21. November 2024

Lichtblicke aus Lech

Bisher habe ich mich ja ziemlich kritisch über das Philosophicum in Lech geäußert, auch wenn ich offen aussprach, dass ich die Veranstaltung an sich sehr begrüßte. Nun las ich aber eine Kritik am Philosophicum in Lech sozusagen von der anderen Seite, vom stellvertretenden Chefredakteur der katholischen Wochenzeitschrift „Die Furche“, Rudolf Mitlöhner. Herr Mitlöhner findet in seinem Artikel nicht nur, dass das Thema „Tiere“ eigentlich völlig uninteressant ist, und wundert sich deshalb, warum es ein Philosophicum wert war. Er kritisiert auch scharf den Grundkonsens der Veranstaltung und sah sich offenbar im Auditorium geradezu in einer radikal fundamentalistischen Tierschutzgesellschaft. Insbesondere Kirchenkritiker Drewermann war Mitlöhner ein großer Dorn im Auge (dessen standing ovations schockierten ihn sehr), aber alle Vortragenden, die die Ähnlichkeit von Menschen und anderen Tieren unterstrichen, werden von ihm mit völligem Unverständnis bedacht. Nur Reinhardt Brandt, der den Tieren das Denken absprach, war so ganz nach seinem Geschmack. Er zitiert ihn daher ausführlich, unter anderem mit dem reichlich kindischen Satz „[es] ist nicht nachgewiesen worden, dass Erdbeeren und Hunde über uns nachdenken und dass sie das Wahlrecht für Menschen wirklich beschlossen haben“, nur um dann bedauernd hinzuzufügen: „Brandt war freilich so etwas wie ein Exot auf diesem Symposium.“ (Seite 21 der Furche vom 4. Oktober 2012)

Angesichts dieser Kritik möchte ich noch eine Lanze für diese Veranstaltung brechen. Positiv ist z.B. Markus Wild zu nennen, der mich mit der erfrischenden Deutlichkeit seiner These, dass der Mensch voll und ganz ein Tier ist, überrascht hat. Auch Standard-Redakteurin Julia Schily, die beim Philosophicum anwesend war, teilte offenbar diesen Eindruck und lud Wild danach zum Interview, siehe http://derstandard.at/1348284043129/Denken-und-Bewusstsein-ohne-Sprache.

Thomas Macho, ein Wiener in Berlin, sprach beeindruckend über die Bedeutung des inklusiven Humanismus, ohne Ausgrenzung. Zu Brandts Ausgangspunkt „Kein Denken ohne Sprache“ erzählte Macho von Indianerstämmen aus dem Amazonasgebiet, von denen einige in ihrer Sprache keine Zukunft oder Vergangenheit kennen, sondern nur die Gegenwart. Andere Sprachen aus der Region haben keine Worte für Dinge, die nicht anwesend sind. Würde Brandts These stimmen, dass Denken ohne Sprache nicht möglich wäre, dann könnten Menschen mit solchen Sprachen nicht über Dinge nachdenken, die nicht anwesend sind oder die Ereignisse aus der Vergangenheit oder der Zukunft umfassen. Damit entlarvte er Brandt als Kulturchauvinist, der einfach die Leistungen der eigenen Kultur verabsolutiert und als Maßstab für alles Andere nimmt. Mit dieser egomorphistischen Brille werden alle Wesen umso mehr abgewertet, je stärker sie von einem selbst verschieden sind.

Dieter Birnbacher überraschte mich mit seinem Plädoyer für subjektive Rechte für Tiere, eben Tierrechte. Dabei lehnte er zwar explizit Tierrechte auf Leben, Freiheit oder Unversehrtheit ab, befürwortete aber Personenrechte, die SachwalterInnen der Tiere die Möglichkeit geben würden, für ihre KlientInnen den Vollzug des Tierschutzgesetzes und die Beachtung ihrer Interessen gerichtlich zu erzwingen. In unserem Menschenaffenrechtsprozess für Matthias Pan, einen Schimpansen, haben wir bis zum europäischen Gerichtshof für Menschenrechte genau das versucht, siehe https://vgt.at/projekte/menschenaffen/vereinsarbeit.php.

Kurt Kotrschal hat sich zwar bei der Diskussion mit mir im Hangar 7 auf ServusTV sehr negativ über Personenrechte für nichtmenschliche Tiere geäußert – er nannte das abfällig paternalistisch –, sagte dabei aber von sich, er würde „leider“ noch Fleisch essen. Sein Vortrag am Philosophicum war sehr naturwissenschaftlich aufgebaut und fasste die Erkenntnisse zu kognitiven Fähigkeiten der „anderen Tiere“, wie er sie im Vergleich zum Menschen nannte, zusammen. Dabei lernten wir, dass Hunde z.B. einen Sinn für Gerechtigkeit haben. In einem beeindruckenden Filmclip war zu sehen, dass ein Hund begeistert lange auf Aufforderung hin Pfötchen gab. Saß aber neben ihm ein Hund, der für die gleiche Tätigkeit eine Belohnung bekam, er aber nicht, streikte er bereits nach wenigen Versuchen.

Besonders beeindruckte mich aber eine Randbemerkung von Kotrschal, die auf eine gewisse Größe hinweist. Im April 2005 hatten einige TierschützerInnen und ich den Operationssaal der Forschungsstelle von Kotrschal besetzt, um das operative Einsetzen von Telemetriegeräten und Sendern in 26 wildgefangene Graugänse zu verhindern. Damals kam es zu heftigen, insbesondere gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Kotrschal und mir. Die TierschützerInnen und ich wurden zwar in einem Strafprozess vom Vorwurf freigesprochen, Hausfriedensbruch begangen zu haben, aber wir verloren eine Besitzstörungsklage am Zivilrechtsweg. Trotz dieses Konflikts kritisierte Kotrschal 4 Jahre später die Verfolgung von mir im Rahmen der Tierschutzcausa öffentlich scharf. Zwar nannte er in seinen Presse-Kolumnen zunächst noch den VGT einen „Schnuddelverein“, stellte sich aber in vielen Fragen eindeutig auf Seite des Tierschutzes. In Lech nun sagte er nachdenklich, fast schon nebenher, dass er früher auch invasive Tierversuche durchgeführt habe, dass er aber heute anders darüber denke und das nicht mehr tun würde. Ich war tief bewegt.

2 Gedanken zu “Lichtblicke aus Lech

  1. Danke für die Ergänzung zum Thema!
    “Schnuddelverein”, herrlich! Aber ernsthaft: ist es nicht ein Fortschritt an sich, dass das Tier als Gegenüber überhaupt wahrgenommen wird? wie viele Bücher, Zeitungsartikel, Tagungen, Podiumsdiskussionen gibt es zum Thema Tier, im Vergleich zur Zeit vor zehn oder 20 Jahren? wie viele wissenschaftliche Disziplinen befassen sich ernstahft mit dem Thema Tier, und nicht nur immer mit dem Ziel, die Einzigartigkeit des Menschen herauszustellen?
    Klar gibt es dabei immer noch Pseudo-Gutmenschen, die die Tierethik predigen und danach ins Wurstbrot beißen. Und Ewiggestrige, die dem Tier jedes Recht absprechen außer dem, dem Menschen möglichst nützlich zu sein. Aber ihre Zahl nimmt ab, und wird weiter abnehmen. In der Wissenschaft, in den Kirchen, und der Gesellschaft. Dass es dazu einen langen Atem braucht, ist klar. Aber das sollte das geringste Problem sein.

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