Als ich in den 1980er Jahren studiert habe, ging es dort alles andere als schulisch zu. Die Studierendenschaft konnte drittel- oder viertelparitätisch mitbestimmen und den Studienplan habe ich mir selbst zusammen gestellt. Heute läuft ein Studium nach striktem Stundenplan ab, die Priorität ist, Nachwuchs für die Privatwirtschaft zu erhalten. Vielleicht auch deshalb, weil ich Mathematik studierte, gab es zu meiner Zeit wenig Einfluss durch Drittmittelforschung auf die Forschungsziele. Immerhin war ich 12 Jahre lang Universitätsassistent, blieb aber von Ansprüchen aus der Wirtschaft verschont. War das damals anders als heute oder lag das nur an meinem Fach? Kürzlich hat mich eine Studentin kontaktiert: sie will eine Dissertation zu einem Tierschutzthema schreiben, aber ihre Professorin machte deutlich, dass das nur möglich sei, wenn sie die Hälfte ihrer Forschungskosten aus der Privatwirtschaft bezieht. Aber welche Firma interessiert sich schon für Tierschutz? Damit kann man kein Geld machen. Also soll auch die akademische Forschung dazu darnieder liegen?
In meiner jahrzehntelangen Arbeit als Tierschützer, der gesellschaftliche und politische Änderungen anvisiert, musste ich erfahren, dass der Einfluss der Privatwirtschaft dramatisch zunimmt. Nur was Geld bringt, ist politisch umsetzbar, und wenn etwa eine Tierschutzmaßnahme kommen soll, dann muss gezeigt werden, dass das die Wirtschaft nicht schädigt. Die NEOS haben mir das bei einem Gespräch mit deren „Tierschutz“sprecher deutlich gemacht. Dabei reden sie von einer Anhebung der Lebensqualität und meinen, das ginge am Besten durch eine Reduktion der Steuern und eine Liberalisierung der Wirtschaft. Je mehr Kapitalismus pur, desto besser für alle. Wirklich?
Im New Scientist finden sich zahlreiche Studien, die belegen, dass es keinen „trickle-down Effekt“ gibt. D.h. wenn gewisse Wirtschaftszweige profitieren und eine Schicht der Superreichen entsteht, dann verschlechtert das die Situation für den Rest der Bevölkerung und verbessert sie nicht. Geht es der Wirtschaft gut, geht es eben noch lange nicht allen gut. Hier ein Beispiel von unzähligen.
Im New Scientist vom 10. Juni 2017 wird in einem Artikel über den Erfinder Thomas Midgley berichtet. Er forschte um 1920 daran, wie man das Klopfen bei Verbrennungsmotoren reduzieren könnte. Er testete 143 chemische Beigaben aus und fand, dass Ethyl aus Getreide die Klopfgeräusche verschwinden ließ. Aber Blei in einer chemischen Verbindung namens TEL ebenfalls. Sein Auftraggeber war General Motors. Und die schlossen messerscharf: Ethyl lässt sich nicht patentieren, TEL aber schon. So wurde die Wirkung von Ethyl verheimlicht und Blei dem Benzin beigemengt, obwohl es damals schon klar war, dass das sehr gesundheitsgefährlich sein würde. Aber es brachte Profite, und das ist was zählt. Mehrere 100.000 gehirngeschädigte Kinder später wurde Blei im Benzin verboten, aber erst in den 1970er und 1980er Jahren.
Wenn die wissenschaftliche Forschung von der Privatwirtschaft finanziert wird, wie das heute offenbar fast überall geschieht, dann kommt sie nicht mehr der Bevölkerung oder der Natur zugute, sondern in erster Linie dem Profit der AuftraggeberInnen. Diese Selbstverständlichkeit müssen wir uns vor Augen halten.
Im Jahr 2009 fand eine Forscherin am Universitätsklinikum in Ulm in Deutschland, dass Methadon zusammen mit einer Chemotherapie in einigen Fällen viel stärker auf Krebszellen eingewirkt hat, als wäre kein Methadon dazu verabreicht worden. Dieses Mittel ist ja in erster Linie dafür bekannt, als medizinische Ersatzdroge für Süchtige zu wirken und Schmerzen zu lindern. Zahlreiche Medienberichte zeugen von erstaunlichen Heilungen bei Krebsleiden, wie z.B. in diesem Beitrag auf RTL vom 18. Juli 2017: http://rtlnext.rtl.de/cms/methadon-als-wundermittel-gegen-krebs-darum-wird-das-vielversprechende-medikament-nicht-eingesetzt-4120344.html?c=d0ba
Dass es eine solche Wirkung geben kann ist seit 2009 bekannt. Und dennoch wurde bis heute keine einzige klinische Studie dazu durchgeführt. Fragt man nach wieso, blickt man in staunende Gesichter. Aber Moment. Als Wissenschaftler weiß ich, dass alle ForscherInnen auf so eine Chance sofort aufspringen würden. Ein tolles neues Krebsmittel? Ist das nicht eine ideale Möglichkeit Karriere zu machen?
Klinische Studien kosten aber Geld. Wer bezahlt das? Die Privatindustrie. Welche Privatindustrie ist an derartiger Forschung interessiert? Die Pharmaindustrie. Nur, eine typische Chemotherapie kostet € 24.000 pro Monat, Methadon im selben Zeitraum nur € 120. Methadon lässt sich nicht patentieren, es ist ja schon längst am Markt. Mit Methadon kann man kein Geld verdienen. Warum also sollte die Privatwirtschaft dafür Geld ausgeben?
Mangels klinischer Studien wissen wir es ja nicht, aber was, wenn Methadon die Heilungschancen von Krebs drastisch erhöht? Millionen Menschen leiden momentan an Krebs, viele unheilbar, weil die Chemotherapie nicht oder nicht ausreichend anspricht. Für sie wäre jede Verbesserung der Wirkung dieser Therapie, die das Methadon vielleicht liefern kann, unendlich wichtig. Seit 2009 hat man den Verdacht von der Wirkung von Methadon, und dennoch ist das Geld nicht da, diese Wirkung zu erforschen und potenziell Millionen von Menschen zu retten. Kann das wirklich am Profitdenken der Pharmaindustrie liegen?
Jeder neoliberale Mensch müsste hier doch stutzig werden, oder? Vielleicht geht es bei weitem nicht allen gut, wenns der Wirtschaft gut geht. Vielleicht wäre es doch besser, mehr Steuern einzuheben, damit die Gemeinschaft eine derartige Forschung, die allen zugute kommt aber keine privatwirtschaftlichen Profite bringt, finanzieren kann! Wir brauchen eine wissenschaftliche Forschung, die sich an den Interessen der Allgemeinheit orientiert. Das kann die Privatwirtschaft nicht leisten und deshalb sollten wir sie nicht um Almosen bitten, sondern sie derart besteuern, dass wir diese Forschung bezahlen können. Allein das Gehalt einer handvoll Pharma-ManagerInnen würde für ein wissenschaftliches Projekt zur klinischen Untersuchung der Wirkung von Methadon in der Krebstherapie ausreichen. Was ist uns wichtiger, dass die im Geld schwimmen (und damit u.a. Besuche bei Gatterjagden bezahlen), oder dass wir Krebsmittel finden?
Ich stimme zu, dass es dringend klinische Studien zu Methadon geben sollte, allerdings ist es auch nicht ganz richtig, dass es gar keine gibt. Die Berichte hierzu sind widersprüchlich – wie übrigens zu allen Behandlungsmethoden (inkl. den klinisch erprobten).
Eine nüchterne Zusammenfassung bringt z.B. die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und klinische Onkologie: https://www.dgho.de/informationen/stellungnahmen/gute-aerztliche-praxis/DGHO_Stellungnahme_Methadon%2020170426_.pdf?searchterm=Methadon
Meine eigenen Erfahrungen in der Praxis sind auch keinesfalls eindeutig.
Die Welt ist interessant. Hier schreibt die US Regierung davon wie Cannabis Krebszellen töten kann aber wir setzten es trotzdem nicht ein.
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Cannabis: This is the official U.S. National Cancer Institute’s position:
http://www.cancer.gov/about-cancer/treatment/cam/patient/cannabis-pdq/#link/_13
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A laboratory study of delta-9-THC in hepatocellular carcinoma (liver cancer) cells showed that it damaged or killed the cancer cells. The same study of delta-9-THC in mouse models of liver cancer showed that it had antitumoreffects. Delta-9-THC has been shown to cause these effects by acting on molecules that may also be found in non-small cell lung cancer cells and breast cancer cells.
A laboratory study of cannabidiol (CBD) in estrogen receptor positive andestrogen receptor negative breast cancer cells showed that it caused cancer cell death while having little effect on normal breast cells. Studies in mouse models of metastatic breast cancer showed that cannabinoids may lessen the growth, number, and spread of tumors.
A laboratory study of cannabidiol (CBD) in human glioma cells showed that when given along with chemotherapy, CBD may make chemotherapy more effective and increase cancer cell death without harming normal cells. Studies in mouse models of cancer showed that CBD together with delta-9-THC may make chemotherapy such as temozolomide more effective.
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Ich empfehle Rosmarin und Karfiol:
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Plants Against Cancer: A Review on Natural Phytochemicals in Preventing and Treating Cancers and Their Druggability
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4017674/
In dem Buch “How Not to Die” von Dr. Michael Greger, dem Gründer von nutritionfacts.org, werden die fünfzehn häufigsten Todesursachen in den USA wissenschaftlich durchleutet (verständlich und unterhaltsam geschrieben, mit 180 Seiten Quellenangaben hauptsächlich zu wissenschaftlichen Publikationen).
Erstaunlicherweise, die häufigsten Todesursachen lassen sich alle relativ gut vermeiden, die meisten sogar heilen. Und was zur Prävention/Heilung einer chronischen Erkrankung gut ist, ist auch zur Prävention/Heilung aller anderen chronischen Erkrankungen gut. Einziger Nachteil: die Lösung – pflanzliche Vollwertkost, also eine Ernährung ganz ohne tierliche Produkte, ohne Junkfood und möglichst ohne stark verarbeitete Produkte wie Zucker, Öl, Weißmehl uä – ist so einfach, dass sich keine großen Profite damit machen lassen. Im Gegenteil, viele Tausende Milliarden an Gewinnen der Pharma-, Gesundheits- und Tierindustrie sind dadurch gefährdet. Also werden unzählige Milliarden investiert in Lobbying, die Verwirrung der Konsument_innen, und die Entwicklung von Medikamenten mit negativen Nebenwirkungen, für die es dann weitere Medikamente braucht…
Aber wer hat schon Interesse UND finanzielle Mittel, Bohnen, Obst, Gemüse, Nüsse, Gewürze etc als Medizin klinisch zu erforschen? – Abgesehen von der Erforschung isolierter Einzelbestandteile, mit zwar schlechterer Wirkung und negativen Nebenwirkungen, die aber als patentierbare Medikamente vermarktet Milliardengewinne versprechen.