Der zentrale Hintergrund der Tierschutzcausa ist der eskalierende Konflikt zwischen Tierschutz und ÖVP. Tierschutz sollte kein parteipolitisches Thema sein, auch ÖVP-WählerInnen können sich mit viel Herz für Tierschutz einsetzen. Einige ÖVP-AktivistInnen und sogar ein Funktionär der Jungen ÖVP haben sich bereits beim VGT engagiert oder mit uns zusammen Veranstaltungen durchgeführt. Doch die neueste Entwicklung in der Frage des Verbots von Kastenständen für Mutterschweine zeigt wieder einmal, in welche Richtung die ÖVP bzw. ihre MinisterInnen abdriften. Dabei wird die ÖVP zum Sprachrohr der Tierindustrie mit einem elitären, demokratiefeindlichen Verständnis von Politik.
Vor bereits 8 Monaten hat der SPÖ-Gesundheitsminister Stöger einen Entwurf für eine neue Schweinehaltungsverordnung präsentiert, die die Kastenstandhaltung von Mutterschweinen auf etwas mehr als einen Monat pro Jahr reduzieren würde. Wenn man bedenkt, dass ein Kastenstand ein für diese Tiere wirklich körpergroßer Käfig ist, 1,9 m lang, 65 cm breit und etwas mehr als 1 m hoch, dann ist auch ein Monat zu viel. Nach meinem Freispruch im Tierschutzprozess war ich 24 Stunden in einem solchen Kastenstand eingesperrt und weiß daher, wovon ich spreche. Der ÖVP-Landwirtschaftsminister hat ein Vetorecht gegen neue Tierschutzverordnungen, er sollte also seine Meinung äußern und etwaige Änderungsvorschläge bringen. Das wäre Demokratie in der Theorie.
In der Praxis schwieg Minister Berlakovich eisern. Kein Wort kam über seine Lippen, nicht Muh und nicht Mäh, ob er dafür ist oder dagegen. Nach 7 Monaten des Wartens dachte Stöger ans Aufgeben. Er informierte die Volksanwaltschaft, die den Fall vor den Verfassungsgerichtshof bringen solle. Da kam plötzlich Berlakovich daher und wollte zusammen mit 8 Vertretern der Schweineindustrie mit Stöger sprechen. Stöger lud aber auch 3 VertreterInnen des Tierschutzes zu dem Gespräch ein, darunter auch mich. Die Interessensvertretung der Tiere muss doch bei solchen Verhandlungen eingebunden werden. Im Ideal der Demokratie, nicht aber in den Augen von ÖVP-Berlakovich. Denn er beschwerte sich furchtbar darüber, dass wir präsent waren. Mit uns will er eben nicht sprechen. Die kritische Zivilgesellschaft ignoriert man nobel, in seinem elitären Weltbild.
Am Ende des Gesprächs wurden weitere Verhandlungen von Berlakovich in Aussicht gestellt. Nur nichts übereilen, sagte der, der 7 Monate zum Vorschlag der SPÖ geschwiegen hatte. Dann aber wieder Funkstille. Keine Verhandlungen, keine Vorschläge, alles soll beim Alten bleiben. Am Besten ohne darüber in der Öffentlichkeit zu reden. Was geht das denn die Öffentlichkeit an, das ist eine Frage der Produktionsbedingungen in Schweinefabriken, und das hat nur die Tierindustrie zu interessieren.
Wenn jemand kein Verständnis für unsere konfrontativen Kampagnen und unsere Aktionen des zivilen Ungehorsams im Tierschutz hat, dann sage man mir bitte, wie wir auf so eine Haltung reagieren sollen. Wenn wir Berlakovich zum Gespräch bitten, werden wir ignoriert. Wenn wir Vorschläge machen, werden wir ignoriert. Er entscheidet dann einfach im Interesse der Tierindustrielobby.
In einem sehr interessanten Interview mit Thomas Prior von der Presse letztes Wochenende hat Berlakovich sein elitär tierfeindliches Verständnis von Entscheidungsfindung im Staat deutlich zum Ausdruck gebracht. Kastenstände seien eine tiergerechte Haltung, sagt er, in der Praxis gebe es keine Alternative – gemeint ist, Kastenstände bieten die billigste Produktionsform von Schweinefleisch –, die Mehrheitsmeinung ist ihm egal, was zählt ist die Agrarlobby, die die stärkste aller Lobbygruppen ist und offenbar auf ihn den meisten Einfluss hat.
Ich glaube nicht, dass man mit Leuten wie Berlakovich normale Demokratiepolitik betreiben kann. Er verhandelt nicht, er redet nicht, er will elitär regieren und ausschließlich im Sinne derjenigen entscheiden, die die größte Lobby haben. Die einzige Antwort darauf kann nur ein gesellschaftlicher Konflikt sein, ich sehe keine andere Alternative. Man muss PolitikerInnen wie Berlakovich konfrontieren und herausfordern, man muss sie an die Öffentlichkeit zerren und zu einer Rechtfertigung für ihr Handeln zwingen. Man muss gegen sie Kampagnen fahren, die den Konflikt systematisch eskalieren, bis es eine echte Verhandlungsbereitschaft gibt, bis hier wieder demokratisch, d.h. nach dem Volkswillen, regiert wird.
Genau dieser Konflikt zwischen Betonkopfmentalität, elitärem Politikverständnis und Tierindustrielobbyismus auf der einen Seite, versus kritischer Zivilgesellschaft und Demokratie auf der anderen, ist der Auslöser der Tierschutzcausa gewesen.