Demokratie funktioniert nur auf der Basis einer breiten öffentlichen und offenen Diskussion. Darüber sind wir uns vermutlich einig, herrscht in der Demokratie doch das Volk und das kann nur zu einer aufgeklärten Entscheidung kommen, wenn es eine solche Diskussion gibt. Aber offenbar sind wir uns hierzulande nicht so ganz einig, dass Demokratie einen Wert darstellt. Damit meine ich nicht nur einen Felix Baumgartner, der eine „gemäßigte Diktatur“ einer Demokratie vorzieht. Gewisse Machteliten scheinen nämlich demokratische Entscheidungen und den Volkswillen geradezu zu fürchten. Und insbesondere fürchten sie diesbezüglich kritische Stimmen, die den Mehrheitswillen gegen die elitäre Entscheidung schüren. Nur so ist mein Rede- und Auftrittsverbot an der Uni Wien zu erklären.
Was die Uni Wien hier mit Brachialgewalt durchsetzen will, wird von anderen Stellen subtiler, aber nicht weniger bösartig, betrieben. Die gesamte Tierversuchsseite, die Pharmaindustrie und das Wissenschaftsministerium verweigern die öffentliche Diskussion der anstehenden Reform des Tierversuchsgesetzes. Und das nicht nur physisch, sondern auch durch ihre absolute Geheimhaltung in allen Dingen, die mit Tierversuchen zusammenhängen.
Welche Tierversuche konkret in Österreich stattfinden ist ein Staatsgeheimnis. Wir würden offiziell nicht einmal wissen, wo Tierversuche stattfinden und wie viele es sind. Noch weniger wissen wir, wofür konkret Tierversuche hierzulande durchgeführt werden und wie es den Tieren dabei geht. All das unterliegt der absoluten Geheimhaltung, ja, es gibt nicht einmal eine einzelne Person oder eine Institution, die diese Informationen sammelt, so sehr sind die Kompetenzen bei Tierversuchen unter 4 Ministerien und 9 Landesregierungen aufgeteilt.
Wie stellt man sich eigentlich unter diesen Bedingungen eine demokratische Entscheidung über Tierversuche vor? Wenn niemand weiß bzw. es sagt, was eigentlich läuft, auf welcher Basis sollen die Menschen entscheiden, ob sie das gut finden oder ob sie eine Änderung wünschen? Wie könnte sich unter diesen Bedingungen überhaupt eine aufgeklärte Meinung des Volkes bilden?
Gegen dieses undemokratische Vorgehen brauchen wir also zuallererst Informationen. Wir brauchen Transparenz, wie das sogar die EU-Richtlinie zu Tierversuchen fordert. Alle Tierversuche müssen veröffentlicht werden, damit eine öffentliche Kontrolle stattfinden kann. So stehts in Artikel 43 der Richtlinie, und Artikel 38 (4) spricht sogar explizit von Transparenz und der Beteiligung Dritter in den Genehmigungsverfahren für Tierversuche.
Der Grund dafür ist leicht nachvollziehbar. Nur bei Transparenz und einem Ende der Geheimhaltung ist eine öffentliche Kontrolle von Tierversuchen möglich. Menschenrechte und Verfassung definieren einen fairen Gerichtsprozess als ein öffentliches Verfahren, in dem die Präsentation aller Beweismittel für die Öffentlichkeit mitverfolgbar sein und der Urteilsspruch in der Öffentlichkeit begründet werden muss. Offensichtlich wird auch von unabhängigen Gerichten angenommen, dass sie einer öffentlichen Kontrolle unterworfen werden müssen, um Gerechtigkeit und Fairness sicher zu stellen.
Dieselbe öffentliche Kontrolle braucht man natürlich auch bei Tierversuchen. Wenn man schon keinen unabhängigen Gerichten trauen kann, dann umso weniger irgendwelchen anonymen BürokratInnen in den verschiedenen Ministerien und Landesregierungen, die Einzelentscheidungen über Leben, Leiden und Tod von 200.000 Versuchstieren pro Jahr fällen.
Transparenz bei Tierversuchen ist unabdingbar. Wer sich dagegen stellt, zeigt seine undemokratische und verfassungsfeindliche Gesinnung. Sie ist die Mindestvoraussetzung, sozusagen der Beginn einer echten effektiven Kontrolle von Tierversuchen, und letztlich auch einer Diskussion über Tierversuche schlechthin. Erst gestern habe ich im New Scientist vom 1. September 2012 auf Seite 15 von einem Tierversuch gelesen, bei dem Affen Helium verabreicht wurde, ausschließlich um zu hören, wie dann ihre Rufe klingen! Wer weiß denn, auf was für Verrücktheiten die Wissenschaft in Österreich so gekommen ist!
Das Wissenschaftsministerium will die Transparenzforderung der EU-Richtlinie umsetzen, indem für jeden Tierversuch lediglich veröffentlicht werden soll, was für ein Ziel man erreichen will und wie sehr die Tiere gelitten haben. Da steht dann z.B. es gab einen Tierversuch für den Test von Wirkstoff XYZ und die Versuchstiere haben leicht gelitten. Soll das ein Scherz sein? Was für eine öffentliche Kontrolle ist mit einer derartigen Null-Information möglich? Eine Umsetzung dieser Art ist ein Schlag ins Gesicht aller aufrechten DemokratInnen!
Diskussionsverweigerung und Geheimhaltung sind demokratiewidrig und sollten in der heutigen Gesellschaft keinen Platz mehr haben!