jahre in einer Arbeitsgruppe an der Uni Cambridge den Klimawandel klar vorausberechnen können, zu einer Zeit, in der davon politisch noch keine Rede war. Diese Berechnungen sind keine Schätzungen, und auch keine Extrapolationen aus Temperaturentwicklungen der Vergangenheit. Das sind numerische Lösungen jener Differentialgleichungen, die die Naturgesetze beschreiben, die die Erdatmosphäre bestimmen, wie Massenerhaltung, Energieerhaltung, Impulserhaltung und Drehimpulserhaltung, jeweils für die Strahlung von der Sonne und die Luftdynamik der Atmosphäre sowie deren Wechselwirkung. Es reicht dafür das Mathematikwissen bei der Matura, um diese Gleichungen und ihre Lösungswege zu verstehen. Man kann also mit ein bisschen Hilfe ganz leicht nachvollziehen und sofort sehen, dass es zu einer Klimaerwärmung kommen muss, wenn wir CO2 in die Erdatmosphäre pumpen. Und wieviel davon dort ist, bzw. wieviel davon wir zu jedem Zeitpunkt ausstoßen, ist die zusätzlich notwendige Information, die die Rechnung komplettiert. Ich selbst bin damals, alarmiert durch unsere Ergebnisse, nach Österreich zu den Politiker_innen gegangen, um sie zu informieren, aber ich stieß auf taube Ohren. Solange man die Erwärmung nicht messen kann, sagte man mir, werden wir uns nicht mit der Industrie anlegen. Die Wirtschaft dürfe keinen Schaden nehmen.

Die Industrie reagierte dagegen sofort und versuchte Wissenschafter_innen zu kaufen, die gegenteilige Ergebnisse errechnen sollten, oder zumindest die den Klimawandel bestätigenden Ergebnisse in Zweifel ziehen. Das funktionierte nur eine gewisse Zeit. Mittlerweile ist ein mittlerer Temperaturanstieg von über 1 °C im Vergleich zu präindustrieller Zeit weltweit anerkanntes Faktum. Und dennoch gibt es Leute – allerdings keine Wissenschafter_innen –, die den Klimawandel leugnen wollen. Es handle sich um ein Täuschungsmanöver von, äh, wem? Vermutlich von der veganen Gesellschaft, die verzweifelt Gründe finden will, die Leute zu überzeugen, den Verzehr tierlicher Produkte einzustellen. Der Klimawandel ist der größte Schaden für die Industrie. Es ist also beeindruckend, dass sich hier dennoch die Wahrheit gegen diesen politischen Machtblock durchsetzen konnte. Konsequenzen werden von der Politik dennoch nicht gezogen. Es ist zum Verzweifeln. Ich setze meine ganze Hoffnung auf eine breite Protestbewegung der Zivilgesellschaft, die sich langsam zu formieren beginnt.

Es wird mir immer unbegreiflich bleiben, warum manche Menschen Fantasien einer Verschwörung brauchen. Dabei gibt es wirklich genügend echte Bedrohungen, denen wir uns widmen müssen. Der Klimawandel ist eine davon. Die Tierfabriken eine andere.

Gentechnik

Für sehr bedrohlich halte ich auch die Gentechnik. Mit der CRISPR Technik ist es nun einfach möglich, das Genom von Pflanzen, Tieren und Menschen beliebig zu verändern. Laut New Scientist hat man damit bereits Lebewesen produziert, die 6 statt 4 Basenpaare in ihrem Erbgut haben, 2 davon völlig künstlich. Was aus solchen Lebewesen wird, ist unvorhersehbar. Mit Gentechnik wurden laut New Scientist z.B. Schweine genetisch verändert, sodass sie menschliche Organe produzieren, die man dann als Ersatzteile ohne Abstoßreaktionen verwenden will. Und in China hat ein Wissenschafter bereits zwei Zwillingsmädchen als Embryos in vitro gentechnisch verändert, sodass sie nicht mehr von HIV infiziert werden können sollen. Firmen bieten ein Screening von Embryos auf 50 genetische Marker für Intelligenz an. Das ist wiederum eine Technik, mit der die Ethik der Menschen nicht Schritt hält. Es kann nicht sehr lange dauern, hat auch Stephen Hawking gefürchtet, dass wir Menschen gentechnisch massiv verändern.

Arm-Reich Schere

Ein weiteres, äußerst bedrohliches Szenario ist der Umstand, dass die Arm-Reich Schere immer weiter auseinander klafft, ohne ein Ende in Sicht. Im Jahr 2018, steht in einem Oxfam Bericht, sind die Milliardär_innen dieser Welt pro Tag um 2,2 Milliarden Euro reicher geworden, und gleichzeitig die ärmeren 50 % der Weltbevölkerung pro Tag um 500 Millionen Euro ärmer. Dadurch verschiebt sich dramatisch das Machtgleichgewicht. Die Reichen kaufen die Erde und ihre Ressourcen auf, gleichzeitig die Medien und die Politik, und am liebsten auch Polizei und Gerichte. Bisher haben nur große Katastrophen, wie die Weltkriege, dieser sozialen Ungleichheit ein Ende gesetzt und die Gesellschaft etwas gleichberechtigter sozusagen von vorne anfangen lassen. Wie könnte sich das diesmal lösen?

Demokratieverlust

Und ein drittes Beispiel von großer Bedrohung ist die Entwicklung so vieler Gesellschaften, auch in Österreich, in Richtung eines autoritären Systems ohne Demokratie. Jetzt diskutiert man sogar schon die Sicherungshaft, die sonst nur ein Zeichen von Diktaturen ist, wie z.B. Wöllersdorf im Autrofaschismus. Die – nachvollziehbare – Angst vor ungebremster Migration wurde populistisch geschürt und damit der Boden für die autoritäre Wende geschaffen. Der Hauptgegner unserer Regierung ist nicht mehr die Opposition, sondern die Zivilgesellschaft. In immer rascherem Tempo werden immer mehr Gesetze erlassen, die unsere Möglichkeiten uns zu wehren einschränken. Wie bei Klimawandel, Gentechnik und Sozialgefälle ist die Zukunft auch hier düster. Wie soll das alles enden?

Uns bleibt nur massiv zu mobilisieren. Allen Menschen mit Herz und Hirn muss klar sein, dass es mittlerweile um alles geht. Wir müssen breite Koalitionen schließen und uns gegen diese Entwicklung stemmen. Und zwar nicht gegen herbei fantasierte Weltverschwörungen, sondern gegen die oben genannten manifesten und leider äußerst realen Bedrohungen. Ich hoffe sehr, dass uns das gelingt – vor allem im Namen unserer Kinder.

2 Gedanken zu “Klimawandel: von echten und unechten Bedrohungen

  1. … “weil der Präsident eine extra Steuer auf fossile Brennstoffe für das Auto einführen wollte, eine Maßnahme, um den CO2-Ausstoß des Straßenverkehrs einzudämmen” … Das klingt gut, allein mir fehlt der Glaube. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass mit diesem Geld das Budget saniert werden wird, bzw. würde. Die Franzosen verkaufen massenhaft Waffen, (genauso wie die Deutschen) für deren Herstellung auch Energie verbraucht wird. Setzt man diese aber erst ein, wird es so richtig toll. Mich würde interessieren, wie viel Umweltverschmutzung durch Militärs angerichtet wird. Einmal da ein Manöver, einmal dort. Einmal da ein Kriegseinsatz, einmal dort. Da kann der Verkehr kaum mithalten. Was die Politiker uns vorzeigen, sind nur Alibihandlungen. Es gibt erstens viel zu viele Menschen. Geburtenkontrolle würde sehr viel Elend verhindern und viel Umweltzerstörung auch. Wir sind im Prinzip Urzeitmenschen im Anzug und Kleid und so denken und handeln wir auch. Autos sind keine reinen Transportmittel, sondern Statussymbole. (Fleisch essen können, übrigens auch.) Die Europäer rücken davon vielleicht schon etwas ab. Junge Leute haben teure Handy als Statussymbol. Aber fast alle aus armen Ländern wollen ein Auto haben. Unsere Schrottreifen landen in Afrika. Hauptsache es ist ein Auto. Man kann von der einfachen Bevölkerung nicht verlangen weiter zu denken, wenn die Politiker, Wirtschaftstreiben, usw. dazu nicht fähig sind. Wenn die Autoindustrie zusammen bricht, stürzt unsere schöne neue Welt ein. Da geht es dann nicht um Bescheidenheit, sondern um drohendes Elend. Chaos würde ausbrechen. Weil unsere Wirtschaft auf dem Autoverkehr aufgebaut ist. Unseren Wohlstand verdanken wir nur der Ausbeutung der Tiere und des Bodens. Alles nur möglich durch Chemie, Energie und Maschinen. Ohne Medikamente wäre beispielsweise Massentierhaltung nicht möglich. Massenproduktion von Getreide wäre ohne Kunstdünger nicht möglich. Große Felder könnte man ohne Maschinen und ohne Gift nicht so bebauen wie das heute geschieht. Irgendwann schlägt die Natur halt zurück und versucht uns los zu werden. Man denke an die heurige Kartoffelernte. Für alles was man in diesem Leben tut, oder nicht tut, muss man irgendwann bezahlen. Vegane Ernährung alleine wird uns auch nicht retten. Durch die Klimaveränderungen werden die Erträge sinken. Wenn das Bevölkerungswachstum nicht gebremst wird, wird irgendwann die Welt zu klein sein. Abgesehen davon, dass wir den Boden sowieso zu betonieren.

  2. Die größte Bedrohung der Menschheit, ist meiner Meinung nach das Verschwinden der Natur aufgrund der modernen Viehzucht. Wir brauchen wilde Natur für essentielle Ecosystem Services. Massensterben zeigt uns was gerade los ist:
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    83% der Wildtier-Biomasse ist verschwunden:
    https://www.theguardian.com/environment/2018/may/21/human-race-just-001-of-all-life-but-has-destroyed-over-80-of-wild-mammals-study
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    75% der deutschen Insekten sind in den letzten 27 Jahren verschwunden:
    https://www.nytimes.com/2018/11/27/magazine/insect-apocalypse.html
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    98% der Insekten in Puerto Rico sind in 35 Jahren verschwunden:
    https://www.theguardian.com/environment/2019/jan/15/insect-collapse-we-are-destroying-our-life-support-systems
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    “..the current rate of extinction is 10 to 100 times higher than in any of the previous mass extinctions in the history of Earth.”
    https://en.wikipedia.org/wiki/Holocene_extinction
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    Das Hauptproblem ist nicht die Landwirtschaft per se sondern der weltweit steigende Fleischkonsum. Fleisch ist für 75% der Waldrodungen verantwortlich, aber liefert nur 17% der Kalorien. Das bedeutet auch das 75% der Chemie und des Wassers für nur 17% geopfert werden. Wir könnten alle von heute auf morgen auf Solar umsteigen und alle Autos verbannen und das Massensterben würde weitergehen, da wir nicht nur mehr Menschen werden sondern auch mehr Fleisch wollen.
    https://ourworldindata.org/meat-and-seafood-production-consumption
    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0048969715303697#f0005
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    Dabei ist nicht die Arm-Reich Schere das Problem, leider. Dank der Industrialisierung können arme Menschen, die im Ghetto leben, 3 x am Tag Fleisch essen und sind oft übergewichtig, siehe Österreich bis Brasilen. Früher waren die reichen fett und die armen schlank. Inzwischen können wir, dank großer Fleisch-Subventionen, alle zerstören.
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    The 2nd Scientist Warning to Humanity, unterzeichnet von 20,000 Wissenschaftler, besagt, dass es keine 10 Jahre gibt um eine Naturkatastrophe zu verhindern: https://www.youtube.com/watch?v=pMbeYJgH_6g
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    Wir haben also keine Zeit um sicher zu gehen, dass jeder Mensch frei und wohlhabend ist, jeder in einer Demokratie lebt, ein Sozial-Netz und Ausbildung genießt. Es gibt keine Zeit Immigration “zu lösen” und für alle Schwulen und Lespen weltweit gleiche Rechte zu erkämpfen. Das können und sollten wir alles weiter angehen, sobald die tickende Zeitbombe entschärft wurde.
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    Es hätte nicht entweder oder sein müssen, aber diesen Tipping-Point haben wir schon vor Jahren verfehlt. Heute ist die Menschheit reicher und sicherer als je zuvor in der Geschichte und der Umwelt geht es jedes Jahr schlechter. Die Umwelt zahlt den Preis für sozialen Fortschritt, da es sogar für Die Grünen nur eine Randthema ist und zu “Kurz” kommt ;). Desto realistischer wir die Welt sehen, desto eher können wir handeln.
    https://www.youtube.com/watch?v=uzCxFPzdO0Y
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    Der VGT ist deswegen relevanter den je, für die Tiere von heute und für die Menschen von morgen.

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